Zwischen Marx und Mudschaheddin

Parteiemblem der Demokratischen Volkspartei Afghanistans

Das kommunistische Afghanistan, das mit einem blutigen Staatsstreich im Jahr 1978 mit seiner Existenz begann, war eine Hölle

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Es gab einmal ein kommunistisches Afghanistan, und dieses war gewiss kein proletarisches Schlaraffenland, in dem friedliche Revolutionäre regierten, bis sie vom imperialistischen Westen über den Haufen geworden wurden.

Das kommunistische Afghanistan, das mit einem blutigen Staatsstreich im Jahr 1978 mit seiner Existenz begann, war eine Hölle, aus der viele Afghanen, darunter Muslime, Sikhs, Hindus und Juden, Konservative, Linke, Säkulare und Liberale, flüchteten und innerhalb kürzester Zeit zur größten Geflüchtetengruppe der Welt wurden.

Prägend war zu Anfangszeiten vor allem der erste kommunistische Diktator des Landes, Noor Mohammad Taraki, ein erfolgloser Journalist, der sich aufgrund eines Minderwertigkeitkomplexes zum "großen Lehrer" inszenierte. Taraki drängte nicht nur auf umfassende Agrarreformen und die Enteignung von Gutsherren, sondern auch auf stalinistische Säuberungsaktionen, die sogar dem Moskauer Politbüro zu weit gingen. Sie fanden allerdings trotzdem statt.

Massaker

"Wir setzten Lenins Worte in die Tat um", meinte Taraki gegenüber den sowjetischen Botschafter in Kabul. Innerhalb von Tarakis kurzer Amtszeit von achtzehn Monaten wurden Zehntausende von Afghanen verschleppt, gefoltert und ermordet. Genaue Zahlen gibt es nicht. Viele Menschen sind bis heute verschollen. Tarakis Streitkräfte marschierten in Dörfer ein und verübten Massaker gegen "Feudalisten", "Traditionalisten" und "Konterrevolutionäre".

Tatsächlich waren die meisten von ihnen Bauern und Arbeiter, sprich, jene, die die "Revolution" vermeintlich befreit hat. Revolten und Demonstrationen wurden von Taraki blutig niedergeschlagen. Das beste Beispiel hierfür war etwa das Massaker von Herat im März 1979. Laut Analysten und Beobachtern wie dem französischen Politikwissenschaftler Olivier Roy wurden bei den mehrtägigen Luftangriffen seitens der kommunistischen Streitkräfte zwischen 5.000 und 25.000 Menschen getötet. Genauere Zahlen gibt es bis heute nicht. Das Massaker wurde bis heute nicht aufgearbeitet.

Im darauffolgenden Oktober wurde Taraki von seiner rechten Hand, Hafizullah Amin, ermordet. Amin hatte eine charismatische Persönlichkeit und galt als Strippenzieher, der bereits Jahre zuvor von einem bolschewikischen Umsturz träumte und in diesem Kontext vor allem in seiner Funktion als Pädagoge tätig war und angehende Lehrer während dessen Ausbildung radikalisierte. Seine eigene Radikalisierung nach links fand ausgerechnet in den Vereinigten Staaten statt, weshalb bis heute viele Menschen meinen, Amin sei ein CIA-Spion gewesen.

Umbau der Gesellschaft

Amin wütete zwei Monate lang. Über die Sowjets machte er sich lustig. Sie hätten, so Amin, viel zu lange für die Revolution und die Umstrukturierung der Gesellschaft gebraucht. Im Gegensatz zu Russland würde Afghanistan nicht sechzig, sondern lediglich sechs Jahre für den Gesellschaftsumbau benötigen.

Am Ende stünden die Moscheen leer. Zu Weihnachten 1979 fand Amin sein Ende. Die Sowjetunion marschierte ins Land ein, tötete ihn und installierte mit Babrak Karmal eine treue Puppe, die "völlig unter der Kontrolle Moskaus" stand, wie der afghanische Historiker Hassan Kakar es beschrieb.

Radikalisierungsprozess des afghanischen Widerstands

Natürlich fanden zeitgleich andere Ereignisse statt. Die USA und ihre Verbündeten im Westen formierten sich. Der afghanische Widerstand wurde unterstützt und verschiedene Mudschaheddin-Gruppierungen in Pakistan wurden mit Waffen und Geld beliefert.

Natürlich wurde eine Radikalisierung der Afghanen zugunsten westlicher Interessen nicht nur in Kauf genommen, sondern auch gefördert. Afghanische Kinder lernten in Geflüchtetenlagern ihre Muttersprache mittels amerikanischer Schulbücher in denen Vokabeln wie "Dschihad", "Waffe" oder "Kommunist" betont wurden. Ein Großteil des Radikalisierungsprozesses war allerdings schon lange abgeschlossen, und dafür brauchte es weder Bücher noch CIA-Propaganda.

Die Massaker der Sowjets und der kommunistischen Diktatur reichten hierfür vollkommen aus. In Kabul "regierte" mit Karmal ein Mann, der weiterhin brutal gegen weite Teile der Zivilbevölkerung vorging. Prägend war in diesem Kontext auch sein Geheimdienstchef, Mohammad Najibullah, der später der letzte kommunistische Präsident Afghanistans werden sollte.

Najibullah war ein berühmt-berüchtigter Folterchef. In seinen Kerkern gehörten Tod, Folter und sexuelle Gewalt en masse zum Alltag. All dies und die dystopischen Umstände in den pakistanischen Geflüchtetenlagern brachten das Fass zum Überlaufen.