De Maizière schlägt muslimischen Feiertag vor
In der Union sind einige empört, aber kann ein vernünftiger Mensch etwas gegen mehr Feiertage haben?
Das ist mal wieder so ein Aufregerthema: muslimischer Feiertag. Der Klimawandel lässt die Menschen kalt. Kinderarmut und Rentenklau bringt keine christlichen Politiker auf die Straße, Hartz IV sowieso nicht. Und wenn die Bahn mal eben eine Milliarde Euro in einem Tunneleinsturz (bei Rastatt) versenkt, wird lieber ganz schnell die Decke des Schweigens darüber ausgebreitet.
Das massenweise Sterben im Mittelmeer rührt die feinen Christen in den Regierungsparteien ebenso wenig, wie die Unterstützung ihrer türkischen Verbündeten für den IS oder die deutschen Waffenlieferungen an das gegen den Jemen Krieg führende Saudi Arabien, ein Land, in dem Atheisten mit dem Tode bedroht werden.
Alles kein Problem. Aber wenn ein Hugenotten-Abkömmling einen muslimischen Feiertag ins Spiel bringt, ja, dann ist die Aufregung groß. Dann kocht die christlich-soziale und -demokratische Populisten-Seele so richtig schön hoch. Natürlich nicht aus Prinzip, denn gegen religiöse Feiertage hat man selbstverständlich nichts. Besonders in Bayern nicht. Aber die rechte Flanke, so hat es der Horst vorgegeben, muss bedient werden. Und das geht nun mal derzeit am besten, in dem anti-muslimische Ressentiments pflegt.
Aber mal im Ernst und ohne die ganze Aufregerei: Nur noch etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung gehört einer christlichen Kirche an. Dennoch gibt es jede Menge christlicher Feiertage, wobei man von manchen wie Weihnachten oder Ostern sagen kann, dass sie echte Folklore sind.
Außerdem möchte keiner, der nicht hauptsächlich von Aktienbesitz lebt und halbwegs bei Trost ist, die Zahl der Feiertage noch weiter verringern, das heißt, die Zeit, in der er zur Lohnarbeit gezwungen ist, ausweiten. Eher wird er sich mittelalterliche Zustände zurück wünschen, als das Jahr noch voller Feiern und der blaue Montag für den Handwerker normal war.
Also weshalb dann nicht noch den einen oder anderen zusätzlichen Feiertag, zumal doch die Produktivität ständig steigt und ein einzelner Beschäftigter heute so viel Wohlstand erschafft, wie gegen Ende der 1970er Jahre noch zwei?
Man stört sich dran, dass es ein muslimischer sein soll? Aber die fast 50 Prozent der Nicht-Christen im Lande nehmen doch auch ohne zu murren die christlichen Feiertage hin? Dann vielleicht nur noch neutrale, mit weltlichem Anlass?
Ich hätte da ein paar Vorschläge: zum Beispiel den 8. Mai. Da könnten wir den Sturz des deutschen Faschismus feiern. (Vorher sollte wir aber auch noch das aus der Nazi-Zeit stammenden Arbeitsgesetz abschaffen, das die 48-Stunden-Woche zur Regel erklärt.)
Oder der 1. März als Erinnerung an den Beginn der 1848er-Revolution (erst in Baden, in den nächsten Wochen auch in anderen Staaten). Der 18. Mai als der Tag, an dem die Nationalversammlung in der Paulskirche eröffnet wurde, böte sich ebenfalls an. Ist es nicht ohnehin erstaunlich, dass in einem Land, das sich Republik nennt, an keines dieser Ereignisse mit einem Feiertag erinnert wird?
Auch der 9. November drängt sich als Gedenk- und Erinnerungstag förmlich auf. Als wiederkehrender Feiertag für den Sturz der preußisch-deutschen Monarchie. Als Tag der Mahnung für die organisierten Judenpogrome der Nazis, dem Vorspiel zu noch weit Schlimmerem. Als Tag des nachdenklichen Feierns einer unblutigen Revolution schließlich, die ganz andere Ergebnisse erbrachte, als sich viele erhofft hatten, aber dennoch ein Zeugnis für die Kraft einer Bevölkerung bleibt, die sich nicht mehr weiter Gängeln und Belügen lassen wollte.
Ich weiß, derlei Vorschläge waren in Westdeutschland noch nie mehrheitsfähig. Aber neue Feiertage müssen her, unbedingt - und zwar nicht nur wegen der Gleichbehandlung der Religionen – neben, sagen wir zwei, muslimischen Feiertagen wäre eigentlich auch noch ein jüdischer angesagt –, sondern auch wegen der vielfach krankmachenden Arbeitsverdichtung. Oder will sich hier ernsthaft jemand beschweren, wenn er einen Tag weniger arbeiten muss?