Der Alleskönner
Schon wieder Neuigkeit zum Kuschelhormon Oxytocin. Dieses Mal soll es den altersbedingten Muskelabbau verhindern können.
Wenn ein Molekül den Preis für die meistgehypte Substanz der letzten Jahren verdient hat, dann sicherlich Oxytocin. Dem Stoff wird gleich auf mehreren Ebenen wundersames zugeschrieben. Es ist Teil der biochemischen Mutter-Kind-Bindung, bei Tieren wie Menschen. Es kann, nasal verabreicht, Vertrauen verstärken. Es ist aber kein Selbstgänger für positive Emotionen, mehr noch, es kann Schadenfreude evozieren.
Nun wird der nächste Schritt gewagt: Vor einigen Monaten hatten Forscher alten Mäusen das Blut von jungen Mäusen injiziert, diese hatten daraufhin einen verbesserten Muskelaufbau und ein verjüngtes Herz. Man sah unter anderem das Protein GDF11 verantwortlich (Abstract). Jetzt veröffentlichten Wissenschaftler eine Nachfolgeuntersuchung, in der sie Oxytocin als weitere, zentrale Komponente für einen Verjüngungsprozess dingfest machen. Die Indizien: Ältere Mäuse haben einen um ein Drittel niedrigeren Oxytocin-Level als jüngere Mäuse.
Das Team um Irina Conboy von der Universität Berkeley vergab zudem Oxytocin an alte Mäuse. Diese entwickelten danach wieder verstärkt neue Muskelfasern. In einem dritten Versuch blockierten sie die Oxytocinproduktion bei jungen Mäusen, die daraufhin keine neuen Muskeln mehr ausbildeten. Um festzustellen, wie das Hormon wirkt, setzten sie Stammzellen Oxytocin aus. Diese vermehrten sich hernach stark.
Wie üblich kommt heute schnell die Frage nach der therapeutischen Anwendung auf. Theoretisch könnte die GDF11- oder Oxytocin-Vergabe zur Verhinderung von Muskelabbau im Alter führen. Ob die simple Vergabe allerdings auch im Menschen zu den gewünschten Effekten führt, ist unsicher. Denn auch dieser Wirkstoff hat Nebenwirkungen.
Und eventuell existieren evolutionär gute Gründe für den altersbedingten Hormonschwund. Zu hohe Dosierungen oder Vergabe in falschen Lebenszeiten könnten von Körperzellen falsch interpretiert werden. Im alternden Körper nimmt die Fähigkeit der Zellen zur Selbstreparatur ab, man wird anfälliger für Mutationen, vulgo: Krebs. Versuche durch gesteigerte Zellteilung das Altern zu verhindern, laufen Gefahr, das Krebsrisiko noch einmal zu erhöhen.
Oxytocin allerdings gilt bislang als relativ sichere Substanz. Es findet als Pitocin schon heute bei Schwangeren Anwendung, um die Niederkunft zu beschleunigen. Es gab zahlreiche andere Tests an Menschen, mit Krebs wurde es bislang nicht in Verbindung gebracht.