Der Fall Marc Jan Eumann (2)
Eine öffentliche Wahl als Staatsgeheimnis
Was bisher geschah: Folge 1 - Wie man in Rheinland-Pfalz Landesmediendirektor wird
Herr Dr. Marc Jan Eumann hatte als Staatssekretär in NRW gut verdient. Seine Position hatte er sich bei der SPD redlich erarbeitet, hatte er doch in der Kölner Müllaffäre eine Geldzahlung nach §153a StPO für eine Scheinquittung akzeptiert. Da war es nur recht und billig, dass man den verdienten Genossen auch weiter verdienen lassen wollte, als NRW die SPD abwählte. Rheinland-Pfalz war noch halbwegs in roter Hand, wo die Direktorin der Landesmedienanstalt in den Ruhestand gehen wollte. B 7 (rund 10.000,- €) ist besser als Hartz 4, dachte sich der Sozialdemokrat.
Pikant war jedoch, dass Herr Dr. Eumann für die gleiche Position in NRW ein Gesetz durchgedrückt hatte, demzufolge dort der Landesmediendirektor ein Volljurist sein und eine Karenz zur aktiven Politik von 18 Monaten aufweisen muss. Mit diesem Manöver kegelte er seinerzeit den NRW-Landesmediendirektor aus dem Amt, der nicht wieder antreten konnte. Dr. Eumann allerdings ist selbst auch kein Jurist und kam geradewegs aus der Staatskanzlei. Diese Peinlichkeit sowie die Querelen um sein drittklassig überstandenes Doktortitel-Aberkennungsverfahren sprachen gegen eine Kandidatur – in der Öffentlichkeit.
Der Plan der Genossen sah vor, die Personalie bis zum Wahltag als Staatsgeheimnis zu behandeln und mit der Mehrheit in der LMK-Versammlung irreversible Fakten zu schaffen. Plump, aber effizient. Koalitionspartner Grün und Gelb machten mit, auch die CDU hielt anfangs still, denn so konnte der Stellvertreter mit CSU-Parteibuch ebenfalls durchgewinkt werden. Doch das Manöver flog auf und fand seinen Weg in die Medien.
Nach einer am Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gegen standhafte Gegenwehr erstrittenen Akteneinsicht ist nun einigermaßen klar, was sich in den Hinterzimmern der LMK (nicht) tat.
LMK-Versammlung
Höchstes Organ bei der LMK ist 42-köpfige Versammlung, die wie bei Rundfunkräten pluralistisch besetzt ist. Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgend verträgt die Staatsbank nur 1/3 der Mitglieder, die anderen 2/3 werden zumindest formal von nichtstaatlichen Organisationen wie Kirchen, Gewerkschaften und Verbänden entsendet – faktisch aber stammen sie aus dem Dunstkreis der Parteien. Jedes Mitglied bekommt 204,- €/Monat plus 77,- €/Sitzung sowie Fahrt- bzw. Flugkostenersatz. Die Entscheidungen werden vor jeder Sitzung vom Hauptausschuss vorbereitet, wo man 408,- €/Monat einstreicht, der Versammlungsvorsitzende bekommt 816,- €/Monat. Laut Geschäftsordnung hat einzig die Versammlung etwas zu entscheiden, die Ausschüsse beraten nur.
Bis letzte Woche konnte man auf der LMK-Homepage nachlesen, wer Mitglied in Versammlung oder Hauptausschuss ist. Aus unbekannten Gründen kommuniziert dies die Landeszentrale für Medien und Kommunikation inzwischen nicht mehr. Eine Anfrage des Autors nach dem Grund für diese nunmehr vornehme Zurückhaltung blieb bislang unbeantwortet.
UPDATE (17.00 Uhr): Die Liste der Mitglieder ist inzwischen wieder so geheimnisvoll aufgetaucht, wie sie verschwunden war. Möglicherweise half das freundliche Back Up des Autors ...
Hauptausschuss
Am 04.09.2017 tagte um 14.00 Uhr der Hauptausschuss der Versammlung. Der Hauptausschuss hat nach der LMK-Geschäftsordnung die Aufgabe, grundsätzliche Fragestellungen der medienrechtlichen, medienpolitischen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklung in Rheinland-Pfalz sowie solche Sachverhalte, die dem Aufgabenbereich mehrerer Fachausschüsse der LMK zugerechnet werden können, zu erörtern und kann insoweit Beschlussvorschläge in die Versammlung einbringen
Trotz fehlender Beschlusskompetenz terminierte der Hauptausschuss selbst die Wahl zur Neubesetzung der Direktorenstelle auf den 04.12.2017. In diesem Gremium wurde eine Aufforderung von Interessenten „über die Presse“ beschlossen, ohne dass eine solche spezifiziert worden wäre. Interessenten sollten aufgefordert werden, sich mit dem Vorsitzenden Herrn Bähr in Verbindung zu setzen. Die nicht verfasste Findungskommission wurde nicht von der Versammlung, sondern vom (nicht entscheidungsbefugten) Hauptausschuss mit eigenem Personal besetzt und sollte am 03.11.2017 tagen.
