Zehn Vorschläge zur Abschaffung des deutschen Pazifismus
- Zehn Vorschläge zur Abschaffung des deutschen Pazifismus
- (3) Kino für das "heilige Deutschland"
- (5) Sinnvolle Wikipedia-Beiträge gewährleisten
- (8) Staatsbischöfe zur Assistenz anhalten
- Auf einer Seite lesen
Ein Beitrag über die Unzeitgemäßheit des Anti-Kriegs-Tages
Die Deutschen beschäftigen sich skrupulös mit Geschichte und Moral. Es fehlt ihnen einfach der Wille zur Macht. Sie haben immer noch nicht verstanden, dass ihre ökonomische und technologische Spitzenstellung einer Berufung zu Höherem gleichkommt. Da uns ein Philosoph unlängst über diese skandalösen Ewiggestrigkeiten aufgeklärt hat, sollten wir unsere eigene Welt- und Geschichtswahrnehmung gründlich in Frage stellen. Es ist eben alles ganz anders gewesen als es der Augenschein nahelegt.
Seit Ende des Kalten Krieges nämlich haben sich die Deutschen als reumütige einstige Täternation aufgespielt und die pazifistischen Hirngespinste ihrer jüngsten Staatsgründung penetrant in das weltpolitische Geschehen eingebracht (von einem Weltbeglückungsprogramm zum nächsten, typisch deutsch). Den Anti-Kriegs-Tag zur Erinnerung an den 1. September 1939 halten sie geradezu wie einen Staatsfeiertag heilig.
Heute, so steht zu befürchten, werden wieder Vertreter aller etablierten Parteien, kirchliche Amtsträger und zahlreiche Humanitätsprediger aus dem gebildeten Bürgertum selbst auf den Marktplätzen der kleinsten Städte aus der Präambel des deutschen Grundgesetzes zitieren. Sie werden also beschwören, dass unser Gemeinwesen "von dem Willen beseelt" sei, "dem Frieden in der Welt zu dienen". Keiner von diesen Kleingeistern und Kosmopoliten wird begreifen, dass ein bundesweiter Rekrutierungstag für das deutsche Militär an diesem Datum viel zeitgemäßer wäre und dass der passende Bundeswehr-Werbeslogan dazu heute so lauten müsste: "Wir dienen Deutschland!"
Wir wollen uns nicht weiter mit dem Anti-Kriegs-Tag aufhalten, sondern an diesem Datum Visionen für ein anderes Deutschland durchspielen, Visionen darüber, wie die jüngste Geschichte im Sinne der eingangs referierten Philosophenklage anders hätte verlaufen können, und mutige Visionen im Dienste einer Abschaffung des allseits berüchtigten deutschen Pazifismus.
(1) Ein "Wunder von Karlsruhe" täte not
An allererster Stelle bräuchten wir ein Verfassungswunder. Das Grundgesetz beschwert uns mit einer unnötigen Altlast, die den neuen historischen Bedingungen in keiner Weise mehr gerecht wird. Da steht seit 1956 noch immer die Bestimmung: "Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt." (Art. 87a GG) Wenn wir das allzu wörtlich nehmen wollten, könnten wir die Bundeswehr ja heute gleich ganz abschaffen.
Wie antiquiert unser Grundgesetz ist, geht auch aus einer anderen Bestimmung hervor, die auf idealistischen Völkerrechtskonzeptionen noch aus der Zeit des Völkerbundes basiert und besonders vom SPD-Mann Carlo Schmid eingebracht worden ist. In Artikel 24 Abs. 2 wird nämlich die Einordnung Deutschlands in ein "System gegenseitiger kollektiver Sicherheit zur Wahrung des Friedens" ermöglicht, wobei im Dienste der "Herbeiführung und Sicherung einer friedlichen und dauerhaften Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt" sogar deutsche Hoheitsrechte beschränkt werden können. Im Gegensatz zu Militärbündnissen, die als partikuläre Zusammenschlüsse immer nur bestimmten Partnern offenstehen, zielt der Terminus "System gegenseitiger kollektiver Sicherheit" auf eine prinzipiell universale Friedensgenossenschaft, der jedes Land auf der Ebene der weltweiten Völkergemeinschaft (oder in einer Erdregion) beitreten kann.
Eine solche Konzeption geht von der aberwitzigen Vorstellung aus, alle Länder hätten – bedacht auf das Wohl ihrer Bewohner und der ganzen Menschheit – ein gemeinsames Interesse. Wer will so etwas denn glauben? Der Globus funktioniert anders. Viel zeitgemäßer ist da die ehedem als Verteidigungsbündnis marktwirtschaftlich organisierter Staaten gegründete NATO, die ein partikuläres System kollektiver Interessenssicherung darstellt und im Interesse ihrer Mitglieder entsprechend interveniert. Die NATO ist kein Organ der Vereinten Nationen und kann in völkerrechtlichen Fragen auch viel schneller und kreativer als die ganze Völkergemeinschaft urteilen, da sie ja nur aus Gleichgesinnten mit ähnlicher Interessenslage besteht. In ihren Reihen hat man zum Beispiel die bahnbrechende Idee entwickelt, dass auch präventive Angriffe nichts anderes als Verteidigungsmaßnahmen sind. Die Lage scheint verzwickt zu sein, aber das Bundesverfassungsgericht könnte – im Bewusstsein seiner großen Verpflichtung gegenüber der Staatsräson – über Nacht Abhilfe schaffen. Ob es sich bei der NATO nun um ein "System kollektiver Sicherheit" oder um ein System kollektiver Interessenssicherung handelt, solche Haarspaltereien interessieren doch heute nur noch die Völkerrechtshistoriker der alten Schule.
