EEG-Novelle: Fahren mit angezogener Handbremse

Nach der Neufassung des gesetzlichen Rahmens der Energiewende hagelt es Kritik von allen Seiten

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Der Berg hat gekreißt und gebar eine Maus. Am gestrigen Donnerstag hat der Bundestag endlich ein umfassendes Paket von energiepolitischen Beschlüssen verabschiedet, darunter vor allem auch die EEG-Novelle, das heißt, eine Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Doch das Ergebnis ist mager. Viele drängende Probleme wurden auf die lange Bank geschoben. Seit langem ist bekannt, dass der Ausbau der Erneuerbaren zu langsam voran geht. Die Ausbauziele werden vor allem in der Windindustrie schon seit längerem nicht mehr erreicht und sind ohnehin zu niedrig. Mit ihnen werden sich nicht einmal die ebenfalls unzureichenden Klimaziele der Bundesregierung und das neue Ziel der EU erreichen lassen.

Um 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 sollen in den nächsten zehn Jahren die Treibhausgasemissionen vermindert werden, hatte der Europäische Rat der EU-Staats- und Regierungschefs kürzlich beschlossen. Die Marke war seit längerem diskutiert worden, und man hätte in der Novelle ohne Weiteres die Ausbaupfade enstprechend nach oben korrigieren können.

Doch in der federführenden Abteilung des Bundeswirtschaftsministerium sitzen wenig Freunde der erneuerbaren Energieträger. Besser vertreten scheinen dort ausgewiesene Windkraftgegner zu sein.

Entsprechend hat der Bundestag das Thema Ausbaupfade einmal mehr auf die lange Bank geschoben und der Bundesregierung lediglich per Entschließung diesbezügliche Hausaufgaben mitgegeben. Diese soll nun die Ausbauziele für Sonne, Wind & Co. den neuen EU-Zielen anpassen. Im ersten Halbjahr 2021 müsste es dann bereits die nächste EEG-Novelle geben.

Auch eine andere, bereits seit mehreren Jahren im Raum stehende wichtige Frage wurde an die Bundesregierung verwiesen, das sogenannte "Repowering". Viele Windkraftanlagen kommen inzwischen nach 20 Jahren an das Ende ihrer Förderzeit. Für die Betreiber stellt sich damit die Frage, wie ihre Anlagen wirtschaftlich weiter betrieben werden können.

"Zaudern kostet Arbeitsplätze"

Die Technik ist inzwischen wesentlich weiter. Meist wäre es daher das sinnvollste, die alten Anlagen ab- und wesentlich leistungsstärkere Neuanlagen aufzubauen. Damit würden Instandsetzungs-Investitionen in die Altanlagen überflüssig, der Ertrag der Windparks stiege deutlich und zugleich könnte die Anlagenzahl erheblich vermindert werden.

Doch der zwischenzeitlich geänderte Rahmen erschwert dieses Repowering erheblich. Insbesondere ist nicht mehr so leicht an die garantierte Einspeisevergütung für die ersten Betriebsjahre zu kommen, die bis vor wenigen Jahren ein erheblicher Vorteil war, wenn es galt das Investitionsrisiko zu bestimmen.

Nun müssen sich Interessenten an aufwändigen und kostspieligen bundesweiten Ausschreibungsverfahren mit ungewissem Ausgang beteiligen. Daran ändert auch die neueste EEG-Reform nichts. Die Bundesregierung bekam lediglich per Entschließung den Auftrag, nach Wegen zu suchen, wie die Bedingungen für das Repowering verbessert werden können.

Die Koalition schiebe die zentralen Punkte weiter auf die lange Bank, schimpft daher der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB in einer Presseerklärung. Der Bundestag müsse spätestens jetzt die Ausbaukorridore für die Erneuerbaren deutlich anheben, um die Klimaziele noch erreichen zu können.

