Zuwanderung: Freizügig grenzenlosen Verdacht streuen
Bundesregierung: "Keine belastbaren Informationen" zum Sozialleistungsmissbrauch durch Rumänen und Bulgaren
Zum Jahreswechsel war der Sozialleistungstourismus und -missbrauch das große Thema. Am 01.01.2014 trat die Arbeitnehmerfreizügigkeitsregelung für Rumänien und Bulgarien in Kraft und aus Bayern kamen die kernige Ansage: "Wer betrügt, der fliegt". Wie der populistische Haken, an dem die beiden unterschiedlichen Begriffe vereint aufgehängt werden konnten, aussieht, führte der damalige CSU-Innenminister Friedrich vor: "Die Freizügigkeit umfasst nicht das Recht, Leistungen zu erschleichen."
Der wählerwerbende Rahmen, den die CSU der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien verpasste, war Armutszuwanderung. Dass sich unter den Zuwanderen viele gutausgebildete Fachkräfte befanden, überließ man als Thema einigen wenigen sachpolitisch orientierten Vertretern der Partei und Stimmen aus der Wirtschaft, ebenso den Aspekt, dass die Einwanderer Geld in die Sozial-und Steuerkassen einzahlen.
Auch die Bundesregierung zeigte sich dem Missbrauchs-Verdachtsklima und der damit verbundenen Ängste, die immer wieder neu in die Öffentlichkeit gespielt wurden, zugänglich. "Wir werden der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger entgegenwirken", heißt es in der Koalitionsvereinbarung.
Nun räumt sie in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen ein, dass sie "keine belastbaren Informationen" über den angeblichen Missbrauch der deutschen Sozialsysteme durch Einwanderer aus den beiden Ländern habe, wie die Frankfurter Rundschau berichtet, der die Regierungsantwort vorliegt.
Laut der Zeitung führt die Kriminalstatistik für das gesamte Jahr 2012 insgesamt 112 Fälle von Tatverdächtigen aus Rumänien (74) und Bulgarien (38) auf, denen Sozialleistungsbetrug vorgeworfen worden sei. Zur Einordnung: Der Zwischenbericht des Staatssekretärsausschusses zu "Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU Mitgliedstaaten" notiert für das Jahr 2012 eine Zuwanderung aus Bulgarien von 24.870 Personen und aus Rumänien von 45.804.
Anfang März hatten die Grünen in Bayern nachfragt. Ergebnis: in dem südlichen Bundesland gab es 2012 gerade einmal zehn Fälle von Sozialleistungsbetrug durch rumänische und gar keine durch bulgarische Staatsbürger. "Sozialleistungsbetrüger in Bayern waren zu fast 90 Prozent Deutsche."