Zocken für die Rente

Seite 2: Der nächste Flop nach Riester

Gesamtwirtschaftliches Denken ist schwer. Jemand, der, aus welchen Gründen auch immer, Bundesfinanzminister geworden ist, müsste es aber wenigstens einmal versuchen. Er käme vielleicht auf einige einfache Zusammenhänge.

Es gibt offensichtlich keinen Mangel an Ersparnissen in dieser Welt, sondern einen Überfluss. Zwar sparten die privaten Haushalte schon immer, aber in der heilen Welt der "Ordnungspolitik", die Lindner so gern zitiert und sein engster Berater Lars Feld wie eine Religion verinnerlicht hat, waren die Unternehmer als Schuldner und Sachinvestoren der natürliche Gegenpol der Sparer. Das gibt es jedoch nicht mehr!

Wenn selbst die Unternehmen per Saldo sparen, ist Sparen des Staates oder durch den Staat angeregtes Sparen der Privaten einfach schädlich für die Investitionstätigkeit und die gesamte wirtschaftliche Entwicklung. Folglich ist jeder Versuch einer "Kapitaldeckung" der Rente zum Scheitern verurteilt.

Anfang der 2000-er Jahre hat man in Deutschland eine Kapitaldeckung in Form der Riester-Rente installiert, die ein vollständiger Misserfolg war. Trotz hoher Subventionen des Staates kann nicht die Rede davon sein, dass dadurch die Rente sicherer geworden wäre. Außer den deutschen Versicherungen hat niemand davon profitiert.

Schon damals hat man jede gesamtwirtschaftliche Kritik an der Kapitaldeckung von Anfang an einfach ignoriert. Aber statt zu analysieren, warum dieser Versuch so gefloppt hat, macht man sich daran, die nächste Stufe der Kapitaldeckung zu zünden, diesmal mit noch windigeren Argumenten.

Wer sich vor der Alterung der Gesellschaft fürchtet, muss mehr in Sachanlagen investieren, damit unsere Kinder mit einer höheren Produktivität die Lasten der Zukunft leichter tragen können. Wer Kapitaldeckung anstrebt, schadet genau diesem Investieren und erschwert somit die Aufgabe unserer Kinder unmittelbar.

Wie ungebildet in Sachen Logik oder feige muss das Gros der Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland sein, wenn sie selbst bei einer so fundamentalen Frage nicht einmal im Ansatz in der Lage sind, zwischen den Milchmädchen-Effekten auf der Mikroebene und den wirklich relevanten Effekten auf der Makroebene zu unterscheiden?

Wie ignorant muss eine Politik sein, die eine einfache Tatsache wie die der sparenden Unternehmen schlicht ausblendet und dem Volk vormacht, Marktwirtschaft funktioniere heute genauso wie vor siebzig Jahren?

Der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck ist Herausgeber des Online-Portals flassbeck-economics.com. Zuvor war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Chef-Volkswirt bei der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung.

Vom Autor erscheint monatlich eine Kolumne zu Hintergründen wirtschaftlicher Entwicklungen und zur Wirtschaftspolitik.