"Darüber hinaus brauchen wir bessere Regeln, um Wind-Altanlagen zu ertüchtigen und den Ausbau der Erneuerbaren sozial gerecht zu finanzieren. Neun Monate vor der Bundestagswahl liegen alle Themen auf dem Tisch. Das Zögern und Zaudern der Großen Koalition kostet täglich zukunftsrelevante Arbeitsplätze in Deutschland!"
Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied

"Kein politischer Wille"

Viel Kritik kommt auch von den betroffenen Industrie- und Umweltverbänden: Der Bundesverband Windenergie (BWE) meint, die gefunden Regelungen würden zu kurz greifen. "Was insgesamt fehlt, ist ein starker Impuls für eine schnelle Umsetzung der Energiewende", so BWE-Präsident Hermann Albers. Unter anderem kritisiert Albers auch, dass "in Paragraf 1 (...) das klare Bekenntnis zu Energiewende gestrichen“ wurde.

Lob findet beim BWE hingegen, dass die Beteiligung der Standortkommunen an Wertschöpfung und Gewerbesteuer verbessert wurden. 2021 werde - ein Jahr vor dem endgültigen Abschied von der Atomkraft und mit den ersten stillgelegten Kohlekraftwerken - zum "entscheidenden Jahr der Energiewende". Es brauche daher einen deutlichen Ausbauschub.

Ähnlich wird es auch beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gesehen. Es sei "bedauerlich, dass zu zentralen Punkten zum Ausbau der Erneuerbaren Energien bisher kein gemeinsamer politischer Wille entwickelt werden konnte", heißt es in einer Mitteilung des Verbandes. Die EEG-Novelle enthalte "einige positive Aspekte, jedoch auch einige Regelungen, die nicht im Sinne einer erfolgreichen Energiewende sind".

Zu viel Schatten

Bei Eurosolar betont man derweil auf Twitter die positiven Seiten des Gesetzespakets. Der Deckel für den Ausbau der Solarenergie sei weg, Mieterstrom-Projekte würden "entfesselt" und Anlagen unter 750 Kilowatt Leistung seien weiter von der Pflicht ausgenommen, sich an Ausschreibungsverfahren zu beteiligen.

Beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) sieht man derweil neben „etwas Licht zu viel Schatten“. Zur Umsetzung der Klimaziele und zur Vermeidung einer Stromerzeugungslücke sei ein Solarenergie-Ausbau von mindestens zehn Gigawatt (GW) erforderlich, wie es seit Jahren von Wissenschaftlern und Marktforschern gefordert werde. Das neue EEG sehe hingegen neinen jährlichen Zubau von weniger als fünf GW vor.

"Wenn die Bundesregierung dieses Versäumnis nicht schnell korrigiert, provoziert sie zwangsläufig eine klimapolitisch untragbare Laufzeitverlängerung fossiler Kraftwerke."
Carsten Körnig, BSW-Hauptgeschäftsführer.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) teilt die Kritik. Der Prozess der EEG-Novellierung ziehe sich seit Jahren hin. Dennoch sei "der Kern des Gesetzes, die Anhebung der Ausbauziele und den ihnen entsprechenden -pfaden sowie eine verbindliche Bund-Länder Strategie zur naturverträglichen Umsetzung", abermals verschoben worden, und zwar auf eine erneute Novelle im Frühjahr 2021.

"Nachdem das Gesetz fast ein Jahr verspätet auf dem Weg gebracht wird, ist diese Salamitaktik inakzeptabel. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat eine Anpassung des EU-Klimaziels an den Pariser Klimavertrag ermöglicht. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Regierung im eigenen Land die nun notwendige Anpassung verschleppt. 2021 muss es hier schnellstmöglich eine Einigung geben."
Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin für Politik und Kommunikation

Hier kann bei Interesse die Debatte im Bundestag nachgelesen werden. Die AfD hatte übrigens vorgeschlagen, die Wind- und Solarindustrie mitten in der Wirtschaftskrise so richtig vor die Wand zu fahren. Mit einem Schlag sollten schon ab dem 1. Januar 2021 für alle neuen Solar-, Wind- und ähnlichen Anlagen die Förderung eingestellt werden. Zum Glück für Hersteller, Klima und Handwerker, die die Solaranlagen installieren, fand derlei bei den anderen Parteien wenig Gegenliebe.