Your come face

"Nerve" und "Beautiful Agony": Sexseiten, von denen Frauen träumen?

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Wir Frauen: Nach drei Stunden schweißiger Lust und Willfährigkeit sind wir bitter enttäuscht, wenn unser Geschlechtspartner einfach einschläft. Wir ziehen uns den Rock gerade, schlüpfen in die Pumps und stöckeln mit tränenverschmiertem Lidstrich nach Hause. In manchen Nächten sind die öffentlichen Verkehrsmittel voll von Frauen, die weinend nach Hause fahren.

Dabei wäre es so leicht: Noch bevor alle Körperflüssigkeiten auf uns getrocknet sind, wollen wir am ganzen Körper gestreichelt und richtig durchgeknuddelt werden - etwa so, wie man es mit alten Jagdhunden macht. Wir nennen das "Nachspiel" (Deswegen sagen wir auch so oft im täglichen Leben - z.B. wenn uns jemand beim WSV den Stringtanga weggeschnappt hat : "Das wird ein Nachspiel haben") Nach dem Nachspiel wollen wir unsere Träume erzählen. Dass wir zum Beispiel gerne heiraten würden. Oder uns gerne scheiden lassen würden, je nachdem.

Traurige Klischees, die immer noch einschlägige Damen- und Herrenzeitschriften dominieren. Wovon träumen wir Frauen wirklich? Vielleicht träumen wir von einem "furchtlosen intelligenten Forum für beide Geschlechter, weil wir Frauen (Männer auch, aber vor allem Frauen) lange genug auf ein kluges ehrliches Magazin über Sex gewartet haben, welches Klischees - wie die oben angeführten - zerschmettert".

Das Zitat stammt aus der Selbstbeschreibung von Nerve.com, einer Sexsite, dem Werk von "Partisanen der postsexuellen Revolution" (NYTimes). Die "führende erotische Website für den Literaten" (CNN) hält ihren "klischeezerschmetternden" und hohen Standard seit 1997. Die Autoren sind hochrangig, mit dabei war beispielsweise Norman Mailer oder "Prozac Nation"-Verfasserin Elizabeth Wurtzel, die jetzt als Filmkritikerin mit einem Beitrag über "The Passion of the Christ" debütierte. Die aktuelle Ausgabe, The Shame Issue, wartet mit Kurzgeschichten (über Sex) auf, daneben gibt es Meinungsartikel (Die Metrosexual Die!), Sextipps von Taxifahrern, Interviews und den beliebten Amateurfotowettbewerb (Thema: Sexiest photo of someone - or many people - in a University or Public Library)

Bild: Nerve

Sex was sprouting out of every crevice, like mushrooms in a damp season - pale and tuberous and faintly ridiculous, but perfectly natural, as everyone kept assuring everyone else.

Nerve.com

Erstmals wird auch ein - recht hintersinniger - Amateurvideowettbewerb veranstaltet: Nerves John Ashcroft Video Project. Den Gewinnern winken Geldpreise von bis zu 1000 Dollar. Die Vorgabe: Ein Video, 60 Sekunden lang oder kürzer, welches eine Diskussion über Justizminister John Ashcroft beinhaltet, je schärfer, desto besser. Welches das sexieste Video ist, darüber entscheidet u.a. der Musiker Moby (Einsendeschluss: 14.April).

What's Your Come Face?

Laut Nerve gibt es Nerve, weil Sex "schön und absurd ist, bemerkenswert lustig und zuverlässig traumatisierend". Eine neue australischstämmige Website heißt Beautiful Agony - Facettes de la Petite Mort und zeigt in zweiminütigen Kurzfilmen Gesichter von Menschen, die zum Höhepunkt kommen. Mit Audiobegleitung. Ohne Nachspiel.

Bild: Beautiful Agony

More beautiful than the sun
more beautiful than the rain
more beautiful than all these things,
was your face when you came

Smog: Your Face

Do-It-Yourself-Sexseiten gibt es zuhauf, doch die schöne Agonie mischt die Netz-Porno-Paradigmen neu - durch den völligen Verzicht auf Nacktheit. Ein Viertel der Besucher sind den Gründern (ein Mann, eine Frau) zufolge Frauen.

Porno ist lahm und unaufregend. Ich war nie ein großer Porno-User. Und die einzigen Frauen, die ich kenne, konsumieren Porno nur, um sich darüber lustig zu machen. Ich kann mir keine Industrie vorstellen, die derart wenig Kontakt mit ihren Kunden unterhält. Einen echten menschlichen Orgasmus mit all seinen Feinheiten einzufangen, das ist nicht schwer, wunderschön und es ist uns noch nie in einem unverfänglichen Kontext präsentiert worden.

Richard Lawrence, einer der Gründer von Beautiful Agony