Aus Protest gegen Sparmaßnahmen nur Notdienst beim Filmfestival
Die Filmschaffenden eines der bedeutendsten europäischen Filmfestivals haben sich dem Generalstreik im Baskenland angeschlossen
Während der griechische Generalstreik am Mittwoch viel Beachtung fand, blieb der große Streik im Baskenland gestern in deutschen Medien weitgehend unbeachtet, auch wenn die Beteiligung erneut riesig war. Deshalb waren viele lange Gesichter im baskischen Donostia-San Sebastian zu sehen. Statt sich zum 60. Filmfestival Zinemaldia die Neuvorstellungen anschauen zu können, schauten viele Besucher wegen eines Generalstreiks im Baskenland schlicht in die Röhre. Nur ein "Minimaldienst" sorgte dafür, dass die Aufführungen im großen "Kursaal" stattfinden konnten. Die übrigen Aufführungen bei dem bedeutenden europäischen Filmfestivals wurden abgesagt. Ohnehin hatte sich das Festival mit den Streikenden solidarisiert.
Die Kulturschaffenden in ganz Spanien sind entsetzt darüber, dass für Kino- und Theaterkarten seit dem ersten September statt der verminderten 8% nun sogar die erhöhte Mehrwertsteuer von 21% anfallen. Nur der Stierkampf, der von der rechten Regierung sogar noch stärker subventioniert wird, und der Fußball profitieren weiter vom reduzierten Steuersatz. Sonst hätte wohl niemand mehr die ohnehin leeren Arenen besucht und neben Banken hätten demnächst auch die Mehrzahl der hoch verschuldeten Profi‑Vereine noch schneller als in den prophezeiten fünf Jahren abgewickelt werden müssen.
Doch für Spektakel war ohnehin gesorgt. Während sich hinter den Kursaal am Strand vom starken Westwind getrieben hohe Wellen auf den Strand warfen, standen erstaunte Besucher im strahlenden Sonnenschein auf dem roten Teppich am Eingang zum Glaspalast. Von dort schauten sie auf die Wellen, die tausende und tausende Demonstranten bildeten, die vorbei am Kursaal in Richtung Altstadt wogten.
Enttäuscht zeigten sich viele aber, dass ausgefallene Vorführungen in der kulinarischen Hochburg nicht mit den berühmten "Pintxos", baskischem Apfelwein und gutem Wein, vornehmlich "Txakoli", kompensiert werden konnten. Denn auch die zahllosen Bars und Restaurants blieben allesamt geschlossen. "Das habe ich noch nie erlebt", sagte François Lacroix gegenüber Telepolis. Der Franzose ist aus Paris zum Festival angereist. In Sachen Streik ist der 58-Jährige einiges gewohnt. "Dass bis auf die Minimaldienste der Bahnen fast nichts mehr geht und noch dazu alles völlig friedlich ist, hätte ich gerade hier im Baskenland nicht erwartet."
Er fühlt sich zwar um zwei Filme beraubt, die er anschauen wollte, aber dennoch um eine wichtige Erfahrung reicher. "Mein Bild von gewalttätigen Basken wurde gründlich zurecht gerückt", sagte er, nachdem er mit Streikenden in der Altstadt debattiert hatte. Ihn beeindruckte die festliche Stimmung, bei gleichzeitig großer Entschlossenheit, mit der gegen die massiven Einschnitte im Sozialsystem protestiert wurde. Die Ablehnung der Politik aus dem fernen Madrid sei sehr greifbar, erklärte er.
"Wenn wir nicht aufstehen, machen sie uns fertig"
Auch beim fünften baskischen Generalstreik seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 war die Beteiligung in der Provinz Gipuzkoa, zu der das Seebad gehört, besonders groß. Die Stadt und die Provinz ist eine Hochburg der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung, die beide regiert. Es waren vor allem die Gewerkschaften, die sich auch für ein unabhängiges Baskenland einsetzen, die erneut zum Streik aufgerufen hatten.
Mit dem zweiten Generalstreik seit Jahresbeginn setzen sie weiter auf die Mobilisierung der sozialen Basis, um den "neoliberalen Durchmarsch" zu stoppen. Der sei von der rechten spanischen Regierung weiter beschleunigt worden sei, nachdem die Volkspartei (PP) im vergangenen November die Wahlen gewonnen hat. "Ohne die Mobilisierung der Bevölkerung ist nichts zu machen, man überlässt ihnen den Raum in dem sie entscheiden und tun, was sie wollen." Mit diesen Worten hatte Adolfo Muñoz die Bevölkerung zum Streik aufgerufen. Der Generalsekretär der großen Gewerkschaft ELA, fand klare Worte: "Wenn wir nicht aufstehen, machen sie uns fertig."
Dem Aufruf, "in der gemeinsamen Aktion die Angst zu besiegen", die allseits verbreitet werde, sind die Basken in Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) und in der Provinz Navarra stark gefolgt, die historisch zum Baskenland gehört. Unterstützt wurden die baskischen Gewerkschaften erneut von kleineren anarchosyndikalistischen spanischen Gewerkschaften. Anders als im März, als sie gegen die Arbeitsmarktreform zum Streik aufriefen, mit der der Kündigungsschutz praktisch beseitigt wurde, schlossen sich die beiden großen spanischen Gewerkschaften diesmal nicht an.
Mit dem ELA-Chef forderte auch die Chefin der kleineren Gewerkschaft LAB die Politiker im Baskenland auf, sich der Politik aus Madrid "entgegenzustellen". Auf einer riesigen Demonstration in der Metropole Bilbao rief sie Ainhoa Etxaide zu "zivilem Ungehorsam" auf. Diese Worte richteten sich vor allem an spanische Sozialisten, die im Baskenland 2009 mit Unterstützung der rechten spanischen Volkspartei (PP) an die Regierung kamen, weil zuvor alle baskischen Linksparteien verboten worden waren. Wer sich als "politische Alternative" darstellen will, müsse sich der PP-Politik eindeutig verweigern, sagte Muñoz.
Man müsse sich einer Regierung verweigern, die das Gegenteil von dem mache, was sie versprochen hat. Sie warnten, nach massiven Steuererhöhungen, Einschnitten ins Bildungs- und Sozialsystem oder Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst würden nun im Madrider Parlament mit dem Haushalt 2013 neue Einschnitte kommen. Das "Finanzkapital" soll beruhigt werden, dem sich die "Politik komplett untergeordnet hat", sagte Etxaide.
Nach den vorgezogenen Regionalwahlen im Baskenland und in Galicien im Oktober werde es auch Rentenkürzungen geben, auch wenn die PP das dementiere. Am 21. Oktober sind auch wieder baskische Linksformationen zugelassen. Es wird erwartet, dass die Linkskoalition "EH Bildu" (Baskenland sammeln) zur stärksten Kraft im Parlament von Vitoria-Gasteiz wird. Denn wie in Katalonien ist auch im Baskenland die Unabhängigkeitsbewegung zur kritischen Masse geworden, nachdem sie die bewaffnete Organisation ETA zur Aufgabe ihres Kampfs gezwungen hat.