Zschäpe-Verteidiger fordern Freispruch vom Mord- und Bombenvorwurf
Wegen der Raubüberfälle und Brandstiftung soll die Hauptangeklagte dem Willen ihrer Anwälte nach nicht mehr als zehn Jahre Haft bekommen
Lebenslange Haft plus Sicherungsverwahrung hat die Bundesanwaltschaft im September 2017 für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gefordert. Jetzt, über ein halbes Jahr danach, hat ein Teil ihrer Verteidigung eine Gesamtfreiheitsstrafe von "nicht mehr als zehn Jahren" für angemessen erachtet. Sicherungsverwahrung komme nicht in Betracht.
Schuldig gemacht habe sich ihre Mandantin für die Brandstiftung in ihrem Wohnhaus sowie die insgesamt 15 Raubüberfälle. Für die zehn Morde an neun Männern mit türkischen und griechischen Wurzeln und eine Polizeibeamtin sowie für die drei Bombenanschläge in Köln und Nürnberg sei sie freizusprechen, so die Verteidigung. Bei diesen Taten sei sie weder Mittäterin gewesen, noch habe sie Beihilfe geleistet. Für die Anklage war Zschäpe gleichberechtigtes Mitglied der Terroristischen Vereinigung "NSU" und für alle Taten voll verantwortlich.
Mord-Mittäterschaft wird bestritten
Rechtsanwalt Mathias Grasel nahm am dritten Tag des Plädoyers die rechtliche Würdigung von Zschäpes Schuld und Taten aus Sicht der Verteidigung vor. Er bestritt für die zehn Morde und drei Sprengstoffanschläge nicht nur die Mittäterschaft seiner Mandantin an den Taten, die ausnahmslos alle die beiden toten NSU-Mitglieder Böhnhardt und Mundlos begangen haben sollen, sondern sogar, dass sie Beihilfe geleistet habe. Damit bleibt für diese Fälle aus Sicht der Verteidigung kein strafbarer Tatbeitrag der Angeklagten übrig.
Für eine Mittäterschaft müsse ein gemeinsamer Tatplan und ein eigener Tatbeitrag einer gemeinschaftlichen Tat bestehen, zitierte Grasel aus Rechtsprechungen des Bundesgerichtshofes. Das gemeinsame Leben im Untergrund, Legendierungen der Existenz und Raube zu ihrer Finanzierung reichten dafür nicht aus. Ebensowenig, dass Beate Zschäpe in den 1990er Jahren eine rechtsradikale Gesinnung gehabt habe und gewaltbereit gewesen sei. Die späteren Taten seien auch beim Untertauchen im Januar 1998 noch nicht geplant gewesen.
Grasel verneinte aber auch, dass Zschäpe bei den Morden und Anschlägen Beihilfe geleistet habe - weder physisch noch psychisch. Beihilfe liege vor, wenn man einen Täter in der Tat bestärke, seine Billigung zum Ausdruck bringe und die Straftat dadurch erleichtere. Seine Mandantin habe aber keine Kenntnis davon gehabt, wann wo welche dieser Taten geschehe, sondern stets nur hinterher davon erfahren. Sie habe sie anschließend missbilligt.
Die Täter seien allein Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gewesen, beiden seien tot. Das rechtfertige aber nicht, an ihrer Stelle Beate Zschäpe verantwortlich zu machen. Der Rechtsstaat müsse damit leben, dass Täter nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden könnten.
Beihilfe bei 15 Raubüberfällen
Einer Beihilfe schuldig gemacht habe sich die Angeklagte aber bei den 15 Raubüberfällen, so Grasel weiter. Sie sei zwar nicht direkt dabei, aber am Tatplan beteiligt gewesen und habe die zwei Komplizen im Tatentschluss bestärkt. Sie habe also psychische Beihilfe geleistet. Bei zwei Überfällen wurden Schüsse abgegeben, einer traf einen Bankangestellten und verletzte ihn lebensgefährlich. Beide Fälle wertet die Anklage als Mordversuch.
