Berlin: Rechte nicht willkommen
Ein von Pegida-Männern dominierter Frauenmarsch stieß am Samstag auf erheblichen Protest
Die Berliner Friedrichstraße ist eine besondere Straße, die wie kaum eine andere die Vielfältigkeit und die Widersprüche der deutschen Hauptstadt abbildet. Sie beginnt nördlich der Spree unweit der Neuen Synagoge mit ihrer in der Sonne glitzernden Kuppel in einer Ecke, aus der die Immobilienwirtschaft inzwischen die einst lebendige Kultur weitgehend verdrängt hat.
Sodann quert sie die Spree am bekannten Bahnhof gleichen Namens und kreuzt die Straße Unter den Linden, wo sie sich in eine Protzmeile sondergleichen verwandelt und das bestens situierte Publikum in den Schaufenstern Bougattis betrachten kann. Lang ist es her, dass hier das "Haus der Demokratie" residierte, in den bewegten Wendezeiten das Zentrum der Ostberliner Opposition.
Immer schnurgerade geht es von hier weiter Richtung Süden, vorbei an der Rudi-Dutschke Straße, in der die tageszeitung residiert, und am "Checkpoint Charlie", dem bekanntesten der einstigen innerstädtischen Grenzübergänge zwischen Ost und West, an dem heute sieben Tage in der Woche Horden von Touristen aus aller Welt allerlei nostalgisierenden Kitsch (made in China) erwerben.
Die Straße endet schließlich am Mehringplatz in Kreuzberg inmitten einer gelungenere Variante der architektonischen Hinterlassenschaften der 1960er und 70er Jahre.
Ausgerechnet diesen Ort, eine Hochburg des sozialen Wohnungsbaus und ein Zentrum der migrantischen Bevölkerung der Spree-Metropole, hatte sich am Samstag der AfD-nahe "Marsch der Frauen" als Auftaktort seines Aufzugs gegen muslimische Männer ausgesucht. Gekommen waren allerdings weniger Frauen als mehrheitlich ältere Männer, die mit ihren Pegida- und Deutschlandfahnen ihr Ressentiment den Anwohnern entgegen schleudern wollten.
Hinter Polizeiabsperrungen versammelten sich nach unterschiedlichen Angaben 500 bis 700 Menschen, bestaunt von Frauen mit und ohne Kopftuch, die aus den Fenstern zum Teil ungläubig, zum Teil empört auf die Veranstaltung herab blickten.
Ebenfalls gekommen war ein buntes Völkchen von jungen und alten Feministinnen, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Gewerkschafter, Jusos, die Linkspartei und diverse andere Gruppen, um gegen den rechten Aufzug zu demonstrieren.
Eine kurdische Fahnen wurde gezeigt, auch einige der türkisch-kurdischen Partei HDP – interessant deshalb, weil die Demo-Anmelderin und AfD-Frau Leyla Bilge mit ihren kurdischen Eltern kokettiert.
Ein junger Mann hatte sich eine israelische Fahne umgehängt und hielt ein Schild mit einem AfD-Politiker hoch. Der war in einer Pose abgebildet, die ganz dem Hitlergruß ähnelte. Darunter stand "Nie wieder!" Viele Teilnehmer des Gegenprotestes waren sehr jung.
Die Rechten kamen schließlich nicht viel weiter als einen Kilometer. Trotz zahlreicher Polizeisperren war es den Antifaschisten gelungen, die Friedrichstraße am "Checkpoint Charlie" zu blockieren. Die Polizei verzichtete auf Eskalation, vermutlich auch wegen der zahlreichen Touristen, die sich dort teils als Neugierige, teils aus Überzeugung unter die Protestierenden gemischt hatten.
Die Veranstalter der Proteste sprachen von 3000, die sich an verschiedenen Orten den Rechten entgegenstellten.
Das erscheint nicht unrealistisch, aber wegen der sehr unübersichtlichen Lage mit Gegenkundgebungen an verschiedenen Enden und Flanken des Aufmarsches und der vielen Passanten ließ sich das kaum überprüfen.
Wie dem auch sei, dem Anschein nach waren die meisten Teilnehmer recht zufrieden, ein Zeichen für ein friedliches Zusammenleben gesetzt und den rechte Aufzug weitgehend verhindert zu haben.