Alles nur Volksverdummung und Augenwischerei?
Friedrich Schmidt-Bleek, Pionier des ökologischen Fußabdrucks geht mit der aktuellen Klima- und Energiepolitik hart ins Gericht und fordert einen Wandel zur dematerialisierten Dienstleistungsgesellschaft
In seinem Buch "Grüne Lügen. Nichts für die Umwelt,alles fürs Geschäft - wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunderichten" hinterfragt Schmidt-Bleek die derzeitigen Klimaschutz-Rezepte der Politik und der Wirtschaft. Sein Fazit: Die hinter Schlagworten wie "Energiewende" oder "Elektromobilität" stehenden Konzepte taugen nicht als Lösung, sondern machen die Umwelt nur noch kränker.
Ständig sei verkürzt nur von CO2-Emissionen die Rede, das sei aber nur ein kleiner Teilaspekt des Umweltproblems, der nicht ausreicht, um beurteilen zu können, wie ökologisch ein Gerät oder eine Anlage denn nun ist. Der Ansatz, bloß den Kohlendioxidausstoß in die Atmosphäre zu verringern, sei ein Herumdoktern an den Symptomen, sozusagen "am Ende des Auspuffs", ohne die Ursachen anzugehen. Das eigentliche Problem, oder wie Schmidt-Bleek formuliert: die "Ursünde unserer Wirtschaft" sei der ungeheure Verbrauch von natürlichen Ressourcen.
In jedem technischen Produkt stecken im Schnitt etwa 30 Kilogramm Natur je Kilogramm Produkt und noch einmal rund die 10fache Menge Wasser für dessen Produktion. Die ökologischen Folgen sind gigantisch und entstehen eben nicht nur durch die Kohlendioxid-Emissionen. Viele der Umweltprobleme haben mit CO2 nichts zu tun, sondern mit diesem enormen Ressourcenverbrauch. Die "Energiewende" trage weder zur Entschärfung der Umweltzerstörung noch maßgeblich zur Verlangsamung des Klimawandels bei. Denn auch als grün gepriesenen Technologien wie die Solarenergie erforderten einen extrem hohen Materialeinsatz. Die Folge, so Schmidt-Bleek, ist, dass auch Ökostrom beim aktuellen Stand der Technik alles andere als grün sei.
Und das gelte auch für die Mobilität: Für die Produktion von Hybrid- oder E-Autos werden noch mehr Kupfer, Lithium und Neodym gebraucht. Für deren Gewinnung wieder neue große Eingriffe in die Natur gemacht werden. So wird das Lithium in bislang weitgehend unberührten Ökosystemen, in Salzseen in Südamerika und China abgebaut. In der Summe seien die Schäden, die beispielsweise durch den Bau von Hybrid-Autos in der Natur verursacht werden, größer als die Entlastung, die durch deren geringere Emissionen erreicht werde.
Techniken, die den CO2-Ausstoß von Autos um 10 bis 20 Prozent verringern, würden mit Milliarden Euro subventioniert und dafür eine Verdoppelung des Ressourcenaufwandes in Kauf genommen - das sei Unfug. Es wäre viel besser, alles zu tun, um die Lebenszeit von Fahrzeugen zu verdrei- oder vierfachen. Aber für die heutige Wirtschaft ist das nicht attraktiv. Die Unternehmen und die Werbung trichtern uns ein, es sei gut, ständig neue Produkte und alle paar Jahre ein neues Auto zu kaufen. So bezeichnet der Autor die Abwrackprämie als Paradebeispiel dafür, wie die Politik ohne Sinn und Verstand mit Milliarden Steuergeldern die Autobranche gepampert hat, anstatt die Industrie aufzufordern, ressourcenschonender zu produzieren.
Perspektivisch sei aber nur eine Wirtschaft für den Planeten tragfähig, die sich zu einer mehr dematerialisierten Dienstleistungsgesellschaft entwickelt. Auch mit dematerialisierter Technik könnte Wachstum erzeugt werden. Das heißt, man könne ressourcenschonend wirtschaften, ohne Wohlstand aufzugeben. Dafür müsse der Ressourcenverbrauch auf der Welt aber mindestens um den Faktor 10 gesenkt werden und zwar schnell.