Commerzbank schlägt den "steinigen" Schuldenschnitt vor
Griechenland benötige die "teilweise Entschuldung", meint nun auch der Commerzbank-Chef
Während die Finanzminister in Brüssel weiter keine Einigung erzielen, wird die Front der Experten breiter, die eine Ende mit Schrecken statt ein Schrecken ohne Ende bevorzugen. Während man sich in Brüssel vor allem darüber streitet, ob man die Banken, Versicherungen und Rentenfonds ein klein wenig an der zweiten Griechenland-Nothilfe beteiligt, was sogar noch ein gutes Geschäft ist, hat sich auch der Commerzbank-Chef Martin Blessing für einen Schuldenschnitt ausgesprochen.
Der Vorschlag Blessing geht weit über den von Finanzminister Wolfgang Schäuble hinaus, den die Bundeskanzlerin längst beerdigt hat. Er bietet einen "steinigen" aber "gangbaren" Weg an, der auch Perspektiven über Griechenland hinaus eröffne. Denn längst ist absehbar, dass sich das Gemache um die Nothilfe 2.0 für Griechenland alsbald für Irland und Portugal wiederholen wird, wenn in der EU so weiter gewurschtelt wird. Man braucht sich nichts vorzumachen, dass Italien und Spanien dann sicher abstürzen, wenn sie schon jetzt im Strudel nach unten gezogen werden.
Blessing schlägt vor, die Gläubiger sollen einen Abschlag (Haircut) auf ihre griechischen Staatsanleihen von 30% hinnehmen. Die restlichen 70% sollten in neue Anleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einem bezahlbaren Zinssatz von 3,5% getauscht werden. Damit soll ein Modell geschaffen werden, dass auch als "Blaupause für Portugal und - falls erforderlich – Irland" dienen könne. "Weitermachen wie bisher ist nicht möglich", fordert Blessing in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Griechenland braucht eine Umschuldung bis zur teilweisen Entschuldung."
Er beziffert den Beitrag der privaten Gläubiger auf 50 Milliarden Euro. Ob das angesichts der Verschuldung Griechenlands reicht, darf zwar bezweifelt werden. Es wäre aber ein Schritt in die richtige Richtung, um Griechenland wenigstens eine Chance zu geben. Denn nun, wie in Brüssel geplant, erneut Milliarden auf den Schuldenberg aufzusatteln, wird den Schuldenschnitt nur teuer verschieben.
Der Bankenchef hält noch eine Alternative bereit. Demnach könnte den Gläubigern auch angeboten werden, die Anleihen zu 100% in eine zinslose Neuanlage zu tauschen. Die solle in fünf Jahren aus den Privatisierungserlösen zurückgezahlt werde. Die Euro-Gemeinschaft solle 80% der Rückzahlung garantieren. 20% eines möglichen Verlustes sowie die Entwertung durch die Inflation müssten von den Investoren getragen werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) fordert er auf, ihre Blockadehaltung gegenüber einer Umschuldung mit Schuldenschnitt aufzugeben. Anders als die Verantwortlichen in Brüssel ist sich Blessing offensichtlicher bewusster darüber, dass man derzeit mit den möglichen Abstürzen der beiden großen Euroländer Italien und Spanien auf einen Euro-GAU zusteuere, weil "kein Schirm für die Rettung Spaniens oder gar Italiens je ausreichen würde". Er wendet sich auch gegen die ständigen Sparforderungen, die vor allem aus Berlin populistisch gefordert werden, um neue Hilfsgelder für Griechenland in der deutschen Öffentlichkeit verkaufen zu können. Als Griechenland-Hilfe deklariert, werden die aber ohnehin an die Banken durchgereicht. "Kein demokratisch durchsetzbares Sparpaket wird es dem Land ermöglichen, in absehbarer Zeit an den Kapitalmarkt zurückzukehren und seine Schulden mit Zinsen zurückzuzahlen." In Portugal und Irland sehe es nicht viel besser aus, warnte Blessing. Das Gezänk hat inzwischen in Portugal dazu geführt, dass die Börse auch das Vorjahrestief geknackt hat. Seit dem Wahlsieg der Konservativen, die den verrückten Sparkurs verschärfen wollen, der dem Land aus Brüssel verordnet wird, stürzt der PSI-Index in Lissabon in die Tiefe. Vor dem Wahlsieg Coelhos stand er noch auf 7600 Punkten und am Dienstag hat er zeitweilig das Vorjahrestief von 6624 geknackt.
