Captain Snowden und die deutsche Souveränität
Der Linke Gysi und der Grüne Ströbele zeigen sich in der Debatte um Snowden und die Geheimdienste nicht politisch genug
Wenn man das Verhältnis zwischen Linkspartei und Grünen nach dem Ablauf einer Podiumsdiskussion beurteilen sollte, die am Donnerstagabend in Berlin stattfand, wären volle Übereinstimmung und Harmonie die richtigen Begriffe. Das lag allerdings an den Diskutanten und an der Thematik. Auf Einladung des Bildungsvereins Helle Panke diskutierten Christian Ströbele und Gregor Gysi unter dem Motto "Captain Snowden gegen NSA, BND und für eine Welt ohne Geheimdienste?".
Moderiert wurde das Gespräch von Constanze Kurz vom Chaos Computer Club. Wirkliche Kontroversen suchte man bei der Debatte vergeblich, was nicht verwunderlich ist. Ströbele hat schließlich bei den Grünen aus seinen Präferenzen für ein Bündnis mit der Linkspartei nie Hehl gemacht und deren Fraktionschef Gysi nutzt jede Gelegenheit, um seine Partei als bündnisfähig darzustellen.
Zudem kann man in der Causa Snowden zwischen den Positionen der beiden Parteien kaum Unterschiede entdecken. Das wurde bei der gut besuchten Veranstaltung in Berlin schnell deutlich und war auch etwas bedauerlich. Nicht nur, weil es schnell langweilig wird, wenn sich die Diskussionspartner gegenseitig die Bälle zuspielen und vom Großteil des Publikums durch Applaus unterstützt werden.
Auch inhaltlich fehlte eine Position, die sich gegen die Überwachung aller Geheimdienste wendet, ohne ständig die deutsche Souveränität Deutschlands anzumahnen und der Bundesregierung und den politisch Verantwortlichen in Deutschland vorzuwerfen, sie hätten nicht genügend Mut, in Washington deutsche Interessen selbstbewusst zu vertreten.
Ströbele und Gysi traten geradezu in einen Wettbewerb darüber, wer von beiden besonders häufig der Bundesregierung Feigheit vor den USA vorwirft und wer dafür neue Begriffe kreiert. Gysi fühlte sich bestätigt von den vielen positiven Zuschriften, die er nach einer Parlamentsrede im Herbst letzten Jahres aus der deutschen Bevölkerung erhalten hat.
Er wurde auch nicht nachdenklich darüber, dass er in vielen der Zuschriften aus der Bevölkerung gelobt wurde, endlich für die Souveränität Deutschlands eingetreten zu sein. Der Überwachungsaspekt habe hingegen eine geringe Rolle bei den Briefeschreiben gespielt. Zumindest in der Debatte hat sich Gysi nicht gefragt, ob er nicht mit diesem nationalen Souveränitätsthema politische Geister zum Leben erweckt, die etwas ganz anderes als eine Welt ohne Geheimdienste bezwecken.
Keine politische Debatte
Nur wurde mit diesen Begriffen die Debatte um Snowden und die Geheimdienste eher entpolitisiert. Wenn die Frage, warum die politisch Verantwortlichen sich in der Causa Snowden nicht konfrontativ gegenüber den USA verhalten, zu einer Sache des Mutes oder der Feigheit von Politikern oder der Souveränität Deutschlands erklärt wird, kann man sich ersparen, über die Kooperation und die Arbeitsweise von international agierenden Geheimdiensten zu sprechen und dabei ausdrücklich auch die deutschen Dienste mit in den Blick zu nehmen.
Ist das Agieren der Politiker in Deutschland nicht viel plausibler damit zu erklären, dass sie genau wissen, dass die deutschen Geheimdienste nicht anders als die NSA agieren, dass sie vielleicht nur noch weniger Möglichkeiten haben, ihre Tätigkeit so flächendeckend umzusetzen? Wenn man das Agieren der NSA und anderer Geheimdienste als Souveränitätsproblem behandelt, kann man die Mechanismen der Geheimdienste nicht wirklich erklären. Das wurde bei der Diskussion sehr deutlich.
Obwohl die NSA eine so wichtige Rolle für die Debatte spielte, wurde über deren Agieren kaum diskutiert. Damit bewegten sich die Diskutanten ganz im Mainstream der Debatte über Snowden und die NSA. Insofern war sie keine Überraschung, es war nur schade, dass nicht auch ein Kritiker der NSA-Debatte anwesend war.
Nur gelegentlich gab es auf der Veranstaltung einige kurze Statements, die die sich vom Lamento über die deutsche Politik, die gegenüber den USA zu unterwürfig sei, unterschieden. So erinnerte Gysi daran, dass es nach 1945 für die Alliierten der Anti-Hitlerkoalition gute Gründe gab, kein Vertrauen in die deutsche Politiker und Bevölkerung zu setzen.
Wenn er aber sofort betont, dass es dafür heute keinen Grund mehr gibt, weil Deutschland und die USA schließlich auch Kriege gemeinsam führen, verfällt er in Populismus. Denn die Devise "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" gilt auch für verbündete Staaten.
Dienten Überwachungsdaten für Drohnenangriffe?
Einige der angeschnittenen Fragen sollten weiter erörtert werden. So waren beide Politiker bisher nur auf Vermutungen angewiesen, wenn es um die Frage geht, ob die gesammelten Daten auch für Drohneneinsätze genutzt worden sind. Es gibt da wohl einige Hinweise, aber keine gesicherten Fakten.
Viel spekuliert wurde an dem Abend auch, ob Snowden nun doch noch in Berlin vor dem Untersuchungsausschuss persönlich aussagen wird. Gysi ist eher skeptisch, weil er der Bundesregierung soviel Mut und Deutschland soviel Souveränität nicht zutraut. Ströbele gibt sich nach Außen zumindest optimistischer.
Schließlich ist die Causa Snowden die Krönung seiner politischen Karriere, die ihm internationale Bekanntheit ermöglichte. Nun will er den Fall so lange wie möglich auskosten. So strebt er eindeutig eine juristische Auseinandersetzung über die Einreise Snowdens an.
Es sei ein Erfolg der öffentlichen Diskussion, dass kurz vor der Europawahl keine Partei Snowden ignorieren kann, meinte Ströbele. Nun hat sich zumindest die Unionsabgeordnete Erika Steinbach sehr klar geäußert, als sie per Twitter mitteilte, Snowden könnte ruhig nach Deutschland kommen und werde danach an die USA ausgeliefert. Dabei ist diese Unionsrechtsaußen eine Vorkämpferin für Deutschlands Souveränität, aber auch eine Law and Order-Politikerin, die die Snowdens dieser Welt am liebsten hinter Gitter sieht.
Auch auf der Diskussionsveranstaltung spielte die Frage, ob es überhaupt jemand verantworten kann, Snowden nach Deutschland einzuladen, eine große Rolle. Ströbele musste schließlich einräumen, dass er nicht ausschließen kann, dass er ausgeliefert wird, wenn er nach Deutschland kommt. Letztlich müsse er selber entscheiden, ob er die Gefahr auf sich nimmt.