Zu viel des Guten
Digitalisierung und kein Ende: der Hype um die E-Books
Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird – dieses alte Sprichwort sollten sich die Medien endlich mal aufs Brot schmieren. Doch haben die Berichterstatter erst einmal einen Trend aufgeschnappt, stürzen sie sich sofort so gierig darauf, als gäbe es gar nichts anderes mehr zu essen. Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse ging es vor allem um die E-Books, die elektronischen Bücher.
Wird es morgen das gedruckte Buch nicht mehr geben? Werden sich unsere Lesegewohnheiten ändern? Gibt es womöglich bald eine neue Literaturgattung, weil alle irgendwann mitkrickeln wollen? Drei Fragen, die an allen Ecken und Enden zu hören waren, aber nicht die einzigen waren, die Verleger und Buchhändler letzte Woche in den Messehallen beschäftigt haben. Denn die Digitalisierung von Medieninhalten schreitet in großen Schritten voran.
Für Ottonormalverbraucher mag es vielleicht noch keine Rolle spielen, dass er beim nächsten Urlaub statt drei Bücher auch einfach ein E-Book in den Koffer packen könnte. Der Vorteil fällt kaum ins Gewicht. Aber gerade das Gewicht ist ein entscheidender Faktor für all jene Menschen, die unentwegt auf Reisen sind. Und auf diese Zielgruppe sind E-Books in erster Linie zugeschnitten. Oder eben auf den Technikgeilen, der jeden neuen Schnickschnack sofort haben muss, auf den Early Adopter.
Überhaupt stellt sich die Frage, wer 300, 400 oder gar wie im Fall von iRex’ Gerät „iLiad“ mit einem 8,1 Zoll großen 500 Euro ausgeben will, um weniger mit sich herumzutragen. Für professionelle Leser wie es Lektoren sind, ist dies hingegen eine echte Erleichterung wie Lutz Dursthoff von Kiepenheuer & Witsch während eines vom Börsenblatt (Wochenmagazin des deutschen Buchhandels) organisierten Gesprächs auf der Buchmesse sagte: „Man schleppt keinen schweren Rucksack mehr mit sich herum“. Und um Manuskripte zu lesen, sei ein E-Book „komfortabel“, und „die Trägerform ist“ Dursthoff in diesem Stadium des Buches „ohnehin gleich“.
Allerdings muss man sich nicht ein spezielles Gerät kaufen, um digitale Bücher zu lesen. So bietet beispielsweise die Computerfirma Apple unlängst Titel über den iTunes Store an. Wer ein iPhone oder einen iPodTouch besitzt, kann sich hier kostenlose sowie kostenpflichtige E-Bücher herunterladen, die nach dem Download mit einem eigens hergestellten Programm, der Reader Software „Stanza“, angezeigt werden. Da es auch eine Version für Windows gibt, lässt sich „Stanza“ auch auf den leichten Netbooks wie Asus’ „Eee PC“ installieren – ebenfalls eine prima Möglichkeit für unterwegs.
Unter anderem stellte in Frankfurt die österreichische Firma Blackbetty Mobilmedia Mobilebooks vor, die auf allen Mobilgeräten lauffähig sind, die mit dem Programmiersystem Java ausgestattet sind. Dies ist bei nahezu allen aktuellen Handys der Fall, da auch andere Applikationen, etwa Spiele für zwischendurch, lediglich auf dieser Basis funktionieren. Allerdings sind Handys mit kleinen Bildschirmen wenig zum Lesen geeignet. Bei vertonten Comics könnte es wiederum anders sein.
Die E-Books der neuen Generation wie der „Kindle“ von Amazon oder Sonys „Reader PRS 700“ erheben den Anspruch, das gedruckte Blatt nachzuempfinden, „zu simulieren“, wie Börsenblatt-Redakteur Dr. Michael Roesler-Graichen sagt. Er und einige Kollegen haben zur Messe mit „Gutenberg 2.0“ ein Buch herausgebracht, das die Entwicklung des E-Books analysiert und in dem Zukunftsprognosen aufgestellt werden. Gemäß dem Thema kann es nicht nur im Buchladen um die Ecke gekauft, sondern auch als E-Book bezogen werden. Und das ist sie bereits, die Zukunft des Buches.
An ihr wird überall gedreht und geschraubt, denn 2009 soll das Jahr des Durchbruchs für das elektronische Buch sein. Räumt Roesler-Graichen in „Gutenberg 2.0“ dem Thema Standartformatsuche ein eigenes Kapitel ein, so scheint dieser Aspekt bald Geschichte zu sein, denn vergangenen Freitag meldeten die Messeveranstalter, dass das auf XML basierte EPUB-Format (Electronic Publication) von vielen Experten favorisiert wird. Es wird auch von Sonys „Reader“ unterstützt, der ab 2009 in 170 Niederlassungen der Buchhandelskette Thalia angeboten werden soll.
Angesichts der bislang noch viel zu teuren Geräte sowie der Tatsache, dass es einige Alternativen zum E-Book gibt, darf man sich durchaus über den Hype der vergangenen Tage wundern. Hinsichtlich der Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren auf den Buchhandel niederschlagen wird, ist es hingegen nicht zu weit gegriffen, wenn man von einer Umstrukturierung des Marktes spricht. Das Ende des gedruckten Buches läutet die Digitalisierung allerdings nicht ein. Aber vielleicht tun wir mit den E-Books der Umwelt etwas Gutes und sparen Papier. Das wäre ja schon etwas Feines, oder? Aber dummerweise ist es ausgerechnet Papier, das ein Buch zu dem macht, was es ist.