In der anschließenden Versammlung, die ab 16.04 Uhr tagte, wurden Einrichtung und Besetzung der Findungskommission berichtet, sowie der Wahltermin am 04.12.2017. Nicht bekannt gegeben wurden der Sitzungstermin am 03.11.2017 und die geplante Ansprache von Interessenten über die Presse. Über die die auslaufende Position des Stellvertretenden Direktors wurde ebenfalls nicht gesprochen. Ein Beschluss, dass die Mitglieder der Findungskommission geheim zu halten seien, ist der Akte ebenso wenig zu entnehmen wie ein Ausschluss der Öffentlichkeit von diesem Tagesordnungspunkt. Soweit in der Pressemitteilung der LMK behauptet wird, die Versammlung habe eine Findungskommission gebildet, trifft dies nicht zu, denn eigene Beschlüsse fasste die Versammlung hierzu nicht. Nach Meinung des Verwaltungsgerichts Neustadt soll das Schweigen der Versammlung als Zustimmung zu werten sein.
Nach Aktenlage wurde der vage formulierte „Beschluss“ gar nicht umgesetzt. Wo und wie die Findungskommission bzw. Herr Bähr zur erreichen waren, wurde nirgends kommuniziert. (Eine Adressierung an die LMK oder den Vorsitzenden der Versammlung sollte später nicht gut genug gewesen sein.) In der Pressemitteilung vom 05.09.2017 wurde nur bekannt gegeben, dass die Findungskommission der Versammlung am 04.12.2017 Vorschläge für die Wahl einbringen wird. Ein früheres Datum als Ausschlussfrist wurde nicht kommuniziert, nicht einmal dieses Datum war für die Versammlung verbindlich. Auch muss das Datum eines Wahlvorschlags nicht mit dem Wahltag identisch sein – und war es auch nicht. Tatsächlich nämlich wurde der Wahlvorschlag der Versammlung bereits am 13.11.2017 im nicht öffentlichen Teil bekannt gegeben.
Geheime Findungskommission
Die ominöse Findungskommission bestand offiziell aus drei Politikern und zwei Kirchenfürsten, was nicht die 1/3-Grenze für die Staatsbank abbildet. Der Vorsitzende Herr Bähr (Evangelische Kirche), Frau Dr. Kohnle-Groß (MdL, CDU), Dr. Braun (MdL, Grüne), Frau Schmitt (MdL, SPD) und Herr Gremp (Katholische Kirche). Zu diesen gesellte sich (stimmberechtigt) der Bildhauer Herr Lohrengel, ohne dass dies der Versammlung bekannt gemacht wurde. Und auch eine Frau Rott-Otte rottete sich heimlich zur Findungskommission, obwohl sie nicht dem Hauptausschuss angehörte, stimmte aber trotzdem mit. Frau Rott-Otte wurde formal vom Kinderschutzbund entsandt, ist als frühere Ministerin und Landtagsabgeordnete (SPD) allerdings wohl auch eher der Partei zuzuordnen. Schwamm drüber!
Das Vorstellungsgespräch
Die Akte lässt nicht die geringste Suchaktivität der „Findungskommission“ erkennen, auch schweigt sie über die Umstände der Bewerbung des Herrn Dr. Eumann. Ein Bewerbungsschreiben oder sonstige Dokumente wie Zeugnisse, Arbeitszeugnisse oder sonstige Referenzen sind nicht aktenkundig. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Findungskommission Recherchen über den Bewerber angestellt hätte. Da das Vorstellungsgespräch das Persönlichkeitsrecht des Herrn Dr. Eumann tangiert, soll es hier ausgespart werden. Allerdings sei verraten, dass sich in der Findungskommission niemand Gedanken darüber machte, ob jemand, der im Kölner Müllskandal für seine Partei strafrechtlich in Erscheinung trat, wohl professionell mit Interessenkonflikten umgehen könnte.
Am 13.11.2017 sandte der Autor um 14.04 Uhr eine E-Mail an die LMK, in der er sich nach den Bewerbungsverfahren erkundigte. Die hausintern bekannte Anfrage wurde der ab 16.07 Uhr tagenden Versammlung verschwiegen. In nicht-öffentlicher Sitzung verriet Bähr, dass man zum 04.12.2017 Herrn Dr. Eumann zur Wahl einladen wolle, das sei aber vertraulich, weil das eine Personalangelegenheit sei. Wie das bei öffentlichen Wahlen halt so ist … Die braven LMK-Mitglieder hielten sich an die ihnen eingeredete Schweigepflicht, allerdings verplapperte sich die Amtsinhaberin.
