Zweifel an Franz Hörmanns "Informationsgeld"
Seite 2: Ein Neo-Kommunismus als Rettung?
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Ein Beispiel im Video Informationsgeld - die Boden- und Eigentumsfrage ist Besitz an Land oder Immobilien. Schon eine von Hörmann erwähnte geteilte Ferienwohnung bringt in der Praxis nun mal schnell den Burgfrieden in Gefahr, wie schon Teilnehmer von Wohngemeinschaften wissen:
1) Einer pflegt das geteilte Eigentum nicht so, wie der andere es sich wünscht;
2) Hörmann suggeriert, als würde der Wettbewerb um mehr oder minder begehrtes Eigentum an einem bestimmten Platz oder zu einem bestimmten Zeitpunkt aus reiner Willkür resultieren. Dies hängt jedoch auch von unveräußerlichen Bedingungen ab: die ‚gute Lage‘ oder etwa der ideale Zeitpunkt für einen Ferienaufenthalt in einer Wohnung am Ferienort, abhängig von Urlaubszeiten eines Erwerbstätigen oder z. B. dem guten Wetter während der Sommermonate. Hörmann aber suggeriert die konfliktfreie Funktionstüchtigkeit eines solchen überpersönlichen Systems der Zuweisung und zeitweisen Ingebrauchnahme von Besitztümern. Letztendlich wäre dies wohl ein kommunistisches Prinzip, und das Problem könnte u. a. sein, dass sich dann immer wieder Gremien bilden müssten, die übergeordnete Entscheidungen treffen und Ansprüche Einzelner beurteilen. Es könnte in einer korrupten Apparatschik-Wirtschaft enden - die es in aktuell bestehenden Systemen auch gibt, aber vielleicht nicht einmal so schlimm, wie es in dem von Hörmann angedachten System der Fall sein könnte. Danach muss man jedenfalls fragen.
In Hörmanns Eigentums-Begriff herrschen also zumindest teilweise Illusionen - oder jedenfalls unbewiesene Behauptungen und Versprechungen. Diese blenden aus, dass mit einem alleinigen Eigentum für gewöhnlich anders umgegangen wird als mit Gemeinschaftseigentum. Hörmann:
Voraussetzung dafür ist jedoch ein komplett verändertes Bildungssystem, in welchem die jungen Menschen nicht auf Konkurrenz in einer beinharten Ellbogengesellschaft, sondern auf empathische Kooperation einer Share-and-Care Society, d.h. einer Gesellschaft, in welcher die mitfühlende Zusammenarbeit unter der Zielsetzung gegenseitigen Respekts und wahrer Anteilnahme am Wohlergehen aller Menschen an erster Stelle steht, vorbereitet werden.
(Franz Hörmann)
Man stelle sich einen Donald Trump vor, wenn er auf eine Waldorf-Schule gegangen wäre.
Hörmanns Informationsgeld liegt wohl zunächst - wie teils schon gescheiterten Ideologien - ein wunschgeleitetes Menschenbild zugrunde. Es gibt Hoffnungszeichen, dass derzeit bestehende Wohlstandsbereiche zum Wohle von noch mehr Menschen umgestaltet werden können. Kollektives lebenslanges Teilen und Verzicht auf Vorteile gegenüber anderen wären jedoch in vielerlei Hinsichten und historisch weit zurückreichender Perspektive ein Novum, das sich erst beweisen müsste. Ob es gerecht(er) wäre, ist längst nicht entschieden.
Es fehlen eben auch - soweit ich bisher sehe - jedwede detaillierteren hypothetischen Anwendungen auf Bereiche, in denen nicht recht simpel ein monetärer "Wert" bestimmt werden kann/könnte.
Eine weitere Frage ist die nach der Erlangung von Wohlstand durch Mehrarbeit: Ein Begriff wie "Vermögensbildung" kommt in "Das Ende des Geldes" überhaupt nicht vor. Und es entsteht der Eindruck, dass bei den berechtigterweise kritisierten Exzessen der Finanzwirtschaft jede Entstehung von Vermögen einer Fehlkonstruktion des Finanzsystems zu verdanken sei. Der Begriff "Vermögen" taucht nur in negativen Kontexten auf. Wie aber wollte eine darauf gründende radikale Systemalternative Menschen motivieren, mehr zu leisten als andere?
Gespiegelte Systemfehler?
