Dicke Luft auch über Madrid

Wegen Smog wurde die Geschwindigkeit beschränkt und dürfen Auswärtige nicht mehr parken, weitere Einschränkungen drohen

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Gern wird auf die giftige Abgasglocke über der chinesischen Hauptstadt hingewiesen, dabei muss man nicht so weit in die Ferne schauen. Zwar ist der Smog in Peking nicht mit dem in der spanischen Hauptstadt zu vergleichen, doch wegen der Gesundheitsgefährdung musste die Stadtverwaltung in nur einem Monat zum zweiten Mal drastischere Maßnahmen ergreifen. Wie schon im Mitte November trat schon am Donnerstag die zweite Stufe der Einschränkungen in Madrid in Kraft, die auch heute aufrechterhalten wird.

Vor allem wegen hoher Stickstoffdioxid‑Anteilen in der Luft, bei denen Volkswagen besonders geschummelt hatte, wurde schon am Montag die Geschwindigkeit auf den Zubringern und Autobahnen in und um die Hauptstadt von 90 auf 70 Kilometer pro Stunde herabgesetzt. Damit sollte der Ausstoß von giftigen Schadstoffen durch den Autoverkehr verringert werden.

Da sich die Lage seither nicht verbessert hat, wurde gestern die nächste Stufe gezündet. Wer nicht in Madrid gemeldet ist, darf nicht mehr in der Innenstadt parken, um Verkehr aus der Stadt zu vertreiben. Die Beschränkung gilt für die Zone "SER", in der das Parken reguliert ist. Diese Zone ist sehr groß, sie reicht im Norden vom Viertel La Paz bis in den Süden in den Stadtteil Legazpi. Dazu gehören auch die Wohngebiete am Boulevard Paseo de la Catellana im Zentrum, das Viertel um den großen Retiro-Park herum, aber auch Cuatro Caminos, Atocha oder Carabanchel.

Die neue Bürgermeisterin Manuela Carmena setzt damit ein Zeichen, die dem Linksbündnis Ahora Madrid (Jetzt Madrid) angehört. Das Bündnis hatte im Mai der konservativen Volkspartei (PP) die Macht auch in der Hauptstadt übernommen. Die Stadtverwaltung hat die Maßnahmen nun auch für den heutigen Freitag aufrechterhalten und ab Sonntag könnte die dritte Stufe des Protokolls zum Einsatz kommen. Dann müsste der Autoverkehr deutlich eingeschränkt werden.

Nach dem bisherigen Protokoll müssen dafür gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid‑Anteile in der Luft an drei aufeinanderfolgenden Tagen 250 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft betragen. Aus Paris, wo sich Carmena gerade beim Klimagipfel aufhält, machte sie aber deutlich, dass trotz ihrer Kritik an dem Protokoll nicht davon abgewichen wird. Es könnte ihr zukommen, erstmals diese dritte Stufe anzuwenden. Und es sieht so aus, als könnte es sogar dazu kommen. Weiter hat ein großes Hochdruckgebiet die gesamte Iberische Halbinsel fest im Griff. Es geht kaum Wind, der den Smog über der Hauptstadt vertreiben könnte. Erst ab dem 16. Dezember soll es eine deutlichere Wetterveränderung geben.

Trotz allem hofft die Bürgermeisterin, dass sie nicht den "Alarmzustand" ausrufen müsse. Denn das wäre mit massiven Verkehrseinschränkungen und viel Ärger verbunden. Der Verkehr müsste auf 50% reduziert werden und auch Taxis dürften dann nicht mehr fahren. Ihre Hoffnung bezieht sich darauf, dass Spanien ein langes Wochenende bevorsteht, da am Dienstag Feiertag ist. Das nutzen auch viele Hauptstädter für ein verlängertes Wochenende und zur Flucht aus Madrid. Das soll zur Verminderung der Abgasglocke beitragen.

Die neue Bürgermeisterin will nicht nur das Protokoll ändern, sondern insgesamt für eine bessere Luft in der Hauptstadt sorgen, den öffentlichen Nahverkehr und die Nutzung von Fahrrädern weiter stärken. "Dringlich" soll das Protokoll geändert werden, um frühzeitiger handeln und die Bevölkerung vorwarnen zu können. Bisher treten die Maßnahmen automatisch und meist in der Nacht in Kraft, weil dann die Werte wegen der Dunstglocke dann nicht mehr zurückgehen. Das sorgt für Ärger, weil die Menschen davon nichts mitbekommen und trotz Einschränkungen am Morgen ins Auto steigen und dann nirgends parken dürfen.

Carmena übernimmt ein schweres Erbe von der früheren konservativen Ana Botella. Die Frau des ehemaligen Ministerpräsidenten José María Aznar war weder in vier Jahren in diesem Amt noch als Verantwortliche für Umweltfragen und Mobilität zuvor durch Maßnahmen zur Luftreinhaltung aufgefallen. In der Hauptstadt wird seit vielen Jahren gegen die EU-Umweltrichtlinien verstoßen. Die Belastungen mit Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon werden regelmäßig überschritten, obwohl der Verkehr krisenbedingt seit 2007 deutlich zurückgegangen ist. Doch anstatt die Richtlinien zu erfüllen, hatte Botella sogar deren Aussetzung in Brüssel beantragt.