"Demokratische Revolution für Südeuropa" aus Spanien
Linke Bürgerkandidaten dürften auch in den Metropolen Barcelona und Madrid regieren, die regierende Volkspartei (PP) verliert praktisch alle Regionalregierungen
Dass das Zweiparteiensystem bei den Kommunal- und Regionalwahlen in Spanien auf dem Weg zur Beerdigung ist, zeichnete sich ab. Die die gestrigen Wahlen haben diesen Trend deutlich bestätigt und einen klaren Linksschwenk gezeigt.
Ausgehend von den Metropolen weht nun ein frischer Wind durch das schwer von Korruption erschütterte Land, der auch in der Peripherie deutlich spürbar ist. Wie erwartet, hat im katalanischen Barcelona die von der Empörten-Partei "Podemos" (Wir können es) unterstützte linke Bürgerkandidatur klar gewonnen. "Barcelona en Comú" (Gemeinsam für Barcelona) kam mit der Basisaktivistin Ada Colau auf mehr als 25% und siegte gegen die bisher regierenden nationalistischen Christdemokraten der CiU, die auf knapp 23% kamen.
Colau, die aus der starken Bewegung gegen die Zwangsräumungen kommt, verwies alle großen Parteien auf die Plätze und sprach vom "Sieg von David gegen Goliath". Mit Blick auf die Ergebnisse in Madrid, Santiago, Coruña, Cadiz, Valencia … erklärte sie: "Das ist kein Prozess allein in Barcelona, sondern eine demokratische Revolution in Barcelona, Katalonien, des gesamten spanischen Staats und, wenn wir es können, im gesamten Süden Europas." Der Vorgang sei "nicht aufzuhalten", fügte sie an. Man habe die einfache Bevölkerung "resigniert und unterdrückt" sehen wollen, doch nun sei "Hoffnung" geschaffen worden. "Wir haben uns wie Ameisen organisiert und gezeigt, dass es eine Alternative gibt."
Sie sagte das mit Blick auf die beiden großen spanischen Parteien. Vor allem die erzkonservative, in Spanien regierende Volkspartei (PP), wurde nun schwer abgestraft. Auch die Sozialdemokraten (PSOE) stürzten in Barcelona weiter ab. Die linksradikalen Unabhängigkeitsbefürworter der CUP kamen mit gut 7% nah an die beiden Parteien heran und die linksnationalistische Republikanische Linke (ERC) wurde mit 11% stärker als beide.
Im ganzen Land verloren die beiden großen Parteien mehr als drei Millionen Stimmen, wovon der große Teil den Konservativen abhandenkam, denn die PSOE hatte schon 2011 enorm starke Verluste hinnehmen müssen. Die PP wurde zwar mit etwa 27% noch meistgewählte Partei, verlor aber mehr als 10 Punkte gegenüber den Wahlen vor vier Jahren.
Podemos hat gezeigt, dass sie in den Parlamentswahlen gewinnen könnte
Was ihr besonders weh tut, ist, dass sie auch die Hauptstadt nach 24 Jahren an der Macht verloren hat. Hier konnte die Bürgerkandidatur "Ahora Madrid" (Jetzt Madrid) die Wahlen zwar nicht gewinnen, dürfte dort aber mit PSOE-Unterstützung regieren, die nur noch auf 15% kommt. Dass Ahora Madrid nicht klar wie in Barcelona gewann, dafür war das Verhalten der Vereinten Linken (IU) verantwortlich. Auf das Problem hatte Ahora Madrid schon im Telepolis-Gespräch hingewiesen.
Anders als in Barcelona unterstützte die kommunistisch dominierte IU die Bürgerkandidatur in Madrid nicht und versuchte einen Alleingang. Deshalb gewann die PP die Wahl mit gut 35% knapp, weil ihre Stimmen unter den Tisch fielen. Sie flog aus dem Stadtrat und dem Regionalparlament. Ahora Madrid lag mit der Richterin Manuela Carmena und knapp 32% deutlich über den Prognosen und hat der PP-Lokalfürstin damit die Suppe versalzen. Weil die rechten "Ciudadanos" (Bürger), die von Kritikern und selbst eigenen Mitgliedern als Wolf im Schafspelz gesehen werden, in Madrid hinter den Prognosen zurückblieben, reicht es für PP auch nicht, auch wenn sie ein Bündnis mit den Bürgern in der Hauptstadt schließen würde.
Die "Bürger", mit einem ehemaligen PP-Mitglied an der Spitze, müssen sich für das Madrider Regionalparlament definieren. Das ist eine der wenigen Regionen, Bundesländern in Deutschland ähnlich, wo PP und "Bürger" gemeinsam eine Mehrheit erreichen können. Dafür war entscheidend, dass mehr als 4% der Stimmen der zerstrittenen IU verschenkt wurden. Das kommt nach dem absurden Wahlgesetz, das große Parteien klar bevorteilt, der meistgewählten Partei besonders zugute.
Podemos, die bei den Regionalwahlen als eigene Marke antrat, kam mit knapp 19% im Regionalparlament Madrid der PSOE schon sehr nahe. Mit der Bürgerkandidatur hat Podemos nicht nur in Madrid und Barcelona bei den Kommunalwahlen gezeigt, dass ihr Potential längst nicht ausgeschöpft ist und die Chance besteht, die Parlamentswahlen im Herbst zu gewinnen. In den Metropolen der PP-Hochburg Galicien konnten die von Podemos unterstützten Kandidaturen auch in Santiago de Compostela und Coruña mit gut 30% gewinnen. Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias unterstrich, dass die "demokratische Transformation" in Spanien stets durch den "Motor der Großstädte" angetrieben wurde.
Auch in Valencia, der Hochburg der PP, wurde die Partei abgewählt
Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy und seine von Korruption geplagte PP mussten harte Schläge einstecken, weshalb mit Blick auf die Parlamentswahlen im Herbst auch Konservative nun seinen Rücktritt fordern. Sogar die PP-Hochburg Kastilien-La Mancha geht verloren, in der die PP-Generalsekretärin kandidiert hat. Obwohl extra die Wahlkreise vor den Wahlen neu auf die PP zugeschnitten wurden, was die Opposition als "Wahlbetrug" bezeichnet hatte, reichen die Sitze auch bei Unterstützung von Ciudadanos nicht.
Und während die PP auch die PSOE-Hochburg Extremadura wieder an die Sozialdemokraten abgeben musste, wurde sie in der Korruptionshochburg Valencia schwer abgestraft. Sie wurde 26% zwar noch meistgewählte Partei, doch liegt sie nur knapp vor linksnationalistischen Regionalpartei Compromis, die ein extrem gutes Ergebnis erzielte. Auch hier reichen die Stimmen der Ciudadanos nicht, damit die PP in der Stadt weiterregieren könnte, was auch für das Regionalparlament gilt. Insgesamt haben die Ciudadanos mit knapp 7% ihr Ziel weitgehend verfehlt, zum Zünglein an der Waage bei der Regierungsbildung in Regional- und Stadtparlamenten zu werden.