Zypern geht geteilt in die Europäische Union
Eine Wiedervereinigung ist jedoch über die Aufnahme der Türkei in die EU machbar
Die Ablehnung des Annan-Planes durch die Mehrheit der Zyperngriechen ist keine Absage an eine mögliche Wiedervereinigung der Insel. Der Weg zu einem vereinten Zypern führt über die Aufnahme der Türkei in die EU.
Die Aussicht auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union war das stärkste der Motive für die Zyperntürken, dem Plan des UNO Generalsekretärs Kofi Annan zur Wiedervereinung der Insel zuzustimmen. Wenn aber am 1. Mai die Osterweiterung der EU mit dem Beitritt von 10 Staaten in Kraft tritt, wird sich der Geltungsbereich der EU-Regelungen zunächst nur auf den südlichen, von den Zyperngriechen bewohnten Teil der Insel erstrecken, denn mit 76 Prozent der abgegebenen Stimmen bei einer hohen Wahlbeteiligung haben am 24. April die Zyperngriechen den Plan abgelehnt.
Vorausgegangen war ein monatelanges Ringen der Regierungen Südzyperns und des besetzten Nordens sowie der Schutzmächte der Insel Griechenland, Türkei und Großbritannien unter Vermittlung der UNO. Da sich die Bevollmächtigten von Nord- und Südzypern nicht einigen konnten, wurde die endgültige Fassung des Planes vom Generalsekretär der UNO, Kofi Annan, festgelegt. Diesem Prozedere hatten der zypriotische Staatspräsident Tassos Papadopoulos und der Verhandlungsführer der Zyperntürken Rauf Denktasch auf internationalem Druck hin bei der entsprechenden Verhandlung in New York am Anfang dieses Jahres zugestimmt.
Zunächst ist die Wiedervereinigung gescheitert
Der Plan sah die Wiedervereinigung der Insel als föderativer Staat zweier weitgehend voneinander unabhängigen Gebiete vor. Nur auf den Gebieten der Außenpolitik, der EU-Politik und der Finanzen sollte das Parlament der Föderation entscheiden. Die Minderheit der Zyperngriechen würde in allen Entscheidungsgremien neben der Mehrheit der Zyperntürken gleichberechtigt vertreten sein. Mit komplizierten Regelungen zum Wohnrecht der beiden Bevölkerungsgruppen im Gebiet der jeweilig anderen Gruppen sollte eine Dominanz der Zyperngriechen verhindert werden. Im Gegenzug sah der Plan die teilweise Rückgabe der von den Türken 1974 besetzten Gebiete Nordzyperns an die vertriebenen Zyperngriechen vor. Für nicht zurückgegebenen Landbesitz sollten die ursprünglichen Eigner entschädigt werden.
Geregelt war auch die stufenweise Verringerung der militärischen Präsenz der beiden Schutzmächte Türkei und Griechenland. Von den derzeitig über 30.000 türkischen und etwa 6.000 griechischen Soldaten sollten am Ende noch einige hundert übrig bleiben. Stärkste Militärmacht der Insel wären die Briten mit den beiden direkt dem Verteidigungsministerium Großbritanniens unterstellten Stützpunkten Akrotiri und Thekelia.
Seit der Besetzung durch die Türkei 1974 unterliegt der Norden Zyperns einem internationalen Wirtschaftsembargo. Die "Türkische Republik Nordzypern" ist allein von der Türkei anerkannt. Ihre Häfen sind für die internationale Schifffahrt gesperrt, auf ihren Flughäfen starten und landen nur Flugzeuge aus der Türkei. Als Folge des Embargos beträgt das Pro-Kopf-Einkommen der Zyperntürkern weniger als die Hälfte des Einkommens der Zyperngriechen.
Der türkische Norden ist isoliert
Die Aussicht auf ein Ende des Embargos und den dadurch zu erwartenden wirtschaftlichen Aufschwung wog für die überwiegende Mehrheit der Bewohner des Nordens stärker als die Angst, in einem wiedervereinten Zypern von der Mehrheit der Zyperngriechen dominiert zu werden. "Lasst uns die Insel mit der Welt vereinen" war die dominierende Parole der Kampagne für das "Ja zum Annan Plan".
