Zwanzig Jahre nach der US-Invasion in den Irak ‒ Erinnerung an ein Menschheitsverbrechen
- Zwanzig Jahre nach der US-Invasion in den Irak ‒ Erinnerung an ein Menschheitsverbrechen
- Der "ultimative Preis"
- "Salvador Option"
- "Kulturelle Säuberung"
- Verheerende Bilanz
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Vor zwanzig Jahren überfielen die USA den Irak: der Staat wurde zerschlagen, die Wirtschaft ruiniert, die Gesellschaft fragmentiert und die nationale Kultur liquidiert
In der Nacht zum 20. März 2003 öffneten sich über dem Irak ein zweites Mal nach 1991 die Schleusen der Hölle. Fast 30.000 Bomben und Raketen gingen auf Bagdad, Basra, Mossul und zahlreiche andere irakische Städte nieder und ließen neben irakischen Verteidigungsstellungen auch einen guten Teil der zivilen Infrastruktur in Flammen aufgehen.
"Shock and Awe" nannten die Eroberer ihr Angriffskonzept, Schrecken und Entsetzen sollten zur schnellen Demoralisierung der Bevölkerung führen. Nach den Zerstörungen im ersten Krieg 1991, infolge der irakischen Invasion in Kuwait, und dem folgenden mörderischen Embargo stand das Land dem Angriff nahezu wehrlos gegenüber. Zehntausende Soldaten und Zivilisten fielen ihnen und den vorrückenden Truppen der "Koalition der Willigen" schon in den ersten Wochen zum Opfer.
Im Geiste der Konquistadoren
Als 1521 die spanischen Eroberer unter Hernán Cortés Tenochtitlán einnahmen, begannen sie, mit den anschließenden Plünderungen und Zerstörungen auch die Spuren von Kultur und Staatlichkeit des Aztekenreichs gründlich auszulöschen. Der Fall Bagdads nach mehr als zwölf Jahren Krieg und Belagerung des Zweistromlandes erinnert an solche finsteren Epochen des europäischen Kolonialismus.
Auch hier folgten Plünderungen und Brandschatzungen öffentlicher und historischer Gebäude der Stadt, Raub und Zerstörung unschätzbarer Kulturgüter. US-Einheiten hatten die Plünderungen eingeleitet, indem sie mit Panzern Türen aufgebrochen und Slumbewohner per Lautsprecher zur Selbstbedienung aufgefordert hatten.
Die anschließenden Brände waren, wie Robert Fisk, der renommierte Reporter des britischen "Independent" aus Bagdad berichtete, systematisch gelegt worden. Am Ende waren nach seiner Zählung 158 Kultur- und Regierungsgebäude und mit ihm "die Basis einer neuen Regierung und der kulturellen Identität des Iraks" ausgebrannt. Als einziges Ministerium blieb das von US-Truppen schwer bewachte Ölministerium verschont.
Deutlicher konnte der koloniale Charakter der Eroberung kaum demonstriert werden. Wäre es nur um die Ersetzung eines Regimes gegangen, hätten die Invasoren sich sicherlich bemüht, die für das Funktionieren des irakischen Staates unverzichtbaren Unterlagen, z. B. über das zum Teil jahrhundertealte Bewässerungssystem oder die Akten des Handelsministeriums zu sichern. Die tonangebenden neokonservativen Kräfte in Washington wollten den Weg zurück zu einem unabhängigen, selbstbewussten Irak jedoch gründlich verbauen.
Angriffskrieg toleriert
Die von Washington vor dem Krieg vorgebrachte Begründung einer angeblichen Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen hatte kaum jemand überzeugt. Millionen Menschen gingen weltweit gegen das drohende Unheil auf die Straße. Bald nach der Invasion entlarvten sich die Vorwände für den Feldzug endgültig als pure Propaganda. Wie schon in den Jahren zuvor, hatten die Waffeninspekteure der UNO keine Spuren von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen gefunden und auch keine Programme zu ihrer Herstellung.
Doch obwohl es sich somit eindeutig um einen unprovozierten Angriffskrieg handelte, wird er hier im Westen bis heute nicht als Verbrechen behandelt. Die amtierende Bundesregierung antwortete auf eine schriftliche Anfrage der linken Abgeordneten Sevim Dagdelen im Dezember 2022, sie wolle keine rechtliche Bewertung vornehmen, ob die Invasion ‒ die als "Einsatz der "Koalition der Willigen zum Sturz von Saddam Hussein" verharmlost wird ‒ einen "Bruch des Völkerrechts" darstelle und als "völkerrechtswidriger Angriffskrieg" anzusehen sei ‒ trotz eindeutiger Gutachten und Gerichtsurteile.
Auf die Idee, die Aggression mit Wirtschaftssanktionen gegen die Invasoren zu ahnden oder gar die irakischen Verteidiger mit Waffen zu unterstützen, kam damals niemand.
Eine Reihe von NATO-Mitglieder kritisierte im Vorfeld die vorgebrachten Kriegsgründe als nicht überzeugend und verweigerten den USA die Gefolgschaft, darunter auch Deutschland. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erntete für seine klare Opposition gegen den Krieg zu Hause und international viel Beifall, während die Oppositionsführerin Angela Merkel die Verweigerung einer Beteiligung scharf verurteilte.
Ihre Kritik war voreilig, denn in der Praxis unterstützte Deutschland den Feldzug der USA auf vielfältige Weise. So erhielten sie ungehinderte Überflugs- und Transitrechte und konnten ihre Militärstützpunkte hier für ihre Logistik nutzen. 7.000 Bundeswehrsoldaten standen vor den US-Kasernen Wache, um US-Soldaten für den Irakeinsatz freizumachen. Und deutsche Besatzungsmitglieder flogen weiterhin auch in den AWACS-Aufklärungsflugzeugen der NATO mit, die von der Türkei aus, den irakischen Luftraum ausspähten.
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2005 stellte dies eine Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Krieges dar und somit selbst einen Verstoß gegen internationales Recht.
Nach Abschluss der Invasion vergaß die Schröder-Regierung ihr Urteil über den Krieg und unterstützte, wie alle zuvor kriegskritischen NATO-Staaten, die folgende Besatzung des Landes und den Kampf der Besatzungsmächte gegen den rasch wachsenden Widerstand.
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