Abgasskandal: Interpol fahndet nach VW-Managern
Die US-Justiz will die Verantwortlichen für den Abgasskandal hinter Gitter bringen, zumindest die zweite Reihe, denn der Vorstandschef steht nicht auf der Fahndungsliste
Die USA haben einen internationalen Haftbefehl gegen fünf ehemalige VW-Manager ausgelöst, berichten unter anderem das Handelsblatt und der Schweizer Tagesanzeiger. Ein sechster sitzt bereits seit Anfang des Jahres in Untersuchungshaft. Den Betroffenen werde Verschwörung zum Betrug und Verstoß gegen die US-Umweltvorschriften vorgeworfen. Ihnen drohten lange Haftstrafen.
Eine Freilassung des im Januar Festgenommenen auf Kaution wurde abgelehnt. Würde er sich nach Deutschland absetzen, so offenbar die Befürchtung der Justizbehörden, dann wäre er nicht mehr greifbar. Hierzulande darf kein Bürger ans Ausland ausgeliefert werden. Ausnahmen gibt es lediglich innerhalb der EU. Entsprechend haben auch die nun per Interpol Gesuchten zunächst nichts zu befürchten. Nur von Auslandsreisen sollten sie lieber absehen. Schon bei der ersten Passkontrolle würde der Interpol-Haftbefehl zu ihrer Festnahme führen.
Natürlich hat das harsche Vorgehen der US-Behörden – das man sich hierzulande zum Beispiel auch für jene beschlipsten Cum-Ex-Ganoven wünschen würde, die in den letzten Jahren den Steuerzahler um über 30 Milliarden Euro bestohlen haben – auch etwas damit zu tun, dass es sich um einen deutschen oder zumindest nicht um einen heimischen Konzern handelt.
Mag sein, dass es der Regierung ganz recht ist, unangenehmer Konkurrenz der eigenen Autoindustrie zu schaden. Gegen Manager eines US-Konzerns würde sicherlich nicht in ähnlicher Schärfe vorgegangen werden, jedenfalls nicht, wenn sie etwa in Morde an Gewerkschaftern verstrickt waren, wie Coca-Cola-Manager in Kolumbien.
Das macht allerdings keines der großen kapitalistischen Länder. Auch in Deutschland hat sich die Öffentlichkeit wenig daran gestört, dass die Mercedes-Benz-Manager, die einst in Argentinien mit der dortigen Militärjunta bei der Verhaftung und folglich der Ermordung unliebsamer Arbeiter zusammenwirkten, hierzulande ungeschoren blieben.
Eine ganz andere Frage ist freilich, ob sie sich mit dem Wegschauen bei den "eigenen" Konzernen einen Gefallen tut. Das Dulden einer Zusammenarbeit mit Militärdiktaturen bis hin zur zumindest indirekten Beihilfe zum Mord hat natürlich auch vielfältige Rückwirkungen auf das Zusammenleben hierzulande.
Und was das Umgehen mit dem Abgasskandal angeht, so ist es ja nicht so, dass VW seine Betrügereien nur in den USA betrieben hätte – oder dass der Konzern ein einsames schwarzes Schaf in der Branche wäre. Vielmehr sind hiesige Käufer und Bewohner verschmutzter Städte ganz genauso betroffen. Die Autofahrer wurden über den Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß betrogen und alle anderen müssen die Stickoxide und Rußpartikel einatmen.
Es ist übrigens nicht so, dass der Konzern seine Betrügereien leugnen würde. Die Gesuchten wurden von VW selbst gegenüber den US-Behörden angeschwärzt, um dem Unternehmen einen kostspieligen Prozess zu ersparen. Insgesamt haben die Wolfsburger in den USA und Kanada bereits 22 Milliarden Euro an Kläger, darunter viele Käufer gezahlt.
Und hierzulande? Rien, nada, nichts. Es sind diverse Klagen von Käufern und Anteilseignern anhängig, aber es gibt noch kein rechtskräftiges Urteil. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, scheint es aber auch nicht übermäßig eilig zu haben. Der Berliner Koalition scheint dies wiederum ganz recht zu sein. Angesichts des Abschlussberichts des parlamentarischen Untersuchungsausschusses übte dieser Tage dessen stellvertretender Vorsitzender Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) im Deutschlandfunk heftige Kritik:
"Da ist die Große Koalition gut im Verharmlosen. Wir haben es hier mit dem größten Industrieskandal seit Jahren zu tun. Wir haben Millionen betrogene Autofahrer. Wir haben mehr als 10.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland. Wir haben eine Autoindustrie, die vorm größten Strukturwandel steht. Das alles ist durch Dieselgate zwar nicht ausgelöst, aber doch verstärkt worden. Und dass die Koalition das alles jetzt kleinredet und so tut, da gab es kleine Vorkommnisse und Stickoxid ist ja auch gar nicht wirklich gesundheitsgefährlich, das zeigt: Man will hier ein Staatsversagen kleinreden."
Oliver Krischer; Die Grünen