Zehntausende demonstrieren gegen spanisch-französischen Gipfel in Barcelona
Sánchez hat Macron nach Barcelona eingeladen, um einen "Freundschaftsvertrag" zu schließen. Konkret geht es um eine Wasserstoff-Pipeline und darum, das Ende des katalanischen Unabhängigkeitsprozesses zu besiegeln.
Während es heute in Frankreich allüberall zu Streiks und großen Demonstrationen gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron kommt, hat sich der Staatschef über die Grenze in den spanischen Staat abgesetzt. Er ist der Einladung des spanischen Regierungschefs Pedro Sánchez zum spanisch-französischen Gipfel gefolgt, der ausgerechnet in Barcelona stattfinden soll.
Die Pipeline: Eine "getarnte Gasröhre"
Das hat auf der einen Seite mit dem angeblichen grünen Wasserstoff und dem Etikettenschwindel mit der H2Med-Pipeline zu tun. Von Barcelona aus soll unter dem Mittelmeer eine Pipeline zur französischen Hafenstadt Marseille verlegt werden, die angeblich Wasserstoff transportieren soll. Dabei wird daraus mit größter Wahrscheinlichkeit nur eine getarnte Gasröhre, was mit dem Scheitern der Pipeline MidCat zu tun hat.
Im Hafen von Barcelona steht die größte Regasifizierungsanlage Europas. Hier kommen die Flüssiggas-Tanker mit Fracking-Gas aus den USA an. Getarnt wird das um ein Vielfaches teurere Projekt mit "grünem" Wasserstoff, um an EU-Fördergelder zu kommen. Überschüsse aus erneuerbarem Strom gibt es trotz des Solarbooms auch in Spanien nicht und das wird sich mittelfristig auch nicht ändern.
Proteste gegen den Gipfel
Doch in Ruhe konnte Sánchez sich auch in der katalanischen Metropole nicht mit Macron treffen, denn Zehntausende Menschen sind in Barcelona gegen den Gipfel auf den Straßen.
Der große "Katalanische Nationalkongress" (ANC) hatte die Menschen dazu aufgerufen, sich in Gelbwesten zu beteiligen, um einerseits an die Erfolge der Bewegung zu erinnern, die sie trotz massiver Repression Macron abgetrotzt hat, aber auch um sich mit den neuen Kämpfen in Frankreich zu solidarisieren.
"Hier ist nichts zu Ende", lautet das Motto der großen Demonstration, mit dem die zivilgesellschaftlichen Organisationen in Katalonien zum Gipfel-Protest angetreten sind.
Neben dem ANC hatten zunächst auch die große Kulturorganisation "Òmnium Cultural" und der "Republikrat" (CdRep) federführend zum Protest gegen das Treffen aufgerufen, das Sánchez aus einem anderen Grund in Barcelona abhalten ließ.
Die Provokation
An sich ist der Gipfel schon eine "Provokation" für viele Katalanen, nach deren Verständnis ihr Land zwischen Spanien und Frankreich aufgeteilt ist. Die Provokation hat der Sozialdemokrat Sánchez aber noch gesteigert, indem er mit Blick auf den Unabhängigkeitsprozess, der vor allem 2017 mit dem von der spanischen Regierung verbotenen Referendum hochkochte, das brutal unterdrückt wurde, eine Ansage machte, die viele empörte.
So verkündete Sánchez nun: "Der Prozess ist beendet.". Das sagte er in Bezug darauf, dass es ihm in den vergangenen Jahren gelungen ist, einen Spaltungskeil zwischen die drei Parteien zu treiben, die für die Unabhängigkeit von Spanien eintreten.
Dafür führt er an, dass die in einer schwachen Minderheitsregierung Katalonien regierende "Republikanische Linke" (ERC) den "Verfassungsrahmen" anerkannt habe. In diesem Rahmen könne in Spanien jedes Projekt verteidigt werden, meint Sánchez.
