Als der Winter ausfiel
Helsinki ohne Schnee, Stockholm meldet den wärmsten Winter seit mindestens 1756
Für die Meteorologen war am ersten März der Winter zu Ende, Zeit für sie Bilanz zu ziehen. Aus Stockholm berichtet das Bolincentret, das Bolin-Zentrum für Klimaforschung der dortigen Universität, dass der Winter für Schwedens Landeshauptstadt der wärmste in mehr als 250 Jahren gewesen sei.
Die Forscher haben die seit 1756 vorliegenden Messungen digitalisiert, einer Qualitätskontrolle unterzogen und stellen sie im Netz allen Interessierten zur Verfügung. Die Messungen werden unter anderem durch die Art der Thermometer, ihre Kalibrierung, ihren Standort, ihre Abschattung gegenüber Wärmestrahlung, die Tageszeit der Messung und nicht zuletzt den Wärmeinseleffekt der Stadt beeinflusst.
Letzterer wird seit Jahrzehnten von Meteorologen erforscht und gegebenenfalls bei Bedarf aus älteren Zeitreihen herausgerechnet. Städte zeichnen sich gegenüber ihrem Umland nämlich durch eine höhere Temperatur aus. Da sie seit Beginn der Industrialisierung drastisch gewachsen sind und manch ehemals ländliche Messstation sozusagen eingemeindet haben, spiegelt sich die Urbanisierung in deren Rohdaten als Erwärmungstrend ab.
Den kann man herausrechnen, wie es die Stockholmer mit den alten Daten getan haben, wobei sie sogleich auch die anderen oben erwähnten Effekte berücksichtigten. Für die, die es ganz genau wissen wollen, stehen auch noch die Rohdaten zur Verfügung.
Wenn man nicht an den einzelnen Stationen interessiert ist, sondern aus einem großen Datensatz Informationen für eine Region oder vielleicht gar ein globales Mittel destillieren will, kann man auch die verstädterten Messstationen mit ihrem künstlichen Trend ausschließen. Das macht zum Beispiel das Goddard Institut for Space Studies der NASA, das monatlich die Veränderung der globalen Temperatur gegenüber der Referenzperiode 1951 bis 1980 berechnet.
In Schweden wurden die ersten Messungen der Temperatur 1722 in Upsala von Anders Celsius durchgeführt, nach dem unsere Temperaturskala benannt ist. Einer seiner Studenten begründete die regelmäßigen Messungen in Stockholm. Mehr dazu hier auf der Seite des Bolin-Zentrums.
Dort findet sich auch eine interaktive Grafik, mit der die Messungen bis 1756 zurück visualisiert werden können. Unter anderem kann man mit ihr einen Eindruck davon gewinnen, wie lausig kalt es in früheren Zeit mitunter auch im Sommer in der Stadt am Ausgang des Mälaren sein konnte.
So wurde zum Beispiel am 3. Juli 1756 eine Tagesmitteltemperatur von 7,6 Grad Celsius verzeichnet und ein Monat später am 3.August auch nur bescheidene 8,5 Grad Celsius.
Aber um noch kurz auf den ausgehenden Winter zurück zu kommen: Helsinki vermeldet den ersten Januar und Februar ohne Schnee seit Beginn der Aufzeichnungen vor etwa 110 Jahren und die in Bremen aufgearbeiteten Satellitendaten zeigen, dass der Finnische Meeresbusen, der Meeresarm, an dem die Stadt liegt, völlig eisfrei ist.
Das ist fast ebenso ungewöhnlich. Normalerweise müsste das Meer zwischen Finnland, Estland und dem russischen Oblast Leningrad zu dieser Jahreszeit noch gefroren sein. Aber selbst weiter im Norden, im Bottnischen Meeresbusen findet sich nur sehr wenig Eis, das sich zudem auch erst recht spät gebildet hat.