Z.B. George Floyd

Fussnoten

1

Den Krieg gegen Verbrechen und Drogen führt es unter anderem mit dem ""three-strikes law" (sinngemäß: "Drei-Verstöße-Gesetz") ... ein Gesetz, nach dem bei der dritten Verurteilung wegen einer Straftat in den meisten Bundesstaaten automatisch eine besonders schwere Strafe ausgesprochen wird und in wenigen Bundesländern (z.B. Kalifornien) sogar lebenslang vorgesehen ist. Der Begriff kommt vom Baseball, wo ein Schlagmann nach dem dritten Fehlschlag ("strike") ausscheidet und bis zur nächsten Runde nicht mehr am Spielgeschehen teilnehmen darf." (Wikipedia, s.v. Three-strikes law)

2

"Nach einem Gefängnisaufenthalt bekommen viele Amerikaner kein Bein mehr auf den Boden. Nicht nur ihr Arbeitsplatz ist weg, sondern oft auch die Wohnung, denn viele Kommunen verbieten Straftätern das Betreten von Sozialsiedlungen. Für Vorbestrafte ist ein Job als Putzkraft oft schon wie ein Lottogewinn. Doch wer aus der Haft kommt, braucht nicht nur Geld zum Überleben. In aller Regel muss er Hunderte bis Tausende Dollar Schulden bei der Justiz abstottern: Geldbußen und Gebühren, deren Zahl sich immer weiter vergrößert... Für arme Amerikaner kann deshalb selbst ein Bagatelldelikt zu einer Art lebenslanger Strafe führen, denn sie geraten in einen Kreislauf aus Strafbefehlen und Mahngebühren. Oft wird der Führerschein eingezogen, wenn ein entlassener Häftling säumig ist. Fährt er dennoch Auto, weil er anders nicht zu seiner Arbeitsstelle kommt, droht ihm eine Festnahme wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Dann gibt es wieder Gefängnis, wieder Bußgeld, wieder Gebühren. Ein Gefängnisaufenthalt muss nicht unbedingt am Anfang dieser Spirale stehen." (FAZ, 6.7.20) Den in vielen Bundesstaaten üblichen und viel beklagten zeitweisen Entzug des Wahlrechts kann man da eher als wohlverdiente Pause verbuchen

3

Für ein moralisch gefestigtes Volk wird das vor allem daran augenfällig, dass ein schwarzer Professor - einer der Gu-ten! - vor seinem eigenen Haus - in einer guten Nachbarschaft! - von der Polizei für einen Einbrecher gehalten wird. Auf einem "beer summit" 2010 in gemütlicher Runde mit dem schwarzen Präsidenten findet eine zivilisierte Aussprache der Beteiligten statt. Das erfreuliche Ergebnis: großes Missverständnis.

4

Als Mitglieder von einer ethnisch definierten Community beurteilt zu werden und sich auch als solche zu betätigen ist für sich genommen keine Besonderheit der Schwarzen. Überhaupt präsentiert sich die amerikanische Klassenge-sellschaft als ein Sammelsurium von ethnisch definierten Communitys mit objektiven und subjektiven Eigenarten, Eigen- und Fremdbeurteilungen anhand der moralischen Messlatte der freien Konkurrenz. Das liegt nicht nur an Amerikas zuwanderungsreicher Geschichte, sondern auch daran, was die moderne kapitalistische Konkurrenz den alten und neuen Zugewanderten abverlangt, die in ihr heimisch werden wollen. (Siehe "Zum Beispiel Ferguson: Rassismus in den USA - woher er kommt und warum er nicht weggeht" in GEGENSTANDPUNKT 1-15.) Die offen-sichtliche Besonderheit der Schwarzen in dieser gesellschaftlichen Beurteilung der Konkurrenten durch Staatsgewalt und Mehrheitsvolk - als ein für die freie Konkurrenz untaugliches und für die anständigen Konkurrenten gefährliches Kollektiv - ist im Folgenden Thema.