Genau das sieht eine Mehrheit im Lande anders, die bei den letzten Wahlen zu 52 Prozent die Parteien gewählt hat, die für die Unabhängigkeit eintreten. Die ANC-Präsidentin Dolors Feliu ist der Ansicht, dass der Gipfel als "Akt der Besetzung" geplant ist. Sánchez und Macron würden nach Barcelona zu einem "Herrschaftsakt" reisen, um zu zeigen, "dass sie über Katalonien entscheiden".
Der Sprecher des Republikrats Toni Castellà erklärt: "Es ist offensichtlich, dass der Prozess nicht beendet ist". Der CdRep-Sprecher, gleichzeitig Generalsekretär der kleinen Partei "Demòcrates" (Demokraten), verweist darauf, dass Sánchez weiter auf "Repression" setzt. Der Prozess sei erst dann zu Ende, wenn die Unabhängigkeit erreicht sei, wird allseits hier versichert.
Repression
Dass Repression weiter das Bild bestimmt, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass man in Madrid alles daransetzt, um die Auslieferung des Exilpräsidenten Carles Puigdemont zu erreichen, wofür gerade sogar das Strafrecht geändert wurde.
Während Sánchez den "Tod des Unabhängigkeitsprozesses bescheinigen" wolle, "bescheinigen wir, dass Spanien kein Rechtsstaat ist", heißt es im Aufruf. Es gebe noch immer politische Exilanten wie Puigdemont, es stünden noch Gerichtsverfahren gegen 500 Personen aus. Insgesamt sind 4.000 Menschen von Verfahren betroffen und werden zum Teil mit Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt.
Castellà verweist auch darauf, dass es "den angeblichen Dialog" zur Konfliktlösung real nicht gibt. Tatsächlich gab es in drei Jahren kein einziges ordentliches Treffen zwischen der katalanischen und der spanischen Regierung, in dem es eine Tagesordnung und ein Abschlussprotokoll gegeben hat.
Sánchez habe angesichts der Gespaltenheit der Bewegung in den letzten beiden Jahren darauf gesetzt, dass sie zu keiner Reaktion fähig wäre, vermutet Castellà. Darin hat er hat sich aber verschätzt, wie in Barcelona zu sehen ist. Dutzende Organisationen haben sich dem Protest angeschlossen. Zuletzt auch die ERC, auf deren Stimmen die spanische Minderheitsregierung angewiesen ist.
Beteiligen wird sich auch der ERC-Chef Oriol Junqueras. Der will nicht "gegen etwas" demonstrieren, sondern "für die Unabhängigkeit, das Selbstbestimmungsrecht und eine Amnestie". Man müsse "maximale Geschlossenheit" und "maximalen Zusammenhalt" zeigen.
Unter Druck
Seine ERC steht enorm unter Druck, da sie im Schmusekurs mit Sánchez kaum etwas erreicht hat und immer stärker im eigenen Lager angegriffen wird. Im vergangenen Jahr ist daran die Koalition mit "Gemeinsam für Katalonien" (JxCat) zerbrochen, hinter der Puigdemont steht. Schon zuvor hatte die antikapitalistische CUP der ERC-Regierung unter Pere Aragonès die Unterstützung wegen vieler gebrochener Vereinbarungen entzogen.
Am Nationalfeiertag hatte sich die ERC erstmals nicht an der Großdemonstration beteiligt und sogar zu demobilisieren versucht, weil sie sich angegriffen fühlte. Trotz allem beteiligten mit bis zu 700.000 Menschen deutlich mehr als im Vorjahr.
Da im Mai auch in Katalonien Kommunalwahlen anstehen sowie im November auch spanische Parlamentswahlen, versucht die ERC nun den Spagat. Auch sie hatte zum Protesten aufgerufen, andererseits beteiligte sich Regierungschef Aragonès (ERC) am Gipfel. Bekannt wurde schon im Vorfeld, dass er von den Gesprächen ausgeschlossen ist. Er durfte nur an der Begrüßung teilnehmen.
Beschlossen wird zwischen Frankreich und Spanien ein "Freundschaftsvertrag". Über das "Abkommen von Barcelona" sollen die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten auf die gleiche Stufe gestellt wie die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland und Italien.
Neben Macron ist auch die Premierministerin Élisabeth Borne und etwa einem Dutzend französischer Minister nach Barcelona gereist.