Der fest verankerte Christ als Ideal
Bundesinnenminister De Maiziere lobpreist die deutsche Kultur und das Christentum. Warum eigentlich?
"Je selbstsicherer, je selbstbewusster wir in unserer Freiheit, unserer Kultur, unserer Herkunft sind, umso eher sind wir imstande, tolerant zu sein und Integration gelingen zu lassen." So hat es Thomas de Maiziere formuliert. Doch damit nicht genug, er kommt auch nicht umhin, noch einmal das Christentum nicht nur zu loben, sondern es gegenüber denjenigen, die Angst vor "Überfremdung durch Muslime" haben, als Ideal zu preisen, das eine ethische Verankerung automatisch mit sich bringt. Dieses Ideal nennt er den "fest verankerten Christen".
Es ist eine alte Tradition bei der CDU, die nicht aus Zufall das Wort "christlich" in ihrem Parteinamen trägt, das Christentum zu glorifizieren. In der Darstellung derjenigen Politiker, die dieser Glorifizierung frönen, gibt es nur höfliche, freundliche und den Nächsten liebende Christen, die sich von all jenen, die nicht dieser Religion angehören, positiv abheben.
Die ethische Verankerung, die der Bundesinnenminister anspricht, wird mit einer Religionszugehörigkeit gleichgesetzt. Dabei ist bemerkenswert, dass die CDU hierbei den Kontakt mit den eher rechts einzuordnenden Christen nicht scheut, die ein Ende des Volkes befürchten, solle Deutschland weiterhin "Volk ohne Kinder" sein, welches sich auf dem "Niedergang" befindet.
Doch nicht nur dieser Aspekt, der ja gerade dem in die Hände spielt, was De Maiziere kritisiert, ist bemerkenswert: Es fehlt zudem überhaupt an einer neutralen Betrachtung in Bezug auf die verschiedenen Religionen und dem, worauf sich Menschen im Namen dieser Religion berufen. Schon die verschiedenen Auslegungen der Bibel zeigen oft, dass es verhältnismäßig einfach ist, sich die Gottesbücher so auszulegen, wie es einem recht ist.
Die Gemeinschaft der Zwölf Stämme beispielsweise begründet die Ablehnung der Sexualkunde ebenso wie die Prügelstrafe mit der Bibel, ironischerweise wollen sie durch diese auch mit Schlägen verbundene Erziehung auch das erzielen, was sich De Maiziere als eine der Grundtugenden für all jene wünscht, die in Deutschland leben wollen: Respekt.
Andere Glaubensvertreter sehen die Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen als legitim an, wenn sie im Namen der Kirche geschieht, nicht nur die jüngsten Veröffentlichungen in Bezug auf körperliche und sexuelle Gewalt innerhalb kirchlicher Einrichtungen zeugen davon. Die im Namen des Christentums begangenen Straftaten sind mannigfaltig und haben eine lange Tradition.
Respekt, Höflichkeit und Hilfsbereitschaft sowie ein Grundwissen darüber, was in Auschwitz passierte, die Anerkennung des Existenzrechtes Israels und Wissen über die deutsche Kultur, die Dichter und Architektur sollten vorhanden sein bei all jenen, die in Deutschland leben wollen, meint der Bundesinnenminister. Wer glaube, dass es nicht darauf ankomme, der gefährde den Zusammenhalt der Gesellschaft. De Maizieres Betonung der Wichtigkeit der Religionszugehörigkeit führt jedoch eher zur weiteren Spaltung einer Gesellschaft, zumal nicht einmal ersichtlich ist, wie viele Straftaten durch Christen verübt werden, während bei Muslimen gerne einmal selbst dann die Religionszugehörigkeit betont wird, wenn sie in keinem Zusammenhang zur Straftat steht.
Was De Maiziere predigt, ist ein Idealbild des Christentums, das gerade in einer Partei, die auch durch wenig christliche Äußerungen oder Handlungen ihrer Mitglieder öfter von sich reden macht(e), seltsam anmutet. Dass es eine ethische Verankerung auch gerade dann gibt, wenn keine Religionszugehörigkeit vorliegt, da der Anspruch auf die einzige Gottesfigur, die auch dem Christentum innewohnt, nicht gegeben ist, wird von De Maiziere ebenso wenig erwähnt oder gar kritisch betrachtet.