Zustellung von Zeitungen: Studie im Auftrag des BMWK plädiert für staatliche Förderung

Bild: Steve Buissinne auf Pixabay

Das Ministerium winkt aber ab und will nicht zuständig sein. Branchenvertreter hoffen auf ein Machtwort des Bundeskanzlers. Was das mit Pressefreiheit zu tun hat.

Wenn in Deutschland von Pressefreiheit die Rede ist, wird sie meist als Abwehrrecht begriffen: Die Presse soll frei von inneren oder äußeren Zwängen sein. Der Staat darf demnach nicht vorschreiben, worüber die Presse zu berichten hat; Journalisten dürfen nicht durch Gewalt dazu gebracht werden, nur noch über das zu berichten, was der Regierung genehm ist.

Darin erschöpft sich das Freiheitsverständnis allerdings nicht. Auch in einer Welt ohne politischen Zwang müssen die Bedingungen dafür vorliegen, dass die Presse arbeiten kann; sie muss die Möglichkeit dazu haben.

Doch die positive Freiheit wird vor allem durch die Umbrüche in der Presselandschaft beeinträchtigt: Verlagen bricht die ökonomische Grundlage weg. Die Folge davon sind kleiner werdende Redaktionen, eine weitgehend gleichförmige und einseitige Berichterstattung und sterbende Zeitungen.

Allein bei den Zeitschriften kämpfen rund 30 Prozent der Titel um ihre Existenz. Das erklärte kürzlich der Bundesgeschäftsführer des Medienverbands der freien Presse (MVFP), Stephan Scherzer, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Grund dafür sei ein Mix aus steigenden Herstellungs- und Zustellkosten.

Das Problem ist längst bekannt und vor diesem Hintergrund ist seit Jahren im Gespräch, deutsche Medienhäuser durch die Bundesregierung zu fördern. Doch bislang kann sie sich nicht durchringen, entsprechende Förderinstrumente auf den Weg zu bringen. Vielmehr erzeugt sie den Eindruck, sich vor ihrer Verantwortung wegzuducken.

Wer im politischen Berlin überhaupt für den Erhalt der Pressevielfalt zuständig ist, weiß bislang niemand. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) sieht jedenfalls "keine Zuständigkeit" im eigenen Haus, wie vergangenen Sonntag gegenüber der dpa erklärt wurde.

Und die Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Claudia Roth (Die Grüne), ließ demnach verlautbaren, die Zuständigkeit für eine mögliche Förderung werde derzeit innerhalb der Bundesregierung erklärt.

Das BMWK hatte allerdings Ende März eine Studie veröffentlicht, welche die Umbrüche im Pressewesen und mögliche Förderinstrumente untersuchte. Vom Inhalt dieses Papiers distanzierte sich das Ministerium aber umgehend.

Gegenüber dpa wurde erklärt, dass die veröffentlichte Studie am Ende der vergangenen Legislaturperiode in Auftrag gegeben worden sei und man sich die Schlussfolgerungen nicht zu eigen mache. Weitere Schritte vonseiten des Ministeriums seien zudem nicht geplant.

Von den Verlagen unbeachtet blieb die Studie dennoch nicht. Nach Ansicht des Bundesverbands der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) zeige das Gutachten deutlich, dass eine Förderung der Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften "nötig und sinnvoll" sei. Mit Blick auf die konkreten Vorschläge, die ausgearbeitet wurden, betonte BDZV-Hauptgeschäftsführerin Sigrun Albert: "Eindeutiger kann eine Handlungsempfehlung an die Bundesregierung nicht formuliert werden".

Die Studienautoren unterscheiden drei Segmente: Zeitungen, kostenlose Anzeigenblätter und Zeitschriften. Alle drei sind in unterschiedlichem Maße von Veränderungen im Werbemarkt betroffen, von Umbrüchen im Vertrieb und von steigenden Kosten.

Die gedruckten Ausgaben von Tages- und Wochenzeitungen sind trotz aller Veränderungen immer noch das wirtschaftliche Rückgrat vieler Verlage. Weil die Zeitungen aber im Werbemarkt eine immer geringere Bedeutung haben, sind die Abonnenten ihre tragende Stütze. Im Schnitt machen Abonnements knapp 75 Prozent der verkauften Auflage aus, heißt es in der Studie. Bei regionalen Tageszeitungen könne ihr Anteil sogar auf bis zu 90 Prozent steigen.

Ein Abonnement von gedruckten Zeitungen setzt ein funktionierendes System der Zustellung voraus. Weil aber die Zahl der Print-Abos rückläufig ist, ist auch die Zustellung im Umbruch. Vor allem in dünn besiedelten Regionen steigen dadurch die Zustellkosten. Gerade in ländlichen Gebieten bestehe das Risiko, dass nur noch eine eingeschränkte Zustellung möglich ist, heißt es in der Studie.

Den Rückgang der gedruckten Auflagen erklären die Studienautoren mit einer Zunahme an digitalen Abonnements. Noch wichtiger dürfte aber die Alterung der Gesellschaft sein: Vor allem bei regionalen Tageszeitungen liege das Durchschnittsalter der Abonnenten bei rund 60 Jahren, heißt es in der Studie. Und von diesen Lesern fielen viele "nach und nach durch Tod oder andere Umstände weg", und nur wenige junge Menschen würden wieder zu Print-Abos greifen.

Die Erlöse aus dem digitalen Angebot können den Rückgang der Printerlöse nicht kompensieren. Sie wiesen in den vergangenen Jahren zwar beträchtliche Wachstumsraten auf, aber ihr Anteil am Gesamterlöse blieb gering. Im Jahr 2020 betrug er laut Studie lediglich zwölf Prozent, bei überregionalen Zeitungen 26 Prozent.

Vieles hängt nun davon ab, wie sie sich in den kommenden Jahren entwickeln. Dass sie innerhalb weniger Jahre zum ökonomischen Standbein der Verlage werden könnten, ist eher unwahrscheinlich. In einer Branchenumfrage des BDZV gaben rund 70 Prozent der befragten Verlage an, sie seien zuversichtlich, dass die Digitalerlöse bis 2027 den Rückgang der Printerlöse kompensieren könnten.

In der Zwischenzeit hofft die Branche darauf, dass die Bundesregierung nicht tatenlos bleibt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) solle schnell über die Zuständigkeit für das Thema entscheiden, sagte Sigrun Albert. Und man baue darauf, dass dann umgehend die Weichen für eine Förderung gestellt werden.

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