Zwei Tipps, wie wir die rechtsextreme AfD weiter stärken können
Seite 2: Die entsicherte Gesellschaft, ihre Opfer und Profiteure
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So fühlen sich überall in der EU und auch in Deutschland die Menschen von ihrer Politik und den Medien allein gelassen. Sie wenden sich ab von zentralen Institutionen der Demokratie wie dem Parlament.
Das Misstrauen ist nicht unbegründet. Studien in den USA und auch in Deutschland zeigen, dass die Meinung großer Teile der Bevölkerung praktisch keinen Einfluss auf die politischen Entscheidungen ihrer Regierung hat, wobei die Wünsche der obersten Einkommens- und Vermögensschicht den Kurs festlegen.
Während immer mehr Reichtum von unten nach oben abgesaugt wird, werden die Bürger auf die Zuschauertribüne verbannt. Sie dürfen Banken und Konzerne retten und dafür zahlen, aber nicht einmal über ihre Abgeordneten Kontrolle über die Hunderte Milliarden Euro ausüben.
Ihre Sorgen und Nöte werden gleichzeitig in der Realpolitik zum "Gedöns" degradiert, für das lediglich symbolische Heftpflaster verabreicht werden.
Steigende Mieten und Wohnungslosigkeit; kaputte Schulen und Bahnchaos; wachsende Armut und gedemütigte Hartz-VI-Aufstocker; überforderte Alleinerziehende, gestresste Studierende und bürokratisierte Abgehängte; versteckte und offene Armut im Alter; Pflege- und Gesundheitskrise; blockierte Energiewende, steigende Treibhausgase und bedrohlicher Klimawandel; Bauernhofsterben auf dem Land; deindustrialisierte Zonen ohne Perspektiven in Ost und West; steigende Konzernmacht: Die Liste der Missstände ließe sich lange weiterführen.
Keiner dieser Missstände wird bis heute ernsthaft von den politisch Verantwortlichen adressiert, viele von ihnen werden sogar weiter verschärft. Die Bürger haben allen Grund, frustriert zu sein, Angst zu haben und für die Zukunft schwarzzusehen.
Sie wissen zudem, dass die schlechte Realität nicht vom Himmel gefallen ist, sondern aus politischen Entscheidungen resultiert, die von Journalisten (um es freundlich auszudrücken) intellektuell lediglich eskortiert worden sind. Das gilt unter anderem für die neoliberalen Angriffe auf den Wohlfahrtsstaat und die militärische Interventionspolitik.
Seit über zwei Jahrzehnten hören die Bürger in Endlosschleife, dass "harte Entscheidungen" getroffen werden müssen, damit am Ende alles für alle wieder gut oder doch besser wird. Während Kommunen jedoch weiter zum Sparen gezwungen werden, viele Menschen ihre Lebenshaltungskosten vor allem in den Städten nicht mehr tragen können und Armut sich ausweitet, erhält das deutsche Militär parallel immer mehr Geld, zuletzt 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr.
Rechtsextreme Parteien wie die AfD, aber auch die Rassemblement National (bis 2018 Front National) in Frankreich, die Orban-Anhänger in Ungarn, die rechten Parteien in Skandinavien oder die MAGA-Republikaner ("Make America Great Again") um Donald Trump in den USA bieten für diese Probleme zwar keine Lösungen an. Sie sind aber sehr geschickt darin, den Frust weiter anzufachen, kulturkämpferisch zu wenden und für sich nutzbar zu machen – in Wähler:innenstimmen.
Sie richten ihre Kommunikation dabei auf die fundamentale Unzufriedenheit immer größerer Schichten der Gesellschaft aus. Mit Slogans wie "Unser Land zuerst!" (AfD) forcieren sie rhetorisch die Ausrichtung auf enge nationale Interessen. Dazu kommen reaktionäre Ansichten hinsichtlich der Energie-, Familien- sowie Flucht- und Migrationspolitik. Auch das resoniert in entsicherten Gesellschaften, in denen die Menschen verzweifelt nach Stabilität und Orientierung suchen.
Parteien wie die AfD werden aber nicht nur von jenen gewählt, die von der Politik an den Rand geschoben wurden und prekär leben müssen. Ein entscheidender Teil der Wähler:innen gehört eher den Mittelschichten an oder zählt zur Gruppe von Kleinunternehmer:innen.
Denn auch diese Schichten sind mehr und mehr betroffen von der neoliberalen Entsicherung der Gesellschaft und fühlen sich abgekoppelt, nicht selten geplagt von Abstiegs-, Verdrängungs- und Machtverlustängsten, während sie zum Teil getrieben sind von politischen Geltungsbedürfnissen, die von den etablierten Organisationen nicht (mehr) aufgefangen werden.
Wenn die neoliberale Politik und ihre Konsequenzen nicht angegangen und die Attacken gegen den Wohlfahrtsstaat zurückgenommen werden, wird es kaum möglich sein, das Krebsgeschwür rechtsradikaler Instrumentalisierungen in den Griff zu bekommen. Es braucht daher nichts weniger als eine sozialpolitische und ökonomische Kehrtwende.
Aber es gibt noch einen zweiten entscheidenden Treiber, der der AfD durchgängig Wind unter die Flügel bläst. Dazu mehr im zweiten Teil, der morgen erscheint.