Spanien steckt in der politischen und wirtschaftlichen Krise fest
Für Spanien steigen dagegen die Zinsen immer gefährlicher an, während auch die Madrider Börse wieder deutlich in den Keller geht. Lag das bisherige Allzeithoch der Zinsen bisher bei knapp 300 Basispunkten, also 3% über den deutschen Bundesanleihen, wurde die Marke gestern deutlich geknackt. Vorbörslich stieg der Zinsunterschied (Spread) sogar auf 383 Basispunkte an. Die Absturzmarke von 7% Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen rückt damit in dem Absturzland in immer greifbarere Nähe.
Spanien befindet sich zudem nun in einer Führungskrise. Seit dem Abgang des bisherigen Innenministers Alfredo Pérez Rubalcaba am Wochenende weiß eigentlich niemand mehr so richtig, wer nun im Land den Ton angibt. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero musste deshalb am Montag erneut seine Regierung umbilden, weil sich der 59-jährige Rubalcaba nur noch dem Wahlkampf als Spitzenkandidat der Sozialisten (PSOE) widmen will. Der über die Wirtschaftskrise schwer angeschlagene und unbeliebte Zapatero will nicht erneut kandidieren. Nun ist unklar, ob Rubalcaba aus dem Off an den Fäden ziehen wird, an denen Zapatero zu tanzen hat.
Das Land befindet sich, neben den Turbulenzen an den Finanzmärkten also nun auch noch im unerklärten Wahlkampf. Die Spatzen pfeifen aber längst von den Dächern in Madrid, dass es im Herbst vorgezogene Neuwahlen geben soll. Wie aus PSOE-Kreisen zu erfahren ist, will man nutzen, dass sich im Sommer die Lage am Arbeitsmarkt verbessert. Im Urlaubsland, das von einer Rekordarbeitslosigkeitsquote von 21 Prozent gequält wird, sinkt derzeit die Quote leicht. Gewählt werden soll also unter diesem positiveren Eindruck. Anders sähe die Lage im Frühjahr zum eigentlichen Wahltermin aus, nachdem die Arbeitslosigkeit im Winter wieder angestiegen sein dürfte.
Die Lage für PSOE ist nun so fatal, wie die wirtschaftliche Lage des Landes. Sie hofft mit Rubalcaba das Ruder herumreißen zu können, nachdem sie im Mai bei den Regional- und Kommunalwahlen ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren hat. In allen Regionen, in denen sie bisher regierte, musste sie die Macht abgeben. In der Extremadura haben am vergangenen Freitag sogar die Postkommunisten die ultrakonservative Volkspartei (PP) an die Macht gebracht, weil die Region nach 28 Jahren eine Partei leid ist, die in der Wirtschaftskrise versagt hat.
Ob der Linksschwenk, den Rubalcaba andeutet, den Absturz der Partei dämpfen kann, wird sich zeigen müssen. Da der Partei vor allem linke Wähler verloren gingen, versucht Rubalcaba die zu umwerben. Schwammig forderte er, die Steuern für Großunternehmen und Großverdiener anzuheben. Doch die wurden unter einer Regierung gesenkt, die sich "sozialistisch" nennt. Er will die Vermögenssteuer wieder einführen, die zu Beginn der Krise 2008 abgeschafft wurde. Irgendwie will er von "Banken und Sparkassen fordern, einen Teil ihrer Gewinne zu nutzen, um Arbeitsplätze zu schaffen". Derzeit erhalten sie Steuermilliarden, um sie vor dem Absturz zu retten.
Nebulös ließ er auch im Raum stehen, wie er mehr Bürgerbeteiligung und politische Transparenz schaffen will. Populistisch versucht er, die Demokratiebewegung der "Empörten" anzusprechen. Die geben seit Mai mit Platzbesetzungen und Demonstrationen dem angestauten Unmut der Bevölkerung eine Stimme, die unter den Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen und steigende Steuern und Abgaben einer Regierung zu leiden hat. Die Bewegung bereitet derzeit einen Generalstreik gegen die Regierung vor, in der Rubalcaba bisher zentral mitgewirkt hat.