Wenn Hörmann ein Strohmann sein sollte, der Abtrünnigen des Systems eine unmögliche und selbstwidersprüchliche Systematik unterjubelt, um ihre mangelnde Urteilsfähigkeit endgültig zu beweisen, dann folgte daraus die gedankliche Konsequenz, dass er sie Prinzipien bejahen lässt, die entweder praktisch undurchführbar sind oder nur auf andere - und teils sogar verschärfte - Weise Problematiken des laufenden Systems selbst darstellen. In diesem letzteren, teils durchaus unredlichen und absurden Spiel sorgen dann ‚geistig überlegene‘ Kräfte dennoch dafür, dass es für Mehrheiten ‚irgendwie läuft‘. Die Frage ist, wie unpersönlich die "unsichtbare Hand" des Adam Smith wirklich zu nennen ist und wie dauerhaft sie Totalzusammenbrüche verhindern kann.
Parallelen von Hörmans Argumentation zu den Bedingungen des Gesamtsystems, das er kritisiert und umstürzen will, sind:
- Geldschöpfung letztlich durch eine Zentralbank, die heute intransparent funktioniert, als dZB jedoch nach Prinzipien, die bei Hörmann überhaupt nicht klar werden. Wer würde aufgrund welchen Wissens und mit welchen Rechten "demokratisch" entscheiden, was in welcher Höhe ‚bezahlungswürdig‘ ist und was nicht?
- Die Volatilität von Werten in der laufenden Geldwirtschaft bringt das Schreckgespenst eines Wertverlustes durch Inflation bis hin zur Währungsreform hervor. Bei Hörmann heißt nicht nur das Buch "Das Ende des Geldes", sondern jeder einzelne Bezahlungsvorgang bedeutet gemäß dem Zitat aus dem Video (die ich im programmatischen Buch gar nicht so genau erläutert finde) mit der ‚Vernichtung‘ des Geldes durch einen "Buchungssatz".
- Wahnhafte Tendenzen der herrschenden Schuldenwirtschaft erscheinen in Hörmanns Definition gleichsam nur wiederholt, indem er Individuen ja sogar zubilligt, in ein langwährendes "Kontominus" zu geraten - "[d]ie einzige Konsequenz eines lange währenden negativen Kontenstands ist die intensivere Beratung durch die EURO-WEG-Begleiter, die Bankmitarbeiter der Zukunft".
- Hörmann weist in Interviews aktuelle Absichten zur Abschaffung des Bargeldes zurück; sein Buchungssystem würde aber schlussendlich ebenfalls den bargeldlosen Verkehr erschaffen, wie er zugleich in Aussicht stellt. Zustimmung zu Hörmann bedeutet also zumindest in diesem Punkt sogar die Zustimmung zu dem, was in puncto Überwachungsstaat und Elitenherrschaft zu den Hauptbefürchtungen heutiger Kritiker des Geldsystems gehört: in letzter Konsequenz Abschaffung des Bargeldes.
- Für die Bewertung von Arbeiten könnte je nach Organisationsstruktur eine noch intransparentere Steuerung durch Technokraten durchgeführt werden. Der einfache Bürger gerät in totale Abhängigkeit, auf das Buchungssystem zugreifen zu müssen.
Sucht man nach einer starken Wirklichkeitsdefinition aus Sicht des radikalen Entwurfs "Informationsgeld" von Hörmann, so ist es ein Denken des Geldes ausschließlich von geschaffenen Werten in Gestalt von Waren und Dienstleistungen i. w. S. Es würde zu keiner Zirkulation kommen, sondern lediglich zu Buchungsvorgängen, die in beliebiger Skalierung bezahlungswürdige Aktivitäten abbilden, dabei Wirtschaftsaktivität und Versorgung aufrechterhalten.
Zu dem Verbleib der verbuchten Beträge kursieren, wie gezeigt, aber widersprüchliche Darstellungen Hörmanns. Dies gleicht vorerst einer diskursiven Bad Bank, in die unerfüllte Argumentations-Kontrakte relativ beliebig abgeschoben werden können.
Aber wenn wir uns einigen könnten, dass an den obigen fünf Punkten exakt je ein Hase im Pfeffer liegt, wären wir wohl schon ein bedeutendes Stück weiter …
Alle Einwände bedeuten keineswegs, dass nicht möglichst große Modellversuche solcher alternativer Geldsysteme durchgeführt werden sollten, solange Reformen ohne einen bedrohlichen Notstandsmodus eingeleitet werden könnten. Theoretisch.
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