Zwei Jahre Haft für den Besuch von Dschihad-Webseiten
Frankreich: Das Anti-Terror-Gesetz gilt als strengstes in Europa. Wie nun ein Musterfall zeigt, wird es schnell und hart angewandt
Die Verhaftung erfolgte am Freitag vergangener Woche, das Urteil an diesem Montag. Der Richter erteilte die Höchststrafe, der Verurteilte wurde umgehend ins Gefängnis geschickt, für zwei Jahre. Das Delikt, das ihm zur Last gelegt wird, steht erst seit wenigen Monaten im Gesetzbuch: der regelmäßige Besuch von Webseiten, die Akte des Terrorismus rechtfertigen.
Warnzeichen auf rot
Wenn Warnzeichen aufblinken, die auf eine Verbindung zur Dschihado-Sphäre verweisen, dann wird in Frankreich nun schnell gehandelt und unerbittlich. Das ist das Signal, das von dieser Premiere ausgehen soll. Dass dies in mehreren Medien-Berichten auch so mitgeteilt wird, liegt sicher im Interesse der Regierung. Im derzeitigen Klima spielen die Einwände gegen das zugrundeliegende Gesetz nur eine Nebenrolle, wenn überhaupt.
Zu dem Fall, der am Montag vor einem Strafgericht in Chartres verhandelt wurde, ist allerdings zu sagen, dass hier gleich mehrere Warnzeichen aufleuchteten, wie der Staatsanwalt anmerkte. Der verdächtige 31-Jährige soll in jüngster Zeit nicht nur auffällig oft Webseiten von "Organisationen, die den Terrorismus glorifizieren", besucht und sich "regelmäßig" Enthauptungsvideos angeschaut haben. Darüber hinaus soll er sich im Netz auch auf die Suche nach Waffen gemacht haben.
Verdächtig machte sich der junge Mann, der 2009 zum Islam konvertiert ist, auch durch sein Interesse am Montparnasse-Hochhaus. Im Netz habe er nach Plänen des Gebäudes gesucht. Auf Facebook habe er ein Foto des bekannten Pariser Bürohauses mit Aussichtsplattform gepostet mit dem Kommentar: "Was für ein schöner Turm. Man wird seiner Pracht Ehre erweisen. Insh'allah."
Der Kommentar ist vieldeutig. Richter und die Staatsanwaltschaft hatten allerdings keine Zweifel über die Richtung, die er andeutet, zumal bei der Hausdurchsuchung Zettel gefunden wurden, auf denen "Enthauptet die Ungläubigen zu lesen" war. Der Angeklagte, der sämtliche Beschuldigungen bestritt, machte geltend, dass dies Auszüge aus dem Koran seien. Sein Interesse am Tour Montparnasse sei rein der Neugier geschuldet, wie auch andere Internetaktivitäten. Das Gericht glaubte ihm nicht.
Ihr Bild vom Angeklagten, zu dem auch Äußerungen gehörten, die auf eine Bereitschaft zum Handeln und eine Reise nach Syrien gehörten, widersprach den Unschuldsbeteuerungen. Man wolle sich in diesem Fall nicht vorwerfen lassen, dass die Justiz nichts geahnt habe, so der Staatsanwalt. Der Richter folgte ihm und sprach noch ein härteres Urteil, als es der Staatsanwalt gefordert hatte.
Umstrittenes Gesetz
Das Gesetz, auf das sich das Gericht beruft, ist erst Ende Mai verabschiedet worden. Le Monde bezeichnete das Anti-Terror-Gesetz als das strengste in ganz Europa.
Im Gesetzespaket findet sich auch der Artikel 18, in dessen zweiten Abschnitt der regelmäßige Besuch von Webseiten, die zu terroristischen Akten auffordern oder sie rechtfertigen, unter Strafe gestellt wird. Wissenschaftler, Journalisten und andere von Berufs wegen Interessierte sind übrigens davon ausgenommen, wie auch Interessierte, die im "guten Glauben" handeln.
Zu erkennen ist an Letzterem ein Widerhall der Diskussionen über den Artikel 18. Das Delikt ist nicht ganz leicht zu bestimmen und es greift an zivile Freiheitsrechte. Im derzeitigen Klima, nach den Anschlägen in Frankreich, liegt die Priorität allerdings vor allem auf der Abwehr von Gefahren, nicht auf den Grundrechten. Die Nachricht, dass die Geheimdienste mit der Überwachung des 31-Jährigen einen Erfolg verzeichnen konnte, dürfte in Regierungskreisen Zufriedenheit ausgelöst haben. Für Kritiker des Gesetzes verringern sich die Chancen.
Regierung und rechte Opposition auf einer Linie
Grundsätzliche Bedenken dagegen die Bestrafung von Webseitenbesuchen hatte der Conseil d’Etat schon 2012 angemeldet, sie sind nicht vom Tisch. Bemerkenswert ist die Entwicklung seither. Um es kurz zu machen: Die sozialdemokratische Regierung liegt auf einer Linie mit Scharfmachern auf der rechten Seite. Es ist schon erstaunlich, wie sich die Positionen angenähert haben.
Es war Sarkozy, der als Präsident 2012, das Delikt des Besuchs von verdächtigen Webseiten im Strafgesetzbuch verankern wollte. Damals war der Protest noch groß. Das Gesetz kam nicht durch, wegen Bedenken seiner Verankerung im Strafgesetzbuch, immerhin steht das Grundrecht der Informationsfreiheit dagegen. Der Conseil d’Etat sprach sich dagegen aus.
Für die Rechte wurde das zum Dauerthema, zur "Obsession", wie Libération schreibt. Die PS-Regierung wich einem Kritikpunkt aus. Sie packte die Bestrafung der Besuche von Webseiten mit terroristischen Bezügen in das Anti-Terror-Gesetzespaket (die grundsätzlichen Bedenken des Conseil d’Etat gegen den Inhalt des Artikels sind deswegen aber nicht widerlegt).
Entsprechend argumentiert Sarkozy in dieser Sache nicht mehr als Gegner, sondern als einer, der es früher schon gewusst habe.
Auch in Frankreich gibt es keine Patentrezepte gegen den Terrorismus von Dschihadisten. Zu beobachten ist beim Versuch, Antworten zu finden, eine Verschärfung der Gesetze (wie in Deutschland auch). Dabei zeigt sich, dass die Sozialdemokraten sich mit ihren Vorschlägen Forderungen von rechts annähern. Je mehr dies der Fall ist, desto radikaler fallen die Ideen rechts von der PS aus.
So machte Nathalie Kosciusko-Morizet, die zum Lager Sarkozys gehört, aktuell den Vorschlag, ein Gesetz zu erlassen, das den Salafismus verbietet. Man darf gespannt sein, wie lange es dauert, bis das Thema auch in der Regierungspartei ernsthaft besprochen wird. Ganz einfach ist es nicht abzuhandeln, wenn man Grundrechte als wichtige Referenz hochhalten will.