Das personifizierte Böse, und auch noch Spaß daran

Ein Dokumentarfilm über Live-Rollenspieler kämpft mit dem Misstrauen seiner Protagonisten gegenüber dem Filmteam - und tappt prompt in die Romantisierungsfalle

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Es ist schon beinahe banal, sich über die Schauwerte dieses Dokumentarfilms zu freuen: Aufwändige Kostüme verwandeln seine Protagonisten in Ritter, Zombies oder Endzeitkrieger. Noch aufwändigere Masken machen aus ihnen Orks, Dämonen oder körperlose Geister. All das zeigt Die Herren der Spiele abwechselnd in dokumentarischen Bildern, und als große Inszenierung, mit diversen Filtern, Zeitlupen-Effekten, einem entsprechenden Soundtrack. Immer wieder durchbrechen solche Spielfilmszenen die Dokumentation über Deutschlands Live-Rollenspiel-Szene, und illustrieren dabei hervorragend, was für seine Protagonisten den Reiz ihres Hobbys ausmacht.

Regisseurin Uta Bodenstein fokussiert ihre Erzählung hauptsächlich auf drei Menschen, die aktiv an Live-Rollenspielen teilnehmen, und verweist immer wieder auf die Tatsache, dass sie bei allem Spaß am Verkleiden doch nicht aus ihrer Haut können. Am interessantesten gerät dieser Konflikt bei der Lehrerin Chris, die im Spiel in die Rolle von Aniesha Fey, einer Art personifiziertes Böse, schlüpft. Immer wieder darf sie erklären, dass ihre Funktion als Nichtspielercharakter, quasi als Oberbösewicht diverser Veranstaltungen, ein Dienst für die Spieler sei; dass die Macht, über die diese Fantasy-Figur gebietet, nur ein harmloses Spielelement sei; dass sie den Rummel um ihre Person - sie tritt auf Conventions in Verkleidung auf und wird auch um Autogramme gebeten - eigentlich nicht so mag; und dass alles eben nur dem Erlebnis dient, und die Begeisterung der Spieler ihr größter Lohn sei.

Ein wenig inszeniert der Film und sie selbst sich als - wenn auch bereitwilliges - Opfer, als jemanden, der eigentlich lieber wirklich mitspielen würde, statt nur lebende Kulisse zu sein. Irgendwann gibt sie aber doch zu, dass sie genau dieses Machtgefühl genießt, und die Ehrfurcht, die ihr die Spieler entgegenbringen, nur um diese Aussage gleich wieder mit einer der obigen Einschränkungen zu rechtfertigen. Nicht, dass Chris irgendwie böse sei. Aber sie ist den Begleiterscheinungen ihrer Rolle doch weitaus näher, als sie sich das eingesteht - und das ist ihr offenbar peinlich.

Nur warum eigentlich? Chris’ Problem überträgt sich in letzter Konsequenz auch auf den ganzen Film. Einerseits gelingt es Uta Bodenstein zwar, ein fantasievolles und überaus soziales Hobby, das wahrscheinlich zu unrecht stigmatisiert ist, in ihre Bildsprache zu übersetzen und seinen Reiz wohl auch all jenen nahe zu bringen, die selbst mit Fantasy und Rollenspiel wenig und mit Verkleidungen und Plastikschwertern im Wald gar nichts anfangen können. Allerdings, so heißt es, habe es der Film schwer gehabt, bereitwillige Interviewpartner zu finden - wohl weil viele Live-Rollenspieler fürchteten, an einem Film mitzuwirken, der die gesellschaftlichen Vorurteile nur bestätigt, anstatt sie fair zur Debatte zu stellen.

Genau letzteres aber gelingt Bodenstein nicht, im Gegenteil. “Die Herren der Spiele” scheint so bemüht darum, sich dem Thema aufgeschlossen zu nähern, dass er jegliche dokumentarische Distanz verliert. Zum einen - aber das ist bei der Verlockung der tollen Bilder kaum zu verdenken - schwelgt der Film ein paar Mal zu oft im Bombast der abgefilmten Inszenierung. Zum anderen aber scheint es den Machern ebenfalls beinahe peinlich zu sein, sich mit ihrem Subjekt so zu identifizieren. Genauso wie Chris sich etwas unbehaglich dafür verteidigt, die Macht ihrer Figur zu genießen, so unterwirft sich auch Bodensteins Film einem ständigen Rechtfertigungsdruck. Gerade die sehr filmisch ästhetisierten Rollenspielszenen wirken immer wieder so, als dienen sie als Entschuldigung für die vermeintlich schwer akzeptierbare Begeisterung, die Filmteam und Protagonisten für das Live-Rollenspiel empfinden. Der Qualität des Dokumentarfilms “Die Herren der Spiele” schadet das zum Glück kaum. Nur die Chance, dem Live-Rollenspiel durch eine differenzierte Darstellung zu mehr Ansehen zu verhelfen, ist vertan. Dafür ist die dokumentarische Distanz zu offenkundig verloren gegangen.

“Die Herren der Spiele” läuft am Mittwoch, 13.6., um 23:55 Uhr im Bayerischen Fernsehen.