"Zensur ist nie vollständig – das gibt zumindest Hoffnung"
Seite 2: "Die großen deutschen Medien machen keinerlei ausgewogene Berichterstattung"
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Sie beschreiben in Ihrem Buch, wie Nachrichten über Russland zensiert werden. Das war noch vor dem Ukraine-Krieg. Für wie ausgewogen halten sie die Berichterstattung seitdem?
Hannes Hofbauer: Deutschland hat in einem offiziellen Brief am 2. Februar 2022 die Ausstrahlung von RT Deutsch und Sputnik verboten. Das war drei Wochen vor dem Einmarsch der russischen Truppen in den Donbass. Seither gibt es im Öffentlich-Rechtlichen sowie in den sogenannten Leitmedien keine Berichterstattung zu dem Thema mehr, sondern nur noch Propaganda.
Die Regierung und große Teile der Opposition wähnen sich im Krieg mit Russland. Ganz selbstverständlich werden Wirtschaftssanktionen, die es seit April 2014 bereits gibt, von Woche zu Woche verschärft und man muss sich die Augen reiben, damit man nicht glaubt in einem schlechten Film zu sein. Worin besteht eigentlich der Automatismus, Wirtschaftssanktionen sondern Zahl gegen Russland zu erlassen, weil russische Truppen in die Ukraine einmarschiert sind?
Selbiges wurde ja auch nicht beim Einmarsch der von den USA geführten "Koalition der Willigen" im Jahr 2003 in den Irak gemacht. Selbst dann nicht, als sich herausstellte, dass der Krieg mit der Lüge von einer angeblichen Chemiewaffenproduktion legitimiert wurde. Eine Million Menschenleben hat Washington mit seinen Partnern im Irak auf dem Gewissen und in Deutschland konnte man nach wie vor alle Produkte aus den USA kaufen und alle dorthin exportieren.
Und das ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, dass die großen deutschen und EU-europäischen Medien keinerlei ausgewogene Berichterstattung machen, sondern schlicht Propaganda. Dies fällt ihnen umso leichter, als die EU die Ausstrahlung russisch finanzierter Sender schlicht verboten hat.
Dass man sie freilich mit einiger Mühe trotzdem erreichen kann, zeigt, dass Zensur nie perfekt funktioniert. Das war die gesamte Zensurgeschichte hindurch seit Erfindung des Buchdrucks so. Zensur ist nie vollständig. Und das gibt zumindest Hoffnung.
"Die Abschaltung von RT Deutsch erfolgte ohne rechtliche Grundlage"
Können Sie hier Parallelen zur Berichterstattung seinerzeit im Kosovo-Krieg ausmachen?
Hannes Hofbauer: Eine sehr konkrete Parallele ist augenscheinlich. Im Dezember 2021 hatte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg erwirkt, dass der größte Satellitenbetreiber Eutelsat, der Millionen europäischer Haushalte mit Hunderten TV-Sendern versorgt, RT Deutsch aus dem Orbit genommen hat. RT Deutsch hatte zu diesem Zeitpunkt eine gültige serbische Sendelizenz, die eine Ausstrahlung über Eutelsat ermöglichte. Deutschland und Luxemburg hatten eine solche Lizenzvergabe zuvor verweigert.
Die Abschaltung von RT Deutsch erfolgte ohne rechtliche Grundlage und war der reinen Macht des deutschen Staates gegenüber Serbien und RT geschuldet. Ein selbiges Szenario musste der serbische Sender RTS im Mai 1999 erleben, nämlich die Abschaltung seines Satellitenprogramms auf Eutelsat mitten im Nato-Krieg gegen Jugoslawien.
Während des Nato-Krieges gegen Jugoslawien 1999 gab es noch vereinzelt kritische mediale Stimmen in Deutschland, vor allem aber in Frankreich und England. Heute, wo es gegen Russland geht – ohne dass ein Krieg gegen Russland erklärt worden wäre! – ist die Einstimmigkeit größer.
Man muss schon mutig sein, um einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz zu unterschreiben, in dem man darauf hinweist, dass Waffenlieferungen an eine der beiden Kriegsparteien, die Ukraine, das Leiden nur verlängern und weder den Menschen in der Ukraine, noch in Russland oder Deutschland helfen.
Können Sie eine Abschätzung abgeben, wie es mit der Zensur weitergehen wird? Wird diese weiterhin so erfolgreich sein?
Hannes Hofbauer: Die Schwäche des transatlantischen Raumes und der schleichend stattfindende Hegemoniewechsel hin zu China lässt nichts Gutes erahnen. Zwar sind Verbote und Zensurmaßnahmen immer ein Zeichen der herrschaftlichen Schwäche, aber in solchen Zeiten der Schwäche pflegen die Eliten meist wild um sich zu schlagen.
Mit den Grünen hat sich zudem eine Kraft etabliert, die auf einem längst abgelegten fortschrittlichen, friedenspolitischen Image aufbaut. Das hilft der jetzigen Regierung offensichtlich, ohne historische Hemmungen in einen autoritären Kurs zu verfallen.
Eine Kultur der Verbote und von Cancel Culture greift Platz. Damit steht zu befürchten, dass das Mittel der Zensur auch auf andere Themenfelder ausgeweitet wird. Es könnte demnächst klimapolitische oder weitere geopolitische Bereiche umfassen.
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