Zweifel und Kritik an Meta-Studie zur Wirksamkeit von Lockdowns
Ein Forscherteam aus den USA will herausgefunden haben, dass durch Corona-Lockdows kaum Menschenleben gerettet wurden. An der Methodik der Untersuchung gibt es Kritik
Für westliche Verhältnisse harte Lockdowns mit Schul- und Grenzschließungen sowie eingeschränkter Versammlungsfreiheit haben laut einer Meta-Studie aus den USA in der Corona-Krise nur wenige Menschenleben gerettet.
Im Vergleich zu einer Politik, die es bei Empfehlungen belässt, sei die Sterblichkeit nur um durchschnittlich 0,2 Prozent gesenkt worden, heißt es in der Meta-Studie des Johns Hopkins Institutes for Applied Economics, Global Health, and the Study of Business Enterprise. Selbst durch Ausgangsbeschränkungen sei die Mortalität nur um 2,9 Prozent gesenkt worden.
Einen deutlicheren positiven Effekt stellten die Forschenden aber bei der Schließung nicht-existenzieller Betriebe fest – vor allem in der Gastronomie. Hierdurch sei die Sterblichkeit um rund 10,6 Prozent reduziert worden.
Kernaussage "so nicht haltbar"?
Die Methodik der Studienautoren, die dafür mehrere, aber nicht alle Einzelstudien zu diesem Themenkomplex ausgewertet hatten, wird allerdings in Wissenschaftskreisen scharf kritisiert: Die Analyse sei "trügerisch", denn einzelne Studien, die in Nischenpublikationen oder "obskuren Zeitschriften" erschienen seien, hätten darin ein "lächerlich hohes Gewicht" erhalten, twitterte am Donnerstag der Ökonom Andreas Backhaus von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Backhaus bezog sich beispielhaft auf eine 2020 veröffentlichte Studie über Schutzanordnungen in den USA und deren Auswirkungen auf Demografie, Sterblichkeit und Genesungsraten – die Autoren sind Jillian Alderman, Assistant Professor in Rechnungswesen, und Maretno Harjoto, Finanzwissenschaftler, beide tätig an der privaten Pepperdine University in Los Angeles, die zur Glaubensgemeinschaft Gemeinden Christi gehört.
Der Leiter des Instituts für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie an der Universität Marburg, Max Geraedts, teilte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag mit, die Kernaussage der Meta-Studie sei "so nicht haltbar". Es gebe wissenschaftlich qualitativ hochwertigere Studien, die hier nicht berücksichtigt worden seien. Das Team des Johns Hopkins Institutes hatte rund 30 Einzelstudien und Arbeitspapiere ausgewertet.
Südafrikanische Studie falsch interpretiert
Backhaus führte auch die Studie eines Teams um die Ökonomin Dr. Carolyn Chisadza von der Universität Pretoria über die Wirksamkeit der Regierungsmaßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 als Negativbeispiel an. Eine zentrale Aussage dieser Studie wird allerdings in der Meta-Studie falsch wiedergegeben.
Tatsächlich ist in der Chisadza-Studie von einem "nichtlinearen Zusammenhang" zwischen staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen und Todesfällen die Rede: Weniger stringente Maßnahmen würden die Sterblichkeit erhöhen, während stringentere Reaktionen sie verringern könnten, heißt es darin. Schnelles, frühzeitiges und konsequentes Handeln wird als wirksam beschrieben.
Die südafrikanische Studie von 2021 spricht insgesamt eher gegen halbherzige Maßnahmen, die dafür länger andauern. In der Meta-Studie heißt es dagegen, Chisadza und ihr Team hätten herausgefunden, dass stringente Maßnahmen die Sterblichkeit erhöhen, was aber womöglich auf eine unübersichtliche Tabelle zurückgeht.
Höhere Impfquote, andere Virusvariante
Allerdings stammt die Chisadza-Studie aus einer Zeit mit generell und vor allem in Afrika niedrigeren Impfquoten – und vor dem Aufkommen der Virusvariante Omikron, die zwar ansteckender ist, aber für weniger schwere Krankheitsverläufe sorgt und vor allem für Geimpfte seltener gefährlich wird.
Virologen im deutschsprachigen Raum setzen inzwischen darauf, dass eine Omikron-Infektionswelle in Verbindung mit einer hohen Impfquote in die endemische Phase und weg von der Pandemie führen könnte. Auseinander gehen die Einschätzungen allerdings darüber, ob Lockerungen der bestehenden Corona-Schutzmaßnahmen bei der momentanen Impfquote in Deutschland angebracht sind. Laut Robert-Koch-Instituts gelten momentan 74,2 Prozent der Bevölkerung als vollständig geimpft.
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