5

So geht die Nationalgeschichte überhaupt los: Das erste untaugliche Kollektiv stellen bekanntlich die Indianer, die es auf dem Kontinent zwar zu einer Bevölkerung, aber nicht zu einer Eigentumsordnung bringen. Zwar leben sie auf amerikanischem Boden und benutzen ihn auch, aber sie haben ihn nicht zum Geldverdienen hergerichtet, sich ihn insofern auch nicht angeeignet. Sie sind daher rechtlose "Wilde" und werden von den eingewanderten Siedlern - mal mehr, mal weniger systematisch - vertrieben, ausgerottet. Für ein zivilisiertes Geschäftsleben mit den Produkten dieses herrenlos gemachten Bodens werden von Anfang an massenhaft schwarze Sklaven importiert, gezüchtet und gehandelt - ein von freien Eigentümern bewirtschaftetes Menschenkollektiv, dessen Mitglieder sich zwar für eine freie Landwirtschaft als außerordentlich nützlich erweisen, aber eben nicht als freie Konkurrenten. An deren Nützlichkeit für die Bereicherung ihrer Herren merken diese vor allem, wie sehr es der Natur der Schwarzen entspricht, das arbeitsame Eigentum freier Menschen zu sein.

Eine aufschlussreiche Nebenrolle zur Zeit der amerikanischen Kolonien spielen die französischen Katholiken im Norden, durch die die geschäftstüchtigen und expansionsfreudigen amerikanischen Siedler sich in ihrem Freiheitsdrang gehemmt fühlen. Diese Figuren sind durchaus zu Eigentum und Geldverdienen fähig, sind also schon mal Menschen; zur Freiheit in Selbstbestimmung taugen sie aber nicht viel, setzen sie doch ihr "trust" nicht direkt in Geld und Gott, sondern zumindest Letzteres bloß vermittelt über einen fremden Despoten in Rom. Wenn also die britische Krone ihre amerikanischen Siedler, mit denen sie soeben einen großartigen Sieg über Frankreich im "Siebenjährigen Krieg" auf dem nordamerikanischen Schlachtfeld eingefahren hat, allen Ernstes auf annähernd die gleiche Stufe stellt wie die Wilden, die Negersklaven und die französisch-kanadischen Sklavenchristen, indem sie die Gebiets- und Rechtsansprüche der diversen Untermenschen gegen die Ansprüche der Siedler auf fruchtbares Land und menschliches Arbeitsvieh durchsetzt, dann sehen die Siedler darin ihre eigene Degradierung zu Sklaven; und wenn ihnen obendrein immer mehr Steuern aufgedrückt werden, um eine stehende Armee zu finanzieren, die ihre Ansprüche beschneidet - dann ist offensichtlich eine ame-rikanische Unabhängigkeit fällig.

6

Wenn Immigranten solche Zweifel ausdrücklich wecken wollen, dann versteht die amerikanische Staatsgewalt keinen Spaß. Die Gefahr ist zwar längst gebannt, aber in der goldenen Ära des industriellen amerikanischen Kapitalismus machen sich Kommunisten und Anarchisten in den industriellen Zentren des Landes störend bemerkbar: Sie lehnen Eigentum und freie Lohnarbeit ab und kritisieren das Geld, kennen somit keine Freiheit und keinen Gott. Mit ihren "unamerican activities" entlarven sie sich nicht bloß als Kinderfresser, sondern als unverbesserliche Fremde - nicht bloß metaphorisch: Nach einem Bombenanschlag im Zuge des "Haymarket Riot" 1886 bringt ein scharfsinniger Journalist das Prinzip des amerikanischen Antikommunismus auf den Punkt: "Einen amerikanischen Anarchisten kann es nicht geben. Der amerikanische Charakter enthält kein Element, das jemals für eine so verkehrte Nutzung gewonnen werden könnte." (Public Opinion)

7

Zum Beispiel wird nach dem "Chinese Exclusion Act" (1882) mit einem "National Origins Act" (1924) die jährliche Einwanderung auf 2 % der aus dem jeweiligen Land stammenden Bevölkerung in den USA beschränkt, was vor al-lem auf den Ausschluss unerwünschter Asiaten (aus China durften ca. 100 Menschen pro Jahr einreisen), Afrikaner sowie Süd- und Osteuropäer hinausläuft - und mehr oder weniger explizit dem Ziel dient, eine nord- und westeu-ropäische Mehrheitsbevölkerung zu bewahren.

