Zygmunt Bauman und die Dekadenz der Intellektuellen
Der Denker der Flüchtigkeit ist auch der Theoretiker der Dekadenz der Intellektuellen gewesen
Auch Zygmunt Bauman ist von uns gegangen. Wir haben einen weiteren unbestrittenen Protagonisten des 20. Jahrhunderts und des ersten Abschnitts des neuen Jahrtausends verloren. Ein Denker, den übrigens auch die breite Öffentlichkeit kennt, da er sehr häufig an Literaturfestivals und Ausstellungen teilnahm, die auch für Laien zugängig waren.
Ein vom großen Publikum geliebter Autor, das Emblem einer Kultur, die sich, gramscihaft, in gewöhnlichem Sinn absetzt. Im Gegensatz zu dem, was alle Fernsehsender, Zeitungen und Priester der politischen Korrektheit in Erinnerung gerufen haben, war Bauman nicht nur der Theoretiker der flüchtigen Gesellschaft. Selbstverständlich ist das der Begriff, mit dem, zu Recht oder zu Unrecht, sein Namen verbunden bleiben wird.
Und das auch dank seines manischen Beharrens auf dem Thema, das, um die Wahrheit zu sagen, eine Art Generalschlüssel geworden ist, ein Produkt, das von der Kulturindustrie als allumfassender, hermeneutischer Schlüssel vermarktet wird. Alles wird flüchtig in der späten Moderne, von der Angst bis zur Liebe.
Und so wird paradoxerweise die kritische Flüchtigkeitskategorie zu einem beruhigenden Dogma umgekehrt und hört somit auf, ihre entmystifizierende Funktion auszuüben. Aber Bauman war nicht nur das. Zum Glück, würde ich hinzuzufügen. Er war auch ein akkurater Analytiker des Klassenbewusstseins und der "Ökonomisierung des Konflikts". So etwa im unvergesslichen Essay "Memories of class", in dem mit unglaublichem Scharfsinn die Betäubung des revolutionären Bewusstseins der Untergebenen untersucht wird.
Bauman ist auch der Theoretiker der Dekadenz der Intellektuellen gewesen ("Legislators and interpreters - On Modernity, Post-Modernity, Intellectuals" - ins Italienische mit "Decadenza degli intellettuali" übersetzt), nach dem Titel eines wichtigen und missverstanden Essays. Ein sicher unangenehmer Essay, da es, im Gegensatz zum allzeit passenden Konzept der "Flüchtigkeit", unbehaglicherweise den Schwerpunkt auf die Pathologie derer setzt, die jetzt die dithyrambische Predigt zu Ehren Baumans singen: Die Intellektuellen sind gefallen, da sie von sozialen Gesetzgebern und eingefleischten Kritikern zu bloßen Oratores, bloßen Mandarinen und Wachhunden der Macht geworden sind.
Von unbequemen und verfolgten Feinden der Macht und ihren Verzerrungen zu einfachen postmodernen Reimeschmiedern der dominanten symbolischen Ordnung, die sub specie mentis legitimiert wird. Mit einem Wort, vom großen Gramsci zu Bernard-Henri Lévy, um über schmerzlich aktuelle Dinge zu sprechen. Dies und nicht die flüchtige Gesellschaft, ist die Lehre Baumans, an die ich mich persönlich erinnern und die ich feiern will.
Übersetzung Jenny Perelli
Diego Fusaro, 1983 in Turin geboren, lehrt Philosophie an der Mailänder Universität. Als unabhängiger Freidenker, intellektueller Dissident, der politisch weder rechts noch links anzusetzen ist, verblüfft er seit geraumer Zeit ganz Italien mit seiner eigenwilligen, neoidealistischen Auslegung des Marxschen Gedanken. In seinen Büchern beschreibt er die Widersprüche des Systems und des Lebens des postmodernen Menschen. Fusaro betreibt die Website filosofico.net.