Stellen wir doch einfach klar, dass Artikel 24 des Grundgesetzes auf die NATO zutrifft, dann haben wir im Handumdrehen die Tür zu allen möglichen Kampfeinsätzen des deutschen Heeres im Ausland aufgetan. Deutschland könnte endlich seine neue weltpolitische Mission wahrnehmen. Was wäre daran so schlimm? Schließlich hat sich die NATO ja sogar selbst – ganz freiwillig – an das Gewaltverbot der UN-Charta gebunden und sorgt als das global maßgebliche Militärbündnis dafür, dass die Völkerrechtsnormen in einer zeitgemäßen Weise weiterentwickelt werden.
(2) Mutige Tabubrecher und Klartextsprecher voranschicken
Natürlich sind neue Visionen immer gewöhnungsbedürftig. Bei einem so tiefgreifenden außenpolitischen Paradigmenwechsel, wie er uns hier vorschwebt, dauert es manchmal zwei Jahrzehnte, bis sich auch die letzten Köpfe in den maßgeblichen Medienredaktionen verständig zeigen. Wenn dann in den Grundsatzfragen der Defätismus überwunden ist, sollte man die Journalisten aber darin bestärken, sich jenseits aller Bescheidenheit wirklich eine eigene Urteilskraft in der Kriegsberichterstattung zuzutrauen. Das Internet bietet eine schier unendliche Fülle an Nachrichten und Materialien an. Da kann man besser als in allen früheren Zeiten Bausteine für eine in sich schlüssige Darstellung finden und unter den Bedingungen einer gesunden Medienkonkurrenz auch strategische Expertisen mit ganz persönlicher Note verfassen (deprimierende Parolen wie etwa das "Ich weiß, dass ich nichts weiß" des Sokrates sind ganz kontraproduktiv, wenn die grundsätzliche Linie erst einmal stimmt).
Gesamtgesellschaftlich empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen. Zunächst könnte man in der Regierung einen christlichen Wertkonservativen vorpreschen lassen, der die Wahrung unserer Interessen ("freier Welthandel und ungehinderter Zugang zu Märkten und Rohstoffen") im Rahmen einer natürlich "gerechten Weltwirtschaft" einfordert. Danach könnte z.B. ein sozialdemokratischer Minister betonen, dass "Moral und Geschichte" zur Begründung des "sicherheitspolitischen Engagements" nicht ausreichen, zumal heute die "gemeinsamen materiellen Interessen der Europäer" bedroht sind und es um den "Schutz der Energie- und Rohstoffversorgung" geht.
Zumindest probeweise könnte ein Minister auch Verfassungsänderungen vorschlagen, denn dieser Lösungsweg würde auf direktestem Wege zum Ziel führen und wäre auch am folgerichtigsten. Schließlich empfiehlt sich eine Annäherung an das erwünschte Ideal in einer Steigerung nach politischen Farbstufen (rot-grün; schwarz-rot; schwarz-gelb u.s.w.), wobei die Ergebnisse jeweils in offiziellen Militärrichtlinien der Regierungen dokumentiert werden sollten. In diesen militärstrategischen Dokumenten wäre klarzustellen, dass Deutschland "in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig" ist und diesbezügliche "Störungen der Rohstoff- und Warenströme" "nicht ohne Auswirkungen auf die nationale Volkswirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden" unseres Landes sind. Wären wir erst einmal so weit, könnte man die vorrangige Bedeutsamkeit der nationalen Interessen im Militärressort in Folgeversionen noch klarer fassen und am Ende auch alles unnötige Beiwerk weglassen.
In den Programmen der regierungsfähigen Parteien sollten die neuen Erfordernisse so formuliert werden, wie es jeweils den Mentalitäten der Mitglieder am besten entspricht. Hilfreich wäre es auch, wenn sich etwa der Bundespräsident bei diesem Thema von höchstem nationalen Interesse zu Wort meldet und der Bevölkerung vermittelt, "dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege". Ein junger dynamischer Verteidigungsminister könnte hier assistieren, indem er den Zusammenhang von regionaler Sicherheit und deutschen Wirtschaftsinteressen ganz unverklemmt anspricht, da ja "der Bedarf der aufstrebenden Mächte an Rohstoffen steigt ständig".
Natürlich, heutzutage werden auch die mündlichen Voten immer dokumentiert, und einige zwanghafte Leute wollen die Zitate hinterher immer kleinlich auseinandernehmen. Für einen erfahrenen Politiker sollte das kein Problem sein. Die deutsche Sprache ist besonders vieldeutig (schon die Romantiker haben sie als Ausdruck der Volksseele betrachtet). Wie etwas genau zu verstehen gewesen sein sollte, darüber hat in einem freien Land immer noch der Urheber von Worten und Sätzen zu befinden.
P.S.: Es gibt auch sonst immer genug Leute, die alles gleich wörtlich nehmen. So hat zum Beispiel das mächtigste Staatsoberhaupt der Welt eine Epoche der atomaren Abrüstung angekündigt, und die hiesige Friedensbewegung und sogar der sehr konservative katholische Bischof von Fulda meldeten sich daraufhin zu Wort, man könne ja mit den in Deutschland stationierten Atomwaffen sofort anfangen. Solche Kreise haben einfach keine Ahnung davon, wie man Weltpolitik macht (aber zu Wort wollen sie sich immer melden).