Abmahnung als Wahlkampftool
Die Grünen haben CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt über einen Anwalt eine Unterlassungserklärung zur Unterzeichnung zugeschickt, weil er ihrer Ansicht nach ihr Wahlprogramm falsch darstellte
In den letzten 15 Jahren haben sich teure anwaltliche Abmahnungen zur Unterdrückung missliebiger Verbraucherwarnungen und Meinungen immer stärker verbreitet. Die Politik sah bislang keinen Handlungsbedarf, gegen den vor allem durch den Fliegenden Gerichtsstand und die Landgerichte Hamburg und Berlin beförderten Missstand einzuschreiten. Das lag möglicherweise auch daran, dass etablierte Politiker eher als Abmahner und Kläger denn als Abgemahnte und Beklagte von sich reden machten: So setzten beispielsweise Anwälte von Gerhard Schröder, Joseph Fischer, Friedrich Merz, Christian Ströbele und Christian Lindner solche Methoden in durchaus fragwürdigen Fällen ein.
Nun ist mit dem CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erstmals ein bekannter Politiker als Abmahnopfer in die Schlagzeilen gekommen. Der Bundestagsabgeordnete hatte in der parteinahen Wochenzeitung Bayernkurier die Meinung geäußert, dass eine vierköpfige Familie mit einem berufstätigen Elternteil, das 3000 Euro brutto verdient, "durch die geplante Abschaffung des Ehegattensplittings um mehr als ein Monatsgehalt – nämlich über 3500 Euro – belastet" werde.
Im Wahlprogramm der Grünen steht, dass das Ehegattensplitting erst auf Haushaltseinkommen unter 60 000 Euro begrenzt und "dieser Splittingdeckel schrittweise innerhalb von zehn Jahren ab[ge]bau[t]" werden soll. Die Partei macht deshalb in ihrer Abmahnung geltend, dass sie das Ehegattensplitting nicht vollständig abschaffen würde und dass die von Dobrindt geschilderte Durchschnittsfamilie nicht be-, sondern um 728 Euro entlastet werde.
Der gelernte Soziologe gab in einer Pressemitteilung bekannt, die Unterlassungserklärung nicht zu unterzeichnen. Die Ökopartei hat für diesen Fall angekündigt, eine Einstweilige Verfügung erwirken zu wollen. Im Zuge dieser Nachricht wurde auch bekannt, dass das Landgericht Berlin dem CSU-Generalsekretär bereits per Einstweiliger Verfügung und unter Androhung von 250.000 Euro Strafe untersagte, Volker Beck, den Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestags-Grünen, als "Vorsitzenden der Pädophilen-AG" seiner Partei zu bezeichnen. Dobrindt kündigte an, gegen diese Einstweilige Verfügung den Rechtsweg beschreiten zu wollen und ließ die Formulierung in "Vorsitzender der Nachfolge-Organisation der Pädophilen-AG" ändern.