BILD: Dobrindt kein Trottel
Julian Reichelt will "Frechheiten ausradieren"
BILD-Chef Julian Reichelt twittert diese Woche in Hochform. So kabbelte sich der mächtige Journalist mit der Redaktion von RTdeutsch, die Reichelt zum "Fake News-Meister 2017" ausrief. Ohne den Twitter-Support des Boulevard-Strategen hätten das vermutlich nur wenige zur Kenntnis genommen. Bereits vor Jahren lieferte Reichelt den Russen eine Arbeitsprobe seines Temperaments.
Nunmehr erregte sich Chefreaktionär Reichelt über einen Spott des Gag-Schreibers Micky Beisenherz, der ein Foto des Herrn Dobrindt mit dem Slogan Der Trottel trägt Prada versah. Erbost warf sich Reichelt für den CSU-Mann in die Bresche und twitterte heldenhaft:
„Trottel“ ist eine Beleidigung. Beleidigung ist laut @HeikoMaas nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Der Justizminister muss hier. Um den Staat zu bewahren, müssen solche Frechheiten ein für allemal ausradiert werden.
Fraglich ist zunächst, was Reichelt mit "muss hier" meinte: Musste der Minister mal "müssen"? Oder hat Reichelt den Satz etwa vertrottelt? Die Bezeichnung "Trottel" ist allerdings bei BILD gang und gäbe. Wohl nur ein Trottel würde im Glaushaus ... Bedenklicher erscheint allerdings die Wortwahl "ausradiert", denn solche Formulierung wählte einst ein Trottel bei seiner historischen Rede im Sportpalast.
Zurück zum hysterischen Redner: Frechheiten - und das sollten eigentlich alle Trottel wissen, die von BILDBlog überwacht werden - sind durchaus von der Meinungsfreiheit gedeckt. Und wer Kritik auf sich zieht und Berufe wie den des Politikers ergreift, muss halt etwas abkönnen. Nicht alles. Aber einiges. Allein Dobrindts zweifelhafte Rolle in der CSU-Medienaffäre bietet für das T-Wort hinreichend Anhaltspunkte, denn der Partei war Einflussnahme auf das ZDF nachgesagt worden. Und da schließt sich der Kreis, denn das ZDF produziert die heute-Show, für die Beisenherz Gags schreibt.
Für seine interessante Meinung, Beleidigungen seien nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, beruft sich Reichelt ausgerechnet auf Noch-Justizminister Heiko Maas, dessen Rechtskenntnisse als überschaubar gelten. Und auch dem Reichelt-Vorbild geht schon einmal ein Idiot durch.
Besser wäre Reichelt bei seiner hauseigenen Rechtsabteilung beraten, wo man die Grenzen zulässiger Äußerungen seit Jahrzehnten vor Gericht austestet. Dort weiß man, dass die Einordnung einer Formulierung etwa als Beleidigung nicht schematisch, sondern wertend geschieht.
Die Bezeichnung "Trottel" soll übrigens einer Theorie nach von Trottoir abgeleitet sein. Vom Trottoir zum Boulevard ist es nur ein kleiner Schritt. Sollte Dobrindt die BLÖD-Zeitung lesen, wird man ihn mit einiger Sicherheit als Trottel bezeichnen dürfen.
UPDATE: Reichelt hatte seinen Tweet offenbar ironisch gemeint. Offenbar muss die Geschichte der BILD-Zeitung nun neu bewertet werden.
(Der Autor ist Fachanwalt für Medienrecht.)