Zur Trödelstatistik und R-Wert Diskussion der Corona Daten
Seite 4: Kommt nun die zweite Welle?
- Zur Trödelstatistik und R-Wert Diskussion der Corona Daten
- Ist die Entscheidung der Politik zum Lockdown der Volkswirtschaft also möglicherweise in erheblichem Blindflug zur Datenlage erfolgt?
- Wann hatte die Epidemie ihren Turnaround, d.h. ab wann sind die Neuinfektionen tatsächlich wieder zurückgegangen?
- Kommt nun die zweite Welle?
- Zusammenfassung
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Seit dem 09.05. schätzt das RKI die Reproduktionszahlen wieder über 1. Wörtlich heißt es hierzu aus dem Lagebericht vom 11.05.2020:
"Bei der Interpretation muss berücksichtigt werden, dass diese Schätzungen mit der Unsicherheit verbunden sind, wie sie das jeden Tag ausgewiesene Prädiktionsintervall ausdrückt. Aufgrund der statistischen Schwankungen, die durch die insgesamt niedrigeren Zahlen verstärkt werden, kann somit weiterhin noch nicht bewertet werden, ob sich der während der letzten Wochen sinkende Trend der Neuinfektionen weiter fortsetzt oder es zu einem Wiederanstieg der Fallzahlen kommt."
Sehen wir uns dazu die Grafik Fig 7 in einem vergrößerten Ausschnitt an (Fig 9):
Die hellblauen Balken zeigen den leichten Wiederanstieg in den Neuinfektionen an. Hierbei ist zu beachten, dass hellblaue Werte in dieser Grafik gar nicht aus gemeldeten (auch nicht aus imputierten) Neuinfektionen ermittelt sind, sondern aus einer sogenannten Nowcast Rechnung als Schätzwerte vorhergesagt werden. Daher auch die angezeigten Unsicherheitsintervalle.
Die Nowcast-Vorhersage wurde vom RKI erstmals im Lagebericht vom 09.04. erwähnt und hierbei auf eine Vorversion der Veröffentlichung Epid. Bull. 17 | 2020 vom 23.04.2020 hingewiesen.
Ziel des Verfahrens ist es, mit nicht unerheblichem mathematisch-statistischem Aufwand die in Zukunft verzögert eintreffenden Meldewerte gemäß Fig 4 (d.h. mit mehr als 3 Tagen Meldeverzug) aus den entsprechenden Verzugswerten der vorausgegangenen Tage vorherzusagen. Im Gegensatz zur Wettervorhersage (Forecast) besteht die Kunst des Nowcast also darin, aus den Daten der Vergangenheit das "Wetter" von heute (=now) zu schätzen.
Mithilfe des Nowcast und der obigen Formel für die Reproduktionszahl2 berechnet sich der jüngste aus Fig 9 zu ermittelnde R-Wert nunmehr als Verhältnis der Balkenhöhe vom 07.05. zu der vom 03.05. Im Lagebericht vom 11.05. schätzt das RKI diesen Wert mit R= 1,07.
Nun sagt dieser Wert für sich allein lediglich aus, dass die Zahl der Neuinfizierten in den letzten 4 Tagen um 7% gestiegen ist. Ob von 100 auf 107, von 1.000 auf 1.070 oder von 5.000 auf 5.350, bleibt dabei offen. Deswegen sind diese Angaben für sich noch kein Alarmzeichen, man muss immer auch die absoluten Zahlen und in dem Zusammenhang auch die Schätzungenauigkeiten betrachten, wie vom RKI oben selbst zitiert. Wichtig ist, dass die R-Werte nicht dauerhaft größer als 1 bleiben dürfen. Dazu wäre es allerdings hilfreich, aktuellere Zahlen, statt bloße Schätzungen zu haben.
Verbessert der Nowcast die Trödel Problematik?
Die Lageberichte des RKI heben natürlich immer nur auf den Datenstand des Vortags ab, in Fig 9 also auf den 10.05. Darüber hinaus werden die Daten immer nur mit 3 Tagen Abstand zum letzten Datenstand angezeigt, in Fig 9 also ab dem 07.05. rückwärts.
Aussagen für die letzten 3 Tage relativ zum Datenstand werden vom RKI selbst in Anbetracht der noch ausstehenden Datennachlieferungen (s. Fig 3) als nicht valide betrachtet. Mit diesem Wissen sollte der Nowcast eigentlich besser "Yesterday-Cast" heißen, wobei Yesterday mit "Vor 3 Tagen" zu übersetzen wäre.
Darüber hinaus geht wegen der benötigten Mittelwertbildungen bereits für die jüngste R-Wert Schätzung das Infektionsgeschehen im Zeitraum 30.04. - 07.05. ein, also über eine Woche zurückliegend. Dass die Nowcast Schätzung vom 07.05. schon wieder etwas unter der vom 06.05. liegt, macht sich in dieser Rechnung noch gar nicht bemerkbar.
Und ohne den Nowcast-Beitrag würde man derzeit noch gar keinen Wiederanstieg in den Daten sehen. Über den Daumen gepeilt lässt sich also festhalten, der Nowcast reduziert den Blindflug zum tatsächlichen Datenstand von ca. 2 Wochen auf ca. 1 Woche, wobei die Genauigkeit dieser Vorhersage unklar bleibt.