Annäherung zwischen Beijing und Hanoi
China und Vietnam vereinbaren gemeinsame Ausbeutung von Bodenschätzen in umstrittenen Gewässern
In Ost- und Südostasien sind Baselines_of_Eastern_Asia_English.png: viele Seegrenzen höchst umstritten. Zum Teil geht es um die Grenzen der Ausschließlichen Wirtschaftszonen außerhalb der Hoheitsgewässer, meist aber auch um Hoheitsrechte, und natürlich immer um nationales Prestige und vor allem Bodenschätze und Fischereirechte.
Hierzulande werden meist die Konflikte Chinas mit seinen Nachbarn wahrgenommen. Im März hatte zum Beispiel ein chinesisches Kriegsschiff einen vietnamesischen Fischkutter in umstrittenen Gewässer aufgebracht, was in Vietnam zu antichinesischen Straßenprotesten führte. Auch der Streit mit Japan um die Senkaku- bzw. Diaoyu-Inseln schafft es von Zeit zu Zeit in die Schlagzeilen hiesiger Zeitungen. Dabei wird allerdings gerne übersehen, dass die Inseln auch von Taiwan beansprucht werden, und Japan andererseits auch mit den beiden Koreas sowie mit Russland Grenzstreitigkeiten hat. Noch komplizierter ist die Lage im Südchinesischen Meer, wo sich Vietnam, Brunei, Malaysia, die Philippinen, Taiwan und die VR China um verschiedene unbewohnte Inselgruppen streiten.
Die chinesische Führung hat sich in diesem Streit einerseits durch aggressive Rhetorik ausgezeichnet, zeigt jedoch andererseits einen äußerst pragmatischen Ansatz, wie einmal mehr letzte Woche deutlich wurde. Bei einem Besuch in Vietnams Hauptstadt Hanoi unterzeichnete Chinas neuer Premierminister Li Keqiang ein Abkommen über die gemeinsame Ausbeutung von Erdöl- und Erdgasfeldern in den ebenfalls umstrittenen Küstengewässern im Golf von Tonkin. Ein ähnliches Abkommen für ein umstrittenes Archipel im Südchinesischen Meer gibt es bereits seit kurzem mit Brunei. Wie in den Beziehungen zu Indien, mit dem es ebenfalls einen Grenzdisput gibt, versucht China die wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen und die strittigen Fragen zu vertagen.
Aber auch an diesen wird weiter gearbeitet: Beijing hat in Verhandlungen mit der Südostasiatischen Allianz ASEAN über einen Verhaltenskodex im Südchinesischem Meer eingelenkt. Dieser könnte künftig militärische Konfrontationen, wie sie sich in letzter Zeit gehäuft haben, verhindern. Greifbare Ergebnisse haben die Gespräche allerdings noch nicht gebracht, und verkompliziert werden sie durch Versuche Japans und der USA, den Konflikt für ihre Interessen auszunutzen.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der Widerspruch zwischen Chinas pragmatischem Vorgehen und der aggressiven Rhetorik. Letztere richtet sich vor allem an das heimische, reichlich nationalistische Publikum. Ein Nachgeben gegenüber japanischem oder US-amerikanischem Druck kann sich keine chinesische Regierung erlauben.