Zwei Mal innenpolitische Außenpolitik
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu legt im Streit mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel nach
Am Dienstag und Mittwoch besuchte der neue deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) Israel. Ursprünglich hätte er dabei auch den israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treffen sollen. Der verzichtete jedoch, nachdem Gabriel darauf bestand, sich auch mit Sprechern der umstrittenen NGOs Breaking the Silence und B’Tselem zu treffen (vgl. Gabriel und die selbstbewusste Nation). Nun hat Netanjahu der deutschen Bild-Zeitung ein Interview gegeben, in dem er seine Absage erklärt.
Sein "Grundsatz", so der israelische Ministerpräsident, sei "ganz einfach": "Ich empfange keine Diplomaten anderer Länder, die Israel besuchen und sich dabei mit Organisationen treffen, die unsere Soldaten Kriegsverbrecher nennen", weil das den NGOs "Legitimität verleihen" würde. Er hoffe deshalb, "dass sich Gabriel bei seinem nächsten Israel-Besuch mit [ihm] trifft, anstatt mit einer radikalen Randgruppe, die Israels Sicherheit untergräbt". Diesen Standpunkt habe er Gabriel telefonisch erklären wollen, was der deutsche Außenminister jedoch abgelehnt habe.
Aus "Gabriels Umfeld" heißt es zu diesem Vorwurf dem Spiegel zufolge, Netanjahu habe vorgeschlagen, dass Gabriel sich nicht selbst mit Vertretern der NGOs trifft, sondern einen Stellvertreter entsendet, der sich auch die Standpunkte der Sprecher jüdischer Siedlungen auf der Westbank anhören sollte, wozu der Außenminister nicht bereit gewesen sei.
Gabriel: "Sozialdemokraten waren wie Juden die ersten Opfer des Holocaustes"
Außerdem meinte Netanjahu zur Bild-Zeitung, es sei von Gabriel "äußerst instinktlos" gewesen, sich unmittelbar nach dem Holocaustgedenken am 24. April mit Sprechern von Breaking the Silence und B’Tselem zu treffen, weil Israel "an diesen Tagen [nicht nur] um die im Holocaust ermordeten Angehörigen [des jüdischen] Volkes", sondern auch "um [seine] gefallenen Soldaten" trauere."
In einem am 25. April erschienenen Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau hatte Gabriel geschrieben: "Sozialdemokraten waren wie Juden die ersten Opfer des Holocaustes. Die einen waren Opfer politischer Verfolgung, die anderen des Rassenwahns." Nachdem Leser anmerkten, dass Sozialdemokraten zwar teilweise in Konzentrationslager wie Dachau gesteckt, aber nicht millionenfach systematisch in Vernichtungslagern wie Auschwitz vergast wurden, änderte die SPD-nahe Zeitung die Formulierung "Opfer des Holocaustes" in "Opfer der Nationsozialisten". Darauf, dass es auch in der Sozialdemokratie Antisemiten gab, ging Gabriel in seinem Aufsatz nicht ein.
Innenpolitisch dürfte die Absage an Gabriel Netanjahu (der im März im Streit um eine Rundfunkreform mit Neuwahlen drohte) eher nützen als schaden: Schulmeisterei aus dem Ausland - und vor allem aus Deutschland - kommt dort auch bei Bürgern, die andere Parteien als den Likudblock wählen, nicht gut an. Auch hinter manchen NGOs vermuten viele Wähler eine heimliche Einflussnahme aus dem Ausland, weshalb die unlängst eingeführte Finanztransparenzpflicht für solche Organisationen auf große Zustimmung stieß.
Handelte Gabriel auch mit Blick auf die Bundestagswahl?
Doch nicht nur beim israelischen Ministerpräsidenten könnte innen- und parteipolitische Motive eine wichtige Rolle gespielt haben: Deutsche Kommentatoren von Dushan Wegner bis Peter Nowak vermuten, dass auch Gabriel Hintergedanken gehabt haben könnte, als der den Streit mit Netanjahu trotz vorheriger Warnungen eskalieren ließ:
Am 24. September wird in Deutschland nämlich gewählt. Da wäre es sehr naiv, anzunehmen, ein führender SPD-Politiker hätte Auswirkungen darauf nicht mit bedacht. Darauf dass die Sozialdemokraten eventuell auf alte und neue "israelkritische" Wähler spekulieren, deutet auch das Verhalten des SPD-Kanzlerkandidaten und ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz hin, der eine Rede, in der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas das Stereotyp des jüdischen Brunnenvergifters perpetuierte, im letzten Jahr als "inspirierend" lobte.
Darauf, dass es in Deutschland Wähler gibt, bei denen sich mit einem Konfrontationskurs zu Israel punkten lässt, deuten neben Kundgebungsvideos auch Reaktionen auf einen Beitrag von Alexander Will in der Nordwest-Zeitung hin. Nachdem Will Gabriel am Mittwoch als "politische Dampfwalze" kritisierte, warf man ihm unter anderem vor, ein "Judenknecht!", eine "Referenz für die Reichweite der israelisch/jüdischen Hirnwäsche" und ein Beispiel für "Auftragserfüllung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft" zu sein. Ein Twitter-Kommentar, der forderte, Deutschland dürfe "nicht lange die Marionette der Zionisten sein", bekam sogar Likes von Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie der in Israel lebende Wolf-Biermann-Sohn Eliyah Havemann feststellte.
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