Zieht die Atomwaffen aus Europa ab!
Außenministerin Baerbock reist zur Uno-Konferenz über Atomwaffen. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs haben nukleare Drohungen zugenommen. Dagegen wäre Deeskalation von USA, Europa so einfach.
Heute ist die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Richtung New York City aufgebrochen. Sie nimmt dort an der Uno-Konferenz statt, die die Ziele des Atomwaffensperrvertrags überprüft. Die Konferenz findet alle fünf Jahre statt. Der Vertrag fordert insbesondere die 191 Unterzeichnerstaaten auf, atomar abzurüsten. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs werden die Stimmen aber wieder lauter, dass nukleare Abschreckung notwendig sei. Bei einem Besuch in Japan sagte Baerbock, dass atomare Abrüstung "in der derzeitigen Weltlage alles andere als einfach" sei. Das gilt auch für die im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz gelagerten US-Atomwaffen, die im Ernstfall von deutschen Kampfjets zum Einsatzgebiet geflogen werden würden. Vor dem Hintergrund der Reise Baerbocks zu Überprüfungskonferenz fordert die deutsche Sektion der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die 2017 den Nobelpreis verliehen bekam, die Bundesregierung auf, sich für atomare Abrüstung einzusetzen. Eine Ausweitung und Modernisierung des nuklearen Arsenals müsse widersprochen und jede Drohung ihres Einsatzes insbesondere Richtung Russlands "deutlich verurteilt" werden.
Seit Jahrzehnten liegt die Forderung nicht nur der Friedensbewegung auf dem Tisch, die Atomwaffen wieder aus der Welt zu schaffen. Damit wäre die schlimmste Bedrohung der Menschheit neben dem Klimakollaps beseitigt.
Nukleare Abrüstung ist dazu der Schlüssel. Nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West um 1990 wurden tatsächlich zwischen USA und Russland, den beiden mächtigsten Atommächten, effektive Abrüstungsverträge geschlossen. Doch dieser hoffnungsvolle Prozess wurde vor vielen Jahren jäh beendet. Die nukleare Aufrüstung nicht nur in Russland und USA, sondern auch in anderen Ländern, wie Frankreich, Großbritannien, China, Indien und vielen anderen hat wieder massiv zugenommen. Übrigens ist dies die entscheidende Triebfeder vieler Regierungen neue Atomkraftwerke zu bauen, denn sie sind die Quelle des Atomwaffenmaterials.
Nun gibt es einen bemerkenswerten Vorschlag zur nuklearen Abrüstung im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Oscar Arias und Jonathan Granoff haben vorgeschlagen, dass die USA als einseitiges Zeichen alle US-Atomwaffen aus Europa und Türkei zurückziehen sollten. Damit könne Putins Aufmerksamkeit erreicht werden, ihn an den Verhandlungstisch zu bewegen und möglicherweise einem Ende des Krieges in der Ukraine zuzustimmen. Oscar Arias ist Friedensnobelpreisträger und war Präsident von Costa Rica von 1986 bis 1990 und von 2006 bis 2010; Jonathan Granoff ist Präsident des globalen Sicherheitsinstituts.
Dieser Vorschlag wäre seitens der USA ein Zeichen der Deeskalation im sich immer mehr verhärtenden Ukraine-Krieg. Dies könnte Putin wirksam bewegen und ihm eines seiner wichtigsten Propagandaargumente für seine gnadenlose Aggression berauben. Die konventionelle Verteidigungsfähigkeit Europas gegenüber dem Aggressor Russland im Ukraine-Krieg bliebe dabei voll erhalten. Insofern gäbe es keine Sicherheitsrisiken für Europa.
Leider hat dieser wichtige Vorschlag keinen Eingang in die deutschen Medien gefunden und wird offensichtlich auch nicht in der Bundesregierung diskutiert.
Dabei ist der Abzug aller US-Atomwaffen aus Europa und damit auch aus Deutschland eine langjährige Forderung auch der grünen Regierungspartei. So hatte die Kanzlerkandidatin der Grünen und jetzige Außenministerin Annalena Baerbock im letzten Bundestagswahlkampf den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland gefordert.
Oscar Arias hat in Costa Rica Bemerkenswertes bewegt. Dort wurde der Militäretat weitgehend abgeschafft und vor allem in die Bildung gesteckt. Das hatte letztlich auch Auswirkungen darauf, dass Costa Rica das Ziel, die eigene Stromversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umzustellen, relativ schnell erreichte. Oscar Arias weiß also, wie man Frieden und Klimaschutz mit großen politischen Aktivitäten schaffen kann. Von ihm sollten wir viel lernen und insbesondere Außenministerin Baerbock sich diesen Vorschlag nun zu eigen machen und mit den USA entsprechende Gespräche anstoßen, denn sie hatte dies ja schon im eignen Wahlkampf vorgeschlagen. Jede Chance, den schrecklichen Krieg in der Ukraine zu beenden, sollten wir schnell aufgreifen und politisch umsetzen.
Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 1998 bis 2013 war er für die Grünen im Bundestag. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Engagement erhalten. Fell ist Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien.