Central Ikarus Agency

Bild: CIA/YouTube-Kanal

CIA gibt Geheimdokumente zu fliegendem Ungeziefer frei

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Der US-Geheimdienst CIA hat nach vier Jahrzehnten Dokumente zur Entwicklung von Miniflugkörpern veröffentlicht, deren Konzeption selbst Q aus den James Bond-Filmen vermutlich albern gefunden hätte. So baute die CIA allen Ernstes u.a. eine Libelle, um eine "Wanze" zum Ziel und wieder zurückzufliegen.

Die Existenz des geheimen Drohnenprogramms der CIA war schon länger bekannt, auch das als Dragonfly bekannte Fluginsekt präsentierte die CIA 2014 auf ihrem YouTube-Kanal. Doch nun gelang es Historikern endlich, den Großteil einer CIA-internenDokumentation über das fliegende künstlichen Ungeziefer freizuklagen.

Bruchpiloten

Bereits Mitte der 1960er Jahre hatte die CIA mit der Entwicklung von Drohnen kurzer Reichweite begonnen, um Spionageflüge mit Kameras zu ermöglichen, die preiswerter und praktischer als der Höhenaufklärer U2 waren. Zunächst versuchte man es mit der als Vogel getarnten Drohne Aquiline.

Nachdem Versuche mit ferngesteuerten Modellen am Ungeschick der Piloten gescheitert waren, suchte die CIA im örtlichen Modellflugclub nach fähigen Talenten. Mehr Glück hatte man mit dem ungetarnten Nachfolgemodell Axillary, das über einen selbst gefertigten Autopiloten verfügte.

Die freigeklagte Dokumentation verrät den Bedarf an entsprechender Luftaufklärung, die auch unterhalb einer für das Auge der U2 undurchdringlichen Wolkendecke möglich sei. So interessierte sich die CIA für sowjetische Aktivitäten auf Kuba, die es auch Mitte der 1970er Jahre gegeben habe. Leider hat die CIA mehrere Seiten noch immer zensiert, so dass nicht beurteilt werden kann, welche schrägen Vögel die US-Spionage auf die Zuckerinsel schickten oder dies versuchten.

Die CIA rekrutierte in den 1980er Jahren den Solarpionier Paul McCrady, der eine Drohne mit 60 m Spannweite entwickeln sollte, die dank Sonnenenergie tagelang in der Luft bleiben wie die U2 eine Flughöhe von 21.000 m erreichen sollte. Zunächst wurde eine kleine Variante gebaut, die 3.000 m, die ihren Jungfernflug perfekt absolvierte und ihre Daten zum Boden funkte. Trotzdem blieb die Leistungsfähigkeit hinter den Erwartungen zurück.

Tierisches

In den 1970ern experimentierte die CIA auch mit anderen Transportsystemen für ihre Spionagegeräte. So hatte man Abhörtechnik in lebende Katzen eingebaut (Abhör-Katze), die man dem russischen Botschafter unterjubeln wollte und konstruierte mechanische Ratten und fahrende Miniroboter. Innovativ war ein UFO-förmiges Gerät, das Hindernissen via Sonar ausweichen konnte.

Ornithopter und Insectothopter

Die CIA interessierte sich für künstliche Fluginsekten des Spielzeugherstellers Mattel und baute eigene Prototypen, deren unruhiger Flug sich jedoch für die Abhörfracht als zu unruhig erwies. Neues Ziel war die Entwicklung eines Flugkörpers, der ein spezielles Mikrofon ins Ziel und wieder zurückfliegen könnte, etwa durch das Fenster der russischen Botschaft oder auf eine benachbarte Parkbank.

Das als Mikrofon vibrierende Teil wurde über einen Laserstrahl ausgelesen, auch der Flugkörper sollte über einen Laserstrahl ins Ziel navigiert werden. Tatsächlich baute die CIA zunächst eine mechanische Hummel und dann eine ruhiger fliegende Libelle. Der Prototyp soll sich wie das Original angehört haben, aber Experimente im Windkanal ergaben eine zu hohe Anfälligkeit für Seitenwinde.

Pacana

Schließlich versuchte es die CIA mit Brieftauben. Bereits in den Weltkriegen hatten Militärs Brieftauben mit mechanischen Fotoapparaten bestückt. Die ersten Experimente der CIA scheiterten an der Eigenwilligkeit der Tierchen, dann aber fand unter den Schlapphüten einen erfahrenen Brieftaubenzüchter. Die CIA nutzte als unauffällige Startpunkte ein Auto und ein Ein-Mann-U-Boot und spionierte zu Testzwecken eigene Navy-Basen aus. Zwar verliefen die Experimente vielversprechend, doch die Spione hatten Schwierigkeiten beim Training mit den Tauben.

Wels

Bevor die CIA brauchbare Flugdrohnen hatte, war der Kalte Krieg bereits zu Ende. In den 1990er Jahren erweiterte die CIA ihr Angebot um einen Roboterfisch, der als Wels getarnt wurde. Ob das Programm tatsächlich zum Einsatz kam, bleibt unklar.

Die Frühgeschichte der unbemannten CIA-Flüge blieb dementsprechend eine skurrile Episode des Kalten Kriegs, die ebenso wenig zu brauchbaren Ergebnissen führte wie die Forschung der berühmten Fledermausbombe des US-Militärs im Zweiten Weltkrieg. Nachdem Fledermäuse mit Brandsätzen nicht das Ziel anflogen, sondern stattdessen das Auto eines Generals in Brand setzten, war das Projekt vorzeitig eingestellt worden.

Legacy

Während die eher skurrilen Flugversuche der CIA eingestellt wurden, entwickelte die Rüstungsindustrie seit den 1980er Jahren Aufklärungsdrohnen für militärische Zwecke, allerdings beutend größer. Seit 2002 sind diese auch mit Hellfire-Raketen bestückt. Bedient werden sie überwiegend von der CIA, wobei jeder einzelne Abschuss vom US-Präsident genehmigt werden muss.

In den letzten Jahrzehnten hat die militärische Mikroelektronik entscheidende Fortschritte erzielt, so dass heute durchaus insektenartige Microdrohnen jeden Winkel eines Hauses erreichen und im Schwarm ganze Überwachungsnetze aufbauen können.

Außerdem experimentieren Biologen mit der Steuerung von lebenden Insekten, welche die neugierige Fracht unauffällig ins Ziel bringen. Ein praktisches Problem ist allerdings, dass solche Insekten häufig im Schnabel von echten Vögeln landen.

Dass die Stubenfliege, die Sie gerade in Ihrem Zimmer wahrgenommen hat, ein Miniagent der CIA wäre, ist zwar extrem unwahrscheinlich, aber durchaus möglich. Schon Kissinger sagte, Paranoia bedeute nicht, das sie ja nicht hinter einem her wären ...


Von Markus Kompa ist als eBook erschienen: Cold War Leaks. Geheimnisvolles und Geheimdienstliches aus dem Kalten Krieg.