Empörten-Partei große Überraschung
Gegenüber Frankreich rückt Spanien deutlich nach links und die beiden großen Parteien werden abgestraft
Erneut haben sich im spanischen Staat Wahlumfragen als wertlos herausgestellt. Die große Überraschung dieser Europaparlamentswahlen ist Podemos (Wir können es). Wurde der neuen Partei vorhergesagt, sie könne mit ihrem Spitzenkandidat Pablo Iglesias vermutlich mit einem Kandidaten ins Europaparlament einziehen, schickt Podemos nun sogar fünf Parlamentarier nach Straßburg. Die Partei, die aus der Empörten-Bewegung hervorging, kam aus dem Stehgreif auf knapp 8% der Stimmen. Sie konnte die Empörten-Stimmen auf sich konzentrieren, obwohl mit der Partei X auch noch eine zweite Empörten-Partei angetreten war.
Iglesias bezeichnete das Ergebnis zwar als "einigermaßen gut", doch ist die Partei damit nicht zufrieden. "Wir sind entstanden, um die politische Kaste aus der Regierung zu werfen und die Korruption zu beenden." Doch dieses Ziel habe man nicht erreicht, sagte der Professor für Politik an der Universität von Madrid, aber man habe der Kaste einen "schweren Schlag" versetzt. Die Partei will verhindern, dass aus Spanien eine von der Troika beherrschte "deutsche Kolonie" wird. Den Wahlkampf hatte Podemos deshalb extra in Berlin gestartet. Podemos macht der Vereinten Linken (IU) klare Konkurrenz, die deutlich von knapp 4% auf 10% zulegen konnte.
Entsprechend haben die großen Parteien heftig an Stimmen eingebüßt, welche die Empörten als eine Zweiparteiendiktatur einer PPSOE nennen. Zwar bezeichnet sich die rechtskonservative Volkspartei (PP) als "Wahlsieger", doch die regierende PP musste heftig Federn lassen. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, sechs Millionen Stimmen zu erhalten. Sie blieb mit gut vier Millionen und gut 26% weit dahinter zurück. Gegenüber den Wahlen 2009 hat die PP gut 16 Punkte verloren und gegenüber ihrem Wahlsieg bei den Parlamentswahlen 2011 sind es sogar 19.
Die PP kann nur als Sieger auftreten, weil sich mit dem Oppositionsführer die sozialdemokratische PSOE im freien Fall befindet. Hatte sie schon bei den Wahlen 2011 ein historisch schlechtes Ergebnis mit etwa 29% eingefahren, ist die PSOE nun sogar auf 23% abgestürzt. 2009 wurde sie als Regierungspartei bei den Europaparlamentswahlen mit knapp 39% angezählt. Doch geht ihr Absturz in der Opposition weiter. Die Wähler nehmen ihr den Schwenk weiter nicht ab, mit der sie die Kürzungs- und Sparpolitik der PP nun heftig angreift. Denn sie hat die von der Troika diktierte Politik an der Regierung ebenfalls gemacht. Der PSOE-Chef Alfredo Rubalcaba, der bis 2011 zentraler Pfeiler der Regierung war, sitzt angesichts des erneuten fatalen Abschneidens nun auf dem Schleudersitz.
Die Verlagerung nach links zeigt sich noch deutlicher in Katalonien. Dort hat die Republikanische Linke (ERC) erstmals die Wahlen gewonnen. Sie war selbstsicher allein angetreten und kam auf fast 24% in der nach Unabhängigkeit strebenden Region. 2009 waren es 9,2%. Die Linksnationalisten haben die konservative Konvergenz und Einheit (CiU) übertroffen, die ihrerseits nur 0,5 Punkte eingebüßt hat und auf knapp 22% kam. Die Wahlbeteiligung hat in Katalonien sogar um sieben Punkte zugelegt. Sie lag über dem spanischen Durchschnitt von knapp 46%. Insgesamt ging sie im spanischen Staat leicht zurück.
Die Parteien, die wie ERC, CiU am 9. November die Bevölkerung in Katalonien über die Unabhängigkeit von Spanien abstimmen lassen wollen, erreichten knapp 60%. Die Parteien, die gegen den Kurs sind, stürzten dagegen ab. Die PP verlor die Hälfte ihrer Wähler und die in der Frage des Unabhängigkeitsreferendums gespaltenen Sozialdemokraten, welche die Wahlen in Katalonien mit 36% gewannen, kamen nur noch auf 14,3%. Der katalanische Regierungschef Artur Mas sieht sich in seinem Unabhängigkeitskurs bestätigt: "Nicht einen Schritt zurück." Mas kündigte an, seine Regierung werde am Referendum festhalten, obwohl Spanien es verhindern will.
Auch das Baskenland rückt weiter nach links. Die linksnationalistische Koalition EH Bildu (Baskenland Versammeln) wurde nun in der Baskischen Autonomen Gemeinschaft (CAV) und Navarra mit knapp 21% zur stärksten Formation und schickt einen Parlamentarier nach Straßburg. Die lange verbotenen Linksnationalisten machen, nachdem die Untergrundorganisation ETA ihr Ende verkündet und mit der Entwaffnung begonnen hat, der großen konservativen Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) die Hegemonie immer deutlicher streitig, die leichte Verluste hinnehmen musste. Auch im Baskenland stieg die Wahlbeteiligung um drei Punkte gegen den Trend in Spanien. Hier fiel zudem auf, dass Podemos mit 7% sogar noch vor der IU mit knapp 6% landete. Die gespaltene IU konnte sich vom fatalen Ergebnis 2009 wieder erholen, als sie nur noch auf knapp 2% kam. PP und PSOE fallen auf jeweils gut 12% zurück.