Barcelona hat "keine Angst"
Eine halbe Million Menschen haben sich in Barcelona gegen Terror, Hass und Islamophobie gewandt
Mehr als eine halbe Million Menschen haben sich gestern allein in der katalanischen Metropolie Barcelona versammelt, um den Opfern des Terrorismus zu gedenken und den Terroristen zu zeigen, dass sie ihr zentrales Ziel verfehlt haben. "Ich habe keine Angst", lautete das Motto, unter dem sich Menschen aus allen sozialen Schichten und Religionen versammelt haben, um Friedenssignal zu senden.
Gut eine Woche war es her, als Barcelona vom islamistischen Terror heimgesucht wurde und dabei 16 Menschen getötet wurden (ein deutsches Opfer erlag am heutigen Sonntagmorgen seinen Verletzungen). Kurz danach versuchte es die Terrorzelle in Cambrils, wo der Anschlag weitgehend verhindert werden konnte, aber eine Frau ermordet worden ist.
Die katalanische Regierung und die Bürgermeisterin der Stadt hatten entschieden, einen Schritt zurückzutreten. Es sollte die Zivilbevölkerung sein, die den Marsch anführen sollte. Feuerwehrleute, Sanitäterinnen, Taxifahrer… alle, die nach den Anschlägen sofort und spontan geholfen haben, trugen das Fronttransparent. Politiker mussten sich weiter hinten einfinden, wie auch der spanische König Felipe und spanische Regierungschef Mariano Rajoy.
"Wer Frieden will, verkauft keine Waffen"
Beide hatten keinen gestern keinen leichten Stand, denn sie wurden ausgepfiffen und ausgebuht. "Felipe, wer Frieden will, verkauft keine Waffen", oder "Mariano, wir wollen Frieden, keine Waffenverkäufe" wurden dem Bourbonenkönig und dem konservativen Regierungschef auch Spruchbänder entgegengehalten.
Bekannt ist, dass der spanische König freundschaftliche Beziehungen zum Königshaus in Saudi-Arabien pflegt und Spanien auch viele in ein Land verkauft, das radikale Salafisten massiv unterstützt und mit den Waffen Krieg im Jemen führt.
Zahlreiche Muslime unter den Demonstranten
Unter den Demonstranten waren auch zahllose Muslime, die gegen die Terroristen demonstrieren. "Diese Mörder repräsentieren uns nicht", erklärt eine Teilnehmerin und fügt an, dass die Terroristen "nicht gegen uns durchkommen werden". In Barcelona waren auch Angehörige der jungen Terroristen, die getötet wurden oder nun im Knast sitzen.
Auch sie wollten klarstellen, dass die Anschläge nicht in ihrem Namen durchgeführt wurden und wollten sich gleichzeitig gegen eine aufkommende islamophobe Welle in Spanien wenden. Auch Salh el Karib aus Ripoll demonstrierte in Barcelona. Aus der Kleinstadt Ripoll stammte die Mehrzahl Attentäter und er selbst wurde als Verdächtiger festgenommen, ist aber die Tage wieder freigelassen worden. Auf seinem Schild stand: "Wir alle sind Barcelona."
Während die Mutter des verhafteten Driss Oubakir und des getöteten Moussa Oubakir mit den Bewohnern der Kleinstadt Ripoll in ihrer Heimatstadt gegen den Terror demonstrierte, wandte sich die Schwester unter Tränen auf der Abschlusskundgebung dort an ihre Nachbarn. "Wir müssen gemeinsam dafür arbeiten, damit so etwas nicht wieder geschieht", sagte Hafida Oukabir, die die "perversen Ansichten" verurteilt hat.
Ein Ziel müsse es sein, dass Einwanderer wie ihre Brüder sich in Katalonien zu Hause fühlen und "jede radikale oder extremistische Einstellung zurückweisen". Sie machte auf ein "Problem" aufmerksam, "das nicht versteckt werden darf".
Kritik am spanischen Staat
In Ripoll wie in Barcelona tauchte aber auch massive Kritik am spanischen Staat und dessen Sicherheitskräften auf. "Wir haben uns vom spanischen Staat in den letzten Tagen allein gelassen gefühlt", sagt Jordi Duc in Barcelona. "Wenn unsere Regionalpolizei Mossos d'Esquadra direkten Zugang zu den Daten der Europol gehabt hätte, dann hätte man das Attentat vielleicht verhindern können", erklärt er gegenüber der Deutschen Welle.
Denn die spanische Zentralregierung hatte die Zusammenarbeit mit der Regionalpolizei auch in Terrorismusfragen eingeschränkt, dann aber versucht, ihr Schuld zuzuschieben.
Dabei, so haben auch spanische Sicherheitskräfte eingeräumt, waren Daten über den Kopf der Zelle, der als radikaler Islamist bekannt war, inihren Datenbanken gespeichert. Hätten die Mossos Zugriff darauf gehabt, hätten sie auch auf eine Anfrage aus Belgien, wo der Imam zwischenzeitlich war, anders antworten können, als zu sagen, dass gegen ihn nichts vorlag.
Denn Abdelbaki Es Satty saß nicht nur wegen Drogenhandel im Knast, sondern war sogar mit einem der Madrid-Attentäter befreundet, die 2004 sogar 191 Menschen ermordet hatten. Seit 2003 tauchte sein Name immer wieder in Ermittlungen um radikale Islamisten auf, doch die Informationen wurden der katalanischen Polizei vorenthalten.
"Der Freiheit verpflichtet"
Die Bürgermeisterin der katalanischen Metropole zieht ein sehr positives Resümee aus der gestrigen Demonstration: "Danke an alle, die Barcelona gestern mit Hoffnung gefüllt und an die Welt eine mächtige Friedensbotschaft gesendet haben", erklärte Ada Colau. Der Präsident der Regionalregierung meinte, man solle die Pfiffe gegenüber Rajoy und Felipe nicht überbewerten und erinnerte daran, dass die "Meinungsfreiheit über allem steht".
In einem Beitrag für die Tageszeitung La Vanguardia spricht Puigdemont davon, dass die "menschliche Gemeinschaft" durch Anschläge auf die Probe gestellt werde. Doch man werde die Prioritäten nicht wegen einiger "krimineller Mörder" ändern.
Egal was geschehe, werde Katalonien stets der Freiheit gegenüber verpflichtet sein. Man gehöre zu den Gesellschaften, die sich bewusst darüber sind, "dass die Freiheit zu Hause auch von der Freiheit des Nachbarn abhängt." Also auch dort die Menschen in Freiheit unter Wahrung der Menschenrechte leben könnten.