Brewing Bad
Der technische Fortschritt und die Absurdität der Drogenverbotspolitik
In den weltweiten Untergrundlabors brodelt es. Was wäre, so fragt man sich neuerdings, wenn man auf den kosten- und zeitintensiven Rohstoffanbau verzichten könnte? Wenn man den gesamten Drogen-Produktionsprozess enorm vereinfachen könnte?
Der Grund für die Aufregung sind Schlagzeilen aus den vergangenen Wochen, die auf eine Reihe von Experimenten hinwiesen, die im renommierten Fachblatt Nature veröffentlicht wurden. Darin zeigte ein Team um John Dueber von der University of California, dass sie Hefezellen so manipulieren können, dass diese aus Zucker den Schlafmohn-Bestandteil Reticulin produzieren. Reticulin ist Vorstufe zahlreicher Opiate wie Morphium oder Codein. Vor einiger Zeit hatte Dueber bereits gezeigt, wie man aus Reticulin wiederum mit Hilfe gentechnisch veränderter Hefe Morphium herstellen kann. Man geht davon aus, dass es nur noch wenige Jahre dauern wird, bis beide Reaktionsteile in einem Hefestamm genutzt werden können.
Wird in naher Zukunft die Heroinherstellung zum einem Prozess ähnlich simpel wie das Bierbrauen? Wohl nicht. Das Einbringen von Fremd-DNA in Zellen wäre selbst für Walter White kein Kellerspiel, dafür bedarf es auch auf lange Sicht noch technisches Equipment, welches nur gut ausgestatteten Forschungsabteilungen an Universitäten und der Pharma-Industrie zur Verfügung steht.
In einem Kommentar zur Studie sahen sich die Politikprofessoren Kenneth A. Oye und J. Chappell H. Lawson gleichwohl bemüßigt, schon jetzt nach einer Regulierung für "home brew" Opiate zu rufen. Eine Maßnahme müsse sein, bestimmte Hefestämme für illegal zu erklären.
Der Verbotsreflex ist die übliche Reaktion, trotz der mittlerweile weithin als gescheitert interpretierten Drogenverbotspolitik. Der technische Fortschritt zeigt seit über einen Jahrzehnt auf die Absurdität der Bemühungen hin, über die Illegalität die vorausgesetzten Konsumprobleme zu lösen. Die Spice-Affaire und andere Phänomene rund um die Research Chemicals beweisen die Flexibilität des globalen Marktes.
Jüngstes Zeichen der Verzweiflung, dieser Entwicklung doch noch durch die alten Methoden Herr zu werden, ist ein Gesetzesentwurf der britischen Regierung, alle Substanzen zu verbieten, die einen psychoaktiven Effekt erzeugen können. Hintergrund: Mittlerweile ist die Liste der verbotenen Substanzen so lang, dass man sich darauf verlegen will zu benennen, was nicht verboten ist. Man will verbieten:
“[any] substance [that] produces a psychoactive effect in a person if, by stimulating or depressing the person’s central nervous system, it affects the person’s mental functioning or emotional state.”
Die Ausnahmen sollen wie üblich die gefährlichen Drogen Alkohol, Nikotin und Arzneimittel umfassen. Aber der Witz wird noch besser. In einem Brief fragt Innenministerin Theresa May beim Advisory Council on the Misuse of Drugs an, wie man denn wissenschaftlich gehärtet feststellen könne, ob eine Substanz psychoaktiv sei. Bei allem Fortschritt gibt es dafür nur einen Weg: Jemand muss sie nehmen. Die Stoffklassen helfen nicht immer weiter, strukturell sehr ähnliche Substanzen können ganz unterschiedliche Effekte habe, Tierversuche sind hier sinnlos. Wer meldet sich freiwillig?