AKW-Bau in Polen mobilisiert

Volksabstimmung vor Ort, 20.000 Einwendungen aus Deutschland, Planungshoheit entzogen, auch ökonomischer Sinn in Frage gestellt

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Zum geplanten Einstieg Polens in die Atomkraft wird in der an der Ostsee gelegenen Gemeinde Mielno am 12. Februar eine Volksabstimmung über den Bau des Atomkraftwerks stattfinden. Zur Gemeinde Mielno gehört das Dörfchen Gaski, das einer der drei möglichen Standorte für das 6.000-MW-AKW ist.

Die Initiative zum Referendum geht von einer örtlichen Bürgerinitiative aus. Neben der Unterschriftensammlung schlossen sich auch alle Gemeindevertreter dem Bürgerbegehren an. Beim Referendum muss eine Wahlbeteiligung von 30 % erreicht werden. Allerdings gehört das geplante Kraftwerksgelände als quasi exterritoriales Gebiet dem Warschauer Schatzministerium. Der mit dem Kraftwerksbau beauftragte Energiekonzern PGE erklärte dazu, dass den Gemeinden die Planungshoheit über die Baugebiete bereits entzogen sei.

Im bisherigen Anhörungsverfahren sind außerdem bis zum Stichtag 4. Januar, nach Angaben der Vize-Wirtschaftsministerin Hanna Trojanowska, bereits 20.000 Einwendungen aus Deutschland eingegangen. Sie verteidigt die Pläne der polnischen Regierung zum AKW-Bau aber mit Hinweis auf den Lissabon-Vertrag, der "jedem Land einen eigenen Energie-Mix" zubillige. Außerem habe sich in Polen der nach Fukushima erkennbare Trend zu einer abnehmenden Akzeptanz der Atomenergie wieder umgekehrt.

Die Infoseite Polen berichtet in diesem Zusammenhang, dass die Medien in Polen sich wie eine "Einheitsfront" pro Atomkraft äußern. Trojanowska beschreibt die hochgesteckten Hoffnungen auf die Atomkraft damit, dass sie ein "Schwungrad für die ganze Wirtschaft und ein technologischer Sprung in die Zivilisation" sein werde - wen erinnert das nicht an die Hoffnungen, die u.a. auch die deutsche Regierung bis in die 70er Jahre an die Kernenergie geknüpft hat.

Kritik kommt vom Umweltinstitut München, das polnische Atomenergieprogramm verstoße gegen EU-Recht, weil die vorgelegte Umweltverträglichkeitsstudie veraltet, unvollständig und in weiten Teilen falsch sei. Risiken der Atomenergie würden verharmlosend abgetan, Gefahren für Mensch und Umwelt würden darin negiert.

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) prognostiziert außerdem, dass der Einstieg in die Atomkraft Polens Traum von billigem Strom nicht erfüllen werde. FÖS-Vorstand Uwe Nestle dazu: "Anders als von der polnischen Regierung angenommen, dürfte der Strompreis für die Endkunden nicht geringer ausfallen als bei einem konsequenten Weg in eine klimafreundliche Energiezukunft ohne Atomenergie." Der Einstieg in die Atomenergie würde stattdessen das in Polen bereits bestehende Oligopol im Strommarkt zementieren. Oligopole aber führten erfahrungsgemäß zu unnötig hohen Preisen, da der Wettbewerb eingeschränkt wird.