Der amerikanische "Nativismus" - vor dem auch Hitler nur seinen Hut ziehen konnte: "Die amerikanische Union lehnt die Einwanderung von körperlich ungesunden Elementen ka-tegorisch ab und schließt die Einwanderung bestimmter Rassen einfach aus." (1925) - gegen Immigranten be-stimmter Provenienz erlebt in dem Maße seinen Abstieg, wie die USA zur weltweit zuständigen imperialistischen Macht aufsteigen. Damit verwandelt sich das dominierende Selbstbild der Nation im Innern, in den Zeiten des Kalten Kriegs dann endgültig: Amerika wird von einem Land der "pilgrims", der weißen Protestanten auf der Suche nach selbstbestimmter Freiheit, zu einem Land der hard-working "immigrants", die aus aller Welt nach Amerika strömen und damit beweisen, wie universell das amerikanische Glücksstreben wirklich ist. Der mythische Gründungsort der Nation verlagert sich entsprechend von "Plymouth Rock", wo die ersten Pilgerväter 1621 an der Ostküste an Land gingen, nach "Ellis Island", jahrelang die zentrale Sammelstelle für Einwanderer aus der alten Welt. Damit werden auch die weißen Neger von gestern - die katholischen Iren und Italiener, Ost- und Südeuropäer - in das weiße Herrenvolk aufgenommen.

Für die endgültige Wende in dieser Frage steht der irischstämmige Katholik und Kommunistenfresser im Dienste der amerikanischen Weltordnung, J. F. Kennedy. Mit dem "Immigration and Naturalization Services Act" (1965) schafft sein Nachfolger die oben erwähnte Zwei-Prozent-Regelung ab und ersetzt sie durch eine Deckelung der Immigration aus der östlichen Hemisphäre auf maximal 170.000, aus der westlichen Hemisphäre auf 120 000 Personen pro Jahr. In der Praxis läuft die Reform auf eine verschärfte Einschränkung der massenhaften mexikanischen Immigration hinaus, die man bis zu dieser Zeit im Rahmen eines Gastarbeiterpro-gramms für die Landwirtschaft erlaubt hat. Ab diesem Moment wird der rassenneutral benannte "illegale Immigrant" zum neuen Feindbild, bei dem sich niemand darüber täuscht, dass die Mexikaner gemeint sind.

Bei der Bewirtschaftung dieses Einwandererkollektivs pflegt der amerikanische Staat zwar im Prinzip ein kalkulierendes Ver-hältnis, stets abwägend zwischen dem Geschäftsbedarf der Landwirtschaft und der Dienstleistungsindustrie auf der einen Seite und einer gar nicht verhohlenen Sorge vor Überfremdung auf der anderen Seite. So richtig hat der ame-rikanische Staat das Hin und Her dieser Einwanderer aber nie unter Kontrolle gehabt. In der Frage kommt er allerdings gut voran - und es ist denkbar ungerecht von Trump, die einschlägigen Fortschritte für sich zu verbuchen, bloß weil er dauernd von der Mauer schwafelt. Obama, dessen Deportationsleistungen bislang unübertroffen sind, gönnt er einfach nichts. Siehe "Die USA streiten über ihre illegalen Ausländer: Wer ist eigentlich ein richtiger Amerikaner?" in GEGENSTANDPUNKT 4-10.

8

Ein Kernstück dieser Betreuung und zugleich das hauptsächliche Mittel der segregierenden Bevölkerungspolitik in den industriellen Zentren Amerikas besteht ab 1935 in der staatlichen Förderung von Wohneigentum. Der Zentralstaat subventioniert den Kauf von Häusern durch die Versicherung der einschlägigen Hypothekenkredite, macht so den Bau von Häusersiedlungen, Vororten und Kleinstädten für die Arbeiterklasse der Nachkriegszeit zu einem extrem profitablen Geschäft und ermöglicht damit die Schaffung dessen, was man nun als "Suburbia" kennt.

