China: Parteilinker endgültig abserviert
Bo Xilai stürzt ins Bodenlose. Seine Ehefrau wegen Mordverdachts verfhaftet
In China entwickelt sich der Fall Bo Xilais zu einem regelrechten Polit-Thriller. Der ehemalige Parteichef der Megametropole Chongqing war, wie berichtet, Mitte März plötzlich und unerwartet seines Postens enthoben worden, worauf eine wilde Gerüchteküche über einen angeblichen Putschversuch einsetzte. In der Sache waren diese wilden Spekulationen im Internet und der westlichen Presse offensichtlich substanzlos, ihr Aufkommen ist aber angesichts der vollkommen intransparenten Vorgänge im inneren Zirkel der Macht in Beijing (Peking) nicht gerade verwunderlich. Immerhin hatte Bo bis zu seinem unvermittelten Sturz als Anwärter auf einen Platz im ständigen Ausschuss des Politbüros der KP gegolten, der im Herbst auf deren Parteitag zum Teil neubesetzt wird.
Jedenfalls geht Bos Geschichte unterdessen weiter. Am Dienstag wurde er auch aus dem Politbüro und dem Zentralkomitee der KP ausgeschlossen. Außerdem wurde bekannt gegeben, dass gegen seine Frau Bogu Kailai wegen des Todes ihres britischen Geschäftspartners Neil Heywood ermittelt werde. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, dass Bogu - in den meisten westlichen Medien wird sie nur mit ihrem eigenen Familiennamen Gu benannt - und eine Haushälterin des Mordes an Heywood "hoch verdächtig" seien.
Heywood war am 15. November 2011 in Chongqing tot aufgefunden worden. Als Todesursache wurde zunächst ein Herzinfarkt angegeben, der Leichnam dann allerdings in verdächtiger Hast eingeäschert. Der Brite soll seit mehr als zehn Jahren enge Beziehungen zur Familie Bo unterhalten und deren Sohn einen Platz an einer britischen Eliteuniversität vermittelt haben. Die britische Zeitung Guardian zitiert einen Freund Heywoods, der einen Tag vor dessen Tod mit ihm gesprochen haben will. Danach habe dieser erklärt, in Schwierigkeiten zu sein.
Inzwischen sitzt Gu Kailai in Haft und gegen ihren Ehemann ist ebenfalls ein Untersuchungsverfahren im Gange. Angestoßen wurde der Vorgang offensichtlich durch die vorübergehende Flucht des ehemaligen Polizeichefs von Chongqing, Wang Lijun, der in einem US-Konsulat - vergeblich - um politisches Asyl nachgesucht hatte. Wang, der bis dahin als Bos rechte Hand galt, hatte anscheinend in dem Fall ermittelt und dann um sein Leben gefürchtet. Unklar ist, was er den US-Behörden erzählte, bevor diese ihn an ihre chinesischen Kollegen auslieferten.
Eine Interpretation ist also, dass Bo sozusagen nicht mehr zu halten war, wenn nicht größere diplomatische Komplikationen verursacht werden sollten. Aber das wäre sicherlich deutlich zu simpel, und die ganze Angelegenheit wird auch dadurch nicht einfacher, dass Heywood als Berater für Hakluyt & Co. gearbeitet hat, wie das Wall Street Journal berichtet, eine Firma, die von ehemaligen Agenten des britischen Geheimdienstes MI6 gegründet wurde.
Viel Stoff für Kaffeesatzleser also. Klar scheint, dass einigen in der chinesischen Führung der Sturz Bos sehr gelegen gekommen sein muss, wenn auch die Art und Weise für ihren Geschmack eindeutig zu viel Staub aufwirbeln wird. Bo hatte zu den sogenannten Linken innerhalb der KP gehört, das heißt zu jenen Kräften, die eine eher klassische sozialdemokratische Politik fordern - wenn man denn mal einen, natürlich höchst unvollkommenen, europäischen Maßstab anlegen will. Er vertrat eine Politik, die auf mehr staatliche Eingriffe und sozialen Ausgleich setzte. Natürlich hat ihn und seine Familie das offensichtlich nicht von den bei Politikern in aller Welt anzutreffenden Gewohnheiten der persönlichen Bereicherung abhalten können, die nun von den chinesischen Medien in aller Ausführlichkeit ans Tageslicht gezerrt werden.