Zivil-militärische Zusammenarbeit auf dem Mittelmeer

Seite 2: Frontex wird Quasi-Geheimdienst

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Vor zwei Jahren nahm die EU ihr Grenzüberwachungssystem EUROSUR in Betrieb (Festung Europa jetzt mit Bewegungsmelder). Das System basiert vor allem auf der Satellitenaufklärung. Entsprechende Daten werden vom EU-Satellitenzentrum aufbereitet und an das Hauptquartier von Frontex in Warschau weitergeleitet. Vergangenen September wurde auf diese Weise erstmals ein Boot auf dem Mittelmeer aufgespürt. Die Kommission bezeichnet dies als "Überwachung des Grenzvorbereichs".

Die Satellitenüberwachung soll nun ausgebaut werden, allerdings ebenfalls nicht zur Seenotrettung. Vielmehr soll Frontex quasi-geheimdienstliche Tätigkeiten übernehmen. So soll die Agentur dafür sorgen, dass Migranten erst gar nicht von den Küsten Libyens oder der Türkei in See stechen können. Gefordert wird, die "Möglichkeiten des Rückgriffs auf Satellitenbilder" in "vollem Umfang" zu nutzen.

Frontex soll eine Liste verdächtiger Schiffe erstellen, die "mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit" für Überfahrten genutzt werden könnten. Gemeint sind registrierte Schiffe, die ausgemustert wurden und zur Verschrottung vorgesehen sind. Per Satellit sind sie aufgrund ihrer Größe gut zu verfolgen. Im Winter waren mehrere solcher Frachtschiffe von der Türkei Richtung Italien unterwegs, wurden aber noch auf See aufgebracht. Die Kapitäne - ebenfalls Geflüchtete - hatten die Brücke rechtzeitig verlassen und die Steuerung auf Autopilot umgestellt, um der Strafverfolgung zu entgehen.

Frontex wird nun aufgefordert, "Risikokriterien" für die Identifizierung derartiger Fluchtbewegungen zu entwickeln. Diese könnten dann genutzt werden, um die infrage kommenden Schiffe aus dem All zu überwachen. Seit mehreren Jahren finanziert die EU-Kommission Forschungen, um Flüchtlingsboote mithilfe von Software zur Mustererkennung zu finden. Die Computerprogramme könnten mit den "Risikokriterien" gefüttert werden.

Mit Facebook, YouTube und Google gegen Fluchthelfer

In dem neuen Aktionsplan wird auch die Überwachung und Kontrolle des Internet anvisiert. Dies hatte die Kommission bereits in einer früheren Aussendung gefordert, auf genauere Ausführungen aber zunächst verzichtet (Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren gegen Fluchthelfer). Laut der Kommission soll Europol die zuständigen nationalen Behörden zukünftig "bei der Aufdeckung etwaiger von Schleusern verwendeter Internetinhalte" unterstützen. Gemeint sind unter anderem Facebookgruppen, in denen die Fluchtwilligen Ansprechpartner für ihre Überfahrten finden können.

Allerdings bleibt es nicht bei der Überwachung des Internet. Denn Europol soll bei den Internetdienstleistern auch "um die Beseitigung solcher Inhalte ersuchen". Die Polizeiagentur könnte aus Sicht der Kommission hierfür Strukturen nutzen, die derzeit gegen "ausländische Kämpfer" aufgebaut werden. Europol nimmt in drei Wochen eine Meldestelle für unliebsame Internetinhalte in Betrieb. Ebenfalls zur Bekämpfung des "islamistischen Terrorismus" gründet Europol ein "Forum der Internetdienstleister". Im Rahmen dieser informellen Zusammenarbeit könnten die Anbieter auch ohne Gerichtsbeschluss zu Löschungen von Inhalten überredet werden.

Im Herbst findet ein erstes Treffen statt. Dort will die Kommission den Firmen Facebook, YouTube und Google dann eröffnen, dass die fragwürdige Zusammenarbeit auch gegen unerwünschte Migration genutzt werden soll.