Die Förderung gilt bis in die 1970er allerdings weder für schwarze Siedlungen - der Verweis auf das notorisch hohe Ausfallrisiko bei dieser besonderen Klientel steht in einem humoristischen Kontrast zu der Notwendigkeit der Subventionierung überhaupt - noch für weiße Siedlungen, falls Schwarze sich dort oder auch nur in der Nähe niederlassen. Deren schiere Anwesenheit, so die Begründung, senkt die weiße Nachfrage nach den dortigen Häusern, folglich auch deren Wert - in dem Fall erscheint dem Staat die Subventionierung armer Hausbesitzer definitiv als zu risikoreich, die Subventionierung integrierter Siedlungen auch als unzumutbarer Verstoß gegen die Freiheit der Weißen.

Das Resultat dieser Wohnungspolitik, die unter dem Stichwort "red-lining" rückblickend skandalisiert wird: Der Staat verhilft der weißen Arbeiterklasse zu der erlesenen Sorte Wohlstand namens "middle class", die darin besteht, sich mit einem eigenen Haus im Rücken bis über beide Ohren verschulden zu können. Die Schwarzen in den urbanen Zentren werden in dicht besiedelte Ghettos gedrängt - dabei oft in sogenannten "public housing projects" untergebracht, die Hip-Hop-Fans weltweit als "da projects" kennen. Dort wohnen sie denkbar elend zur Miete, also ohne das häusliche Stück "Vermögen" bilden zu können, mit dem die anderen armen Amerikaner zu stolzen Bankkunden werden. Das ist nämlich - dies nebenbei - die wirklich große Leistung dieser staatlichen Subventionierung: Die auf Basis dieser staatlichen Förderung massenhaft vergebenen Hypothekenkredite werden zum Eckstein des tiefsten Finanzmarkts der Welt und eines weltweit getätigten, inzwischen berüchtigten Kreditgeschäfts.

9

Siehe nochmals "Zum Beispiel Ferguson: Rassismus in den USA - woher er kommt und warum er nicht weggeht" in GEGENSTANDPUNKT 1-15, insbesondere den 4. Abschnitt "African Americans: die etwas andere Unterschicht", S. 48 ff.

10

Journalisten auf beiden Seiten des Atlantiks haben eine gewisse Kunst darin entwickelt, sich Vergleichsmaßstäbe ein-fallen zu lassen, die die Drastik der nackten Zahlen hervorheben. Hier ein Exemplar aus heimischen Gefilden: "Af-roamerikaner machen etwa 13 Prozent der Bevölkerung aus. In dieser Größenordnung liegt laut Studien auch ihr Anteil am Drogenkonsum und -handel. Doch die Polizei verhaftet ungleich mehr Afroamerikaner wegen Drogen-vergehen... In den mehr als 7000 Gefängnissen der Vereinigten Staaten sind weit mehr als zwei Millionen Men-schen inhaftiert. Das waren 2015 nach Angaben des damaligen Präsidenten Barack Obama etwa ein Viertel aller Häftlinge der Welt, obwohl in den Vereinigten Staaten weniger als vier Prozent aller Erdenbürger leben. Heute sit-zen mehr Schwarze hinter Gittern, als es im Jahr 1850 Sklaven in dem Land gab. Alle drei Sekunden wird ein Ame-rikaner festgenommen, das summiert sich auf fast elf Millionen Festnahmen im Jahr. Für einen schwarzen Mann ist die Gefahr einer Festnahme fünfmal größer als für einen weißen. Noch unter Präsident George W. Bush prognosti-zierte das Justizministerium, dass jeder dritte männliche Schwarze, der im Jahr 2001 geboren wurde, irgendwann im Gefängnis landen würde." (FAZ, 6.7.20)

11

Sinngemäß: "Was uns mit dem Stimmzettel nicht gegeben wird, müssen wir mit Gewehrkugeln holen."

12

"Der Polizei die Mittel entziehen!" resp. "Die Polizei abschaffen!"

13

In dem Zusammenhang wird auf den offensichtlichen Unterschied in der Wahrnehmung von und dem Umgang des Staates mit dem schwarzen Drogenproblem und mit der "Opioid-Krise" gedrungen, die derzeit vornehmlich die weiße Bevölkerung heimsucht.

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