Dass dennoch nicht alle, sondern nur 65 Prozent der Wahlberechtigten Nordzyperns dem Plan zustimmten, lag zum einen an den zugezogenen Türken. Von den etwa 110.000 im Zuge der Besatzung aus der Türkei eingewanderten Siedlern sollte nur etwa die Hälfte auf der Insel bleiben dürfen. Konsequenterweise stimmten 67 Prozent der Siedler mit "Nein". Aber auch 25 Prozent der Zyperntürken lehnten den Plan ab. Sie fürchten vor allem die Übermacht der griechischen Bevölkerungsmehrheit und bestehen auf einer Lösung mit zwei vollständig unabhängigen Staaten.
Hinter der Ablehnung des Annan-Planes durch die überwiegende Mehrheit der Zyperngriechen stehen ebenfalls mehrere Gründe. Wenn sich 76 Prozent gegen den Plan aussprechen, bedeutet das nicht, dass sich die Bewohner des Südens gegen eine Wiedervereinigung der geteilten Insel aussprechen. Und schon gar nicht heißt es, dass sich die Zyperngriechen den Anschluss an Griechenland wünschen. Nur eine Minderheit der Zyperngriechen favorisiert eine Zwei-Staaten-Lösung. Die Mehrheit derjenigen, die am 24. April mit Nein stimmten fürchtet, dass die Kosten für die Wiedervereinigung mehrheitlich zu Lasten des wirtschaftlich starken Südens der Insel gehen. Sie wollen nicht, dass die Zyperngriechen selbst für die Entschädigung der bei der Besetzung durch die Türkei Enteigneten aufkommen. Dies kommt in ihren Augen einer nachträglichen Legalisierung der Besetzung gleich.
Der Süden traut der Türkei nicht
Wichtigste Motivation gegen den Annan-Plan war jedoch das Misstrauen gegenüber der Bereitschaft der Türkei, die Insel tatsächlich in die Unabhängigkeit zu entlassen. Der Schock der militärischen Überlegenheit, den die Besatzer 1974 zeigten, sitzt bis heute. Und natürlich steht die Insel im Spannungsfeld der gespannten Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland. Vierhundert Jahre Besetzung Griechenlands durch die Osmanen, die Griechisch-Türkischen Kriege, die Idee des "Großen Griechenlands", die 1922 in der Kleinasiatischen Katastrophe endete prägen bis heute das Verhältnis der beiden NATO Partner.
Ende dieses Jahres wird die Türkei einen Termin für die Aufnahme der Verhandlungen zum EU-Beitritt des Landes bekommen. Mit der Einbindung der Türkei in die Europäische Gemeinschaft werden sich auch die Beziehungen zu Griechenland vertiefen. Offene Grenzen und gemeinsame Interessen werden im Laufe der Zeit das Misstrauen überwinden helfen. Stehen sich Türken und Griechen dann nicht mehr feindselig gegenüber, wird auch auf Zypern die Zeit für eine neue Initiative zur Wiedervereinigung der Insel gereift sein. Diese Initiative wird von der Bevölkerung selbst getragen sein und keine Vermittlung und vor allem keinen Druck von außen benötigen.
Zuerst muss die Türkei in die EU, bevor Zypern wiedervereinigt werden kann
Erste Ansätze in diese Richtung sind bereits zu erkennen. Direkt nach dem Scheitern des Annan-Planes sprach sich die Regierung Südzyperns für eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU aus. Außerdem sollen bereits jetzt von der EU bereitgestellte Mittel in Höhe von 250 Millionen Euro nach Nordzypern gehen. Auch gegen den Plan der EU, das Embargo gegen den Norden der Insel weitgehend aufzuheben, gibt es keine Einwände. Sollte sich das Einkommensniveau des Nordens an das Südzyperns angleichen, würden auch die Kosten für eine Wiedervereinigung der Insel nicht mehr einseitig zu Lasten des Südens gehen.