Deutscher Anwaltsverein lehnt Vorratsdatenspeicherung ab

Neuer Straftatbestand "Datenhehlerei" ist grotesk

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Die Anwaltschaft hat nicht lange gefackelt und dem Justizminister wegen der geplanten Vorratsdatenspeicherung eine Abmahnung geschickt:

In einer ausführlichen Stellungnahme legt der Deutsche Anwaltverein (DAV) dar, warum der Referentenentwurf weit davon entfernt sei, den mit einer Vorratsdatenspeicherung verbundenen schweren Eingriff in das Fernmeldegeheimnis zu rechtfertigen. Das Rechtfertigungsdefizit wiege umso schwerer, als keine gesicherten empirischen Erkenntnisse darüber vorliegen, ob mit der flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung das Ziel der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung überhaupt erreicht werden könne.

Der Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses erfordere einen gesteigerten Schutz jedweder beruflichen Kommunikation des Anwalts. Berufsgeheimnisträger seien durch die Vorratsdatenspeicherung besonders betroffen, ihre Arbeit ist auf Vertraulichkeit angelegt. Diesem besonderen Schutz werde der Referentenentwurf nicht gerecht.

Aus datenschutzrechtlicher Hinsicht würden mit dem vorgeschlagenen Entwurf in vielerlei Hinsicht die Vorgaben des EuGH nicht eingehalten. Dies beträfe unter anderem die Datensicherheit bei Speicherung der Daten und die Bezeichnung derjenigen Kommunikationsformen, die vom Gesetz erfasst sein sollen.

Auch zum Einschmuggeln eines neuen Straftatbestandes "Datenhehlerei" haben die Anwälte eine klare Meinung: Damit unternehme es die Bundesregierung – an verborgener Stelle eines Gesetzentwurfes, dessen Überschrift insinuiert, es gehe um Datenspeicherfristen – staatlichen Stellen die Früchte illegaler Datenerhebungen zu sichern. Dies wäre angesichts des bekannt gewordenen Verdachts systematischer Ausspähung von Bürgern, Unternehmen und Amtsträgern durch (ausländische) staatliche Stellen ein fatales Signal. Zu dem vorgeblichen Zweck des neuen Straftatbestandes, das formelle Datengeheimnis vor einer Fortsetzung und Vertiefung seiner durch eine vorausgegangene Straftat erfolgten Verletzung zu schützen, stehe dies in einem grotesken Widerspruch.

Schließlich sollten auch die Erfahrungen in der Europäischen Union mit nationaler Gesetzgebung zur Vorratsdatenspeicherung berücksichtigt werden. In den Niederlanden, Bulgarien und der Slowakei seien die Gesetze zur Speicherung von Vorratsdaten im Jahr 2015 für nichtig erklärt worden, in Österreich, Rumänien und Slowenien bereits im Jahr 2014. In mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union seien derzeit verfassungsrechtliche Verfahren zur nationalen Gesetzgebung zur Speicherung von Vorratsdaten anhängig.