Zubrot für Ministerialbeamte
Was Beamte in Ministerien wie dem Bundesfinanzministerium sich nebenbei genehmigen
Deutschland ist ein reiches Land. Man sollte annehmen dass sich die Staatsdiener - Angestellte und vor allem Beamte im öffentlichen Dienst und besonders in Bundesministerien nichts dazu verdienen müssen. Gegen kleine Nebenjobs, etwa als Nachhilfelehrer oder Trainer in einem Sportverein, hat sicherlich niemand etwas einzuwenden. Wenn aber Beamte im höheren Dienst mal eben 20.000 oder gar 50.000 Euro im Jahr nebenher verdienen, wirft das Fragen auf. Auch die nach möglichen Interessenskonflikten.
Solche Fragen haben die Finanzpolitiker von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag nun aufgeworfen. Die Beantwortung ihrer Kleinen Anfrage zum Thema "Nebeneinkünfte in der Wirtschafts- und Finanzverwaltung in den Jahren 2011 bis 2015" fand erstaunlicher Weise bisher kaum mediale Beachtung.
Dicke Nebeneinkünfte im Finanzministerium
Dabei beinhaltet die Antwort der Bundesregierung durchaus einige Überraschungen, vor allem was den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen betrifft. Dort ist die auswertbare Datenlage aber auch besonders ergiebig.
Allein "im Mutterhaus", also im Bundesministerium der Finanzen, wurden im Jahr 2015 bei insgesamt 1.954 Mitarbeitern für 66 Beamten insgesamt 260 Nebentätigkeiten genehmigt. "Die Tätigkeiten wurden ausschließlich von Beamtinnen und Beamten des gehobenen und des höheren Dienstes ausgeübt", heißt es dazu ergänzend in der Regierungsantwort.
Der Auswertung der Antwort der Bundesregierung durch die Abgeordneten Gerhard Schick und Lisa Paus zufolge haben Beamtinnen und Beamte des Bundesfinanzministeriums in den Jahren 2011 bis 2015 mit Vorträgen rund 214.818 Euro verdient. Dabei haben pro Jahr durchschnittlich 38 Beamtinnen oder Beamte durchschnittlich 1.137,40 Euro erhalten bei einem angezeigten Zeitaufwand von durchschnittlich 10,2 Stunden. Der höchste angezeigte Verdienst für Vorträge lag bei 8.640 Euro.
Doch es gab auch weit mehr zu verdienen. So lag der höchste angezeigte Verdienst für einen Kommentar bei 20.000 Euro und bei einem nebenbei als Herausgeber tätigen Beamten betrug der Verdienst 25.000 Euro.
Beamtinnen und Beamte des Bundesfinanzministeriums haben in den Jahren 2011 bis 2015 mit Aufsätzen, Artikeln und Beiträgen rund 229.026,- Euro verdient. Der höchste angezeigte Verdienst für Aufsätze, Artikel oder Beiträge lag bei 9.658 Euro. In der Steuerabteilung IV des Bundesfinanzministeriums erreichten einzelne Mitarbeiter in den Jahren 2011 bis 2014 jeweils ein "Zubrot" zwischen 40.000 und 50.000 Euro sowie 2015 immerhin zwischen 30.000 und 40.000 Euro.
Ein Professor der Hochschule des Bundes erzielte sogar Nebeneinkünfte in Höhe von 74.540 Euro. Dazu erklärt die Bundesregierung: "Bei dem Beamten mit den Einkünften in Höhe von 74.540 Euro handelt es sich um einen Professor der Hochschule des Bundes im Sinne des § 130 Absatz 2 BBG (…) Der Gesetzgeber lässt somit für Hochschullehrer/innen Ausnahmen von der Begrenzung von Nebentätigkeiten (bzw. von deren Vergütung) zu."
Grüne fordern Konsequenzen
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist angesichts der Regierungsantwort klar, dass der Minister hier tätig werden muss. Gerhard Schick: "Wenn bis zu 76.000 Euro insgesamt oder 20.000 Euro für eine Gesetzeskommentierung oder für einen Vortrag 8.000 Euro gezahlt werden, dann muss jedem klar sein, dass es da eine Komponente der Beeinflussung gibt." Schick weiter: "Wer sich 21 Wochen lang einer Nebentätigkeit widmet, der muss jedenfalls sehr genau darlegen, wie das mit der gesetzlichen Forderung nach vollem persönlichem Einsatz vereinbar ist. Das muss im Finanzministerium ordentlich geprüft werden. Ich erwarte, dass Herr Schäuble hier für Ordnung sorgt."
Nicht nur die Grünen im Bundestag dürfte es interessieren, wie sich die weitere Genehmigungspraxis der Nebentätigkeiten in den Bundesministerien und Behörden gestaltet. Denn auch das geht aus der Antwort hervor: Einmal erteilte Nebentätigkeitsgenehmigungen werden nur höchst selten widerrufen. So wurde vom Bundesfinanzministerium im gesamten Zeitraum 2011 - 2015 nur eine einzige Genehmigung widerrufen.
Interessant ist auch, dass Nebentätigkeiten selbst dann genehmigt und nicht etwa als dienstliche Überstunden verrechnet werden, wenn die Beamten zum Beispiel einen Vortrag über ihren normalen Tätigkeitsbereich halten oder an Diskussionen teilnehmen. So ist der Antwort zu entnehmen, dass zum Beispiel 2011 vier Beamte durchschnittlich 1.370 Euro mit "Diskussionen" verdienten. In einem Fall wurden sogar 6.000 Euro für die Beteiligung an einer "Diskussion" gezahlt. Der solchermaßen bedachte Fachdiskutant gehört zum Gehobenen Dienst, wird also ohnehin reichlich entlohnt.
Im Bereich der "Vorträge" sehen die Grünen Fragesteller gesetzlichen Handlungsbedarf. In seiner Analyse der Regierungsantwort verweist der Abgeordnete Dr. Schick auf den "rechtlichen Anachronismus, dass ausgerechnet Vorträge von der Genehmigungspflicht ausgenommen" sind. Das müsse geändert werden, so Schick weiter: "Denn unverhältnismäßig hoch bezahlte Vorträge sind das Mittel der Wahl, um geneigte Beamtinnen und Beamte anzufüttern und das öffentliche Wohl als übergeordneten Zweck der Diensttätigkeit durch das eigene Wohl zu ersetzen."
Für Lisa Paus, die steuerpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, sticht ausgerechnet "die Steuerabteilung des BMF bei den Nebentätigkeiten klar heraus: sowohl was die Zahl als auch was die Höhe der Entlohnung angeht". Durch Vortragstätigkeit und Austausch auf Veranstaltungen der Privatwirtschaft könne eine Nähe entstehen, die "nicht zu Gunsten des Arbeitgebers und der Allgemeinheit ausfällt", so Lisa Paus weiter.
Die Nebentätigkeiten von Beamten sind auch im Zusammenhang mit der immer mal wieder diskutierten und berichteten Tätigkeit von Lobbyisten in den Ministerien zu sehen, die in einigen Fällen soweit führte, dass Gesetzentwürfe direkt von Industrievertretern in den Fachabteilungen formuliert wurden.