"Vertraulich"
Die LMK beschied den Autor am 14.11.2017, die Findungskommission hätte ihre Arbeit bereits abgeschlossen. Am 20.11.2017 sandte der Autor eine formale Bewerbung. Ein Vorsprechen bei der Findungskommisson hätte man arrangieren oder in Einzelgesprächen durchführen können. So etwa hatte sich Herr Dr. Braun, der am 03.11.2017 gefehlt hatte, über Herrn Dr. Eumann einen Eindruck verschafft. Doch das Risiko eines Konkurrenten wollte man dem gekürten Kandidaten wohl lieber nicht zumuten – zumal der Mitbewerber als Fachanwalt für Medienrecht formal qualifizierter war als der privatgelehrte Historiker Herr Dr. Eumann.
Mit Schreiben vom 30.11.2017 lud der Vorsitzende formal zur Wahlversammlung am 04.12.2017 ein. Der Stellvertretende LMK-Direktor, der in der Findungskommission wohl nicht zu suchen hatte, erstellte für diese einen als „vertraulich“ gekennzeichneten Beschlussvorschlag. Damit nahm er Einfluss auf die Wahl seines künftigen Chefs sowie letztlich auf seine eigene.
Krisensitzung
Eine Viertelstunde vor der Beginn der Wahlversammlung traf sich erneut die Findungskommission im Hinterzimmer, um über die unerwünschte Bewerbung des Autors und eines weiteren Anwalts zu beraten. Die in der siebten Amtsperiode vom dortigen Hauptausschuss eingesetzte Findungskommission hatte jedoch während der achten Amtsperiode eigentlich kein Mandat mehr – Schwamm drüber!
Kern der Beschlussempfehlung war der „Vorwurf“, die Bewerbung sei nicht an die Findungskommission (sondern an die LMK) adressiert und „verspätet“. Ein Wiedereintritt in die Kandidatensuche sei aus „Gleichbehandlungsgründen“ nicht angezeigt.
Das Gegenteil wäre wohl der Fall. Es ist nicht ersichtlich, welchen Vertrauensschutz Herr Dr. Eumann beanspruchen könnte; erst recht nicht, was das mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu tun hätte. Zumal von einer „Suche“ schwerlich gesprochen werden kann. Auch die Zeit drängte nicht, denn zwischen dem 04.12.2017 und dem Ende der Amtszeit am 31.03.2018 lagen knapp vier Monate. Die Arbeitsprobe des Stellvertretenden Direktors, der das Ausbremsen eines Mitbewerbers mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz assoziiert, spricht dringend dafür, auch die vakante Stelle unbedingt mit einem Volljuristen zu besetzen.
„Wahl“
Die Versammlung wurde getäuscht und überrumpelt. Den Mitgliedern der Versammlung war anscheinend nicht bewusst, dass einzig die Versammlung zur Entscheidung über die Zulässigkeit von Bewerbungen befugt war. Die Versammlung, die ab 16.04 Uhr tagte, wurde im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung (in welchem der Autor den Raum verlassen musste) nur über angeblich verspätete Bewerbungen informiert. Weder wurde die Versammlung um einen Beschluss ersucht noch wurde der „Beschluss“ der Findungskommission referiert. Die Nichtzulassung wurde dort ausschließlich mit angeblicher Verspätung begründet.
Die Beschlussvorlage und die darin enthaltenen Rechtsausführungen wurden der Versammlung nicht zugänglich gemacht oder referiert. (In der Landtagsdebatte vom 24.01.2018 kolportierte allerdings der redselige Herr Dr. Braun aus dem eigentlich vertraulichen Papier, was man der Findungskommission „gesagt“ habe, nicht aber allerdings, wer.)
Das Votum der Findungskommission für Herrn Dr. Eumann hatte offenbar Gewicht. So sparte sich der Kandidat in seiner Bewerbungsrede eine Darstellung seiner Vita und Fähigkeiten, stattdessen hielt er eine Sonntagsrede, die keinen Aufschluss über eine persönliche Befähigung zum Amt bot. Gewählt wurde er trotzdem mit 19 Ja-Stimmen, 9 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen. Als Stellvertreter wurde der gleichfalls einzige Kandidat mit 30 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung gewählt.
Rechtsfreier Raum
Das Verwaltungsgericht Neustadt hält die Wahl für gültig. Regeln habe es ja keine gegeben, und aufgrund der demokratischen Legitimation könne die Versammlung machen, was sie wolle. Art. 33 GG sei nicht anwendbar. Da sich niemand gegen das Prozedere gemuckst habe, hätte die Versammlung alle Entscheidungen der Findungskommission gebilligt und Herrn Dr. Eumann gültig gewählt. Schwamm drüber!
Fortsetzung folgt.