In den Augen der Verteidigung könne man Zschäpe für diese Schüsse aber nicht verantwortlich machen, da dabei vom ursprünglichen Tatplan abgewichen worden sei. Vereinbart sei gewesen, dass die Männer nur eine Schreckschusspistole und Pfefferspray zu den Überfällen mitnehmen sollten, aber keine scharfe Waffe.
An diesem Punkt wurde deutlich, wie mutwillig auch das Bild der Verteidigung ist - wenngleich das als parteiliche Vertreterin einer Angeklagten nicht nur ihr Recht, sondern auch ihre Pflicht ist.
Die Öffentlichkeit allerdings interessiert anderes - die Wahrheit zum Beispiel. Als Zschäpe im Oktober 2006 erfuhr, dass angeblich Böhnhardt auf einen Bankangestellten geschossen hat, waren bereits neun Morde verübt worden, fünf davon sollen ihr die beiden Lebensgefährten zu diesem Zeitpunkt bereits gebeichtet haben. Stets will sie danach geschockt gewesen sein, wie sie in ihrer Einlassung vor Gericht im Dezember 2015 vortragen ließ. Ein acht Jahre alter Tatplan, nach dem nur Schreckschusswaffen eingesetzt werden sollten, musste längst seine Gültigkeit verloren haben. Sie wusste, - selbst nach ihrer rechtfertigenden Darstellung - dass sie mit Killern zusammenlebte.
"NSU" Wortschöpfung für Geldspende
Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft Zschäpe Mitgliedschaft in der Terroristischen Vereinigung "NSU" vor, die jedoch lediglich aus drei Personen bestanden haben soll. Mit dem Tod der beiden Uwes, so die oberste Strafverfolgungsbehörde weiter, habe die "Terroristische Vereinigung NSU" aufgehört zu bestehen. Zschäpes Anwalt zog die Mitgliedschaft seiner Mandantin in einer solchen Gruppierung in Zweifel, wobei ihm die Konstruktion der BAW entgegen kam. Denn zu einer terroristischen Vereinigung müssen mindestens drei Personen zählen. Wenn aber ausschließlich die zwei Uwes die Attentäter waren, reicht das nicht. Es sei also fraglich, so Grasel, ob eine Terroristische Vereinigung überhaupt bestanden habe.
Auch den Namen "NSU" wollte er gleich kassieren. Der tauche zwar an vielen Stellen auf, sei aber nur eine Wortschöpfung von Mundlos gewesen - so behauptet es Zschäpe. Ihr Komplize habe den Namen gewählt, um eine Geldspende an das Neonazi-Magazin "Der weiße Wolf" mit einem Absender zu versehen.
Beate Zschäpe sei im Zusammenhang mit den Raubüberfällen stattdessen Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewesen, so Rechtsanwalt Mathias Grasel weiter. Objektiv und subjektiv habe sie die Kriterien dafür erfüllt, es sei aber Folgeverjährung eingetreten.
Auch sein Vortrag orientierte sich haarklein an dem, was bereits in Zschäpes Einlassung 2015 dargelegt wurde - nicht weniger und vor allem nicht mehr. Zunutze kamen dem Verteidiger die unzulänglichen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. Eine Terrorvereinigung NSU mit fünf oder gar 15 Mitgliedern hätte eben mit dem Tod von zweien nicht aufgehört zu existieren. Und würde eine Angeklagte nicht programmatisch davon freigesprochen werden, an einem Tatort gewesen zu sein, würde es ihrer Verteidigung nicht so leicht gemacht werden, maximal zehn Jahre Haft zu reklamieren.
Der zweite Teil des Zschäpe-Plädoyers durch ihre sogenannten Altverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm ist für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen. Sie brauchen Bedenkzeit. Die Plädoyers sollen kommende Woche mit der Verteidigung des Angeklagten Carsten Schultze weitergehen. Schultze, der die Mordwaffe Marke Ceska geliefert haben soll, ist geständig und hatte dem Gericht tagelang Fragen beantwortet. Für ihn fordert die Bundesanwaltschaft drei Jahre Haft nach Jugendstrafrecht. Alles in allem dürften die Schlussvorträge der Verteidigungen noch den Monat Mai in Anspruch nehmen - vorausgesetzt es läuft nach Plan.