Energiepolitik: Was wollen die Parteien (1)
Unionsparteien wollen neue Kohlekraftwerke und Industrieprivilegien erhalten, die Grünen fordern das Gegenteil
Bundeskanzlerin Merkel bleibt, wie berichtet, äußerst wolkig, was die Zukunft der Energiewende angeht. Manche vermuten eine verdeckte Sabotage der Energiewende. Diese Einschätzung ist überholt. Inzwischen erklären Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, der FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle, der BDI-Präsident Ulrich Grillo, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt oder der Chef der Deutschen Energie Agentur, Stephan Kohler, keineswegs mehr verdeckt, sondern ganz offen, was nach der Wahl geschehen soll, wenn die Regierung aus CDU/CSU und FDP weitermachen kann: Moratorium beim Zubau der Erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind, Förderstopp und Abschaffung des EEG.
Verschiedene Umweltverbände rufen daher auf, am Sonntag unbedingt zur Wahl zu gehen. So auch die Deutsche Umwelthilfe, deren Bundesgeschäftsführer Michael Spielmann an die letzte Wahl erinnert: 2009 ist Schwarzgelb trotz der Ankündigung, die Atomkraftwerke länger laufen lassen zu wollen, ins Amt gewählt worden, nicht wegen dieser Ankündigung. Es darf nicht schon wieder so sein, dass eine Regierung in einer zentralen Zukunftsfrage gegen eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung regiert.
Aber schauen wir einmal nach, was die Parteien zum EEG in ihre Wahlprogramme geschrieben haben.
Die CDU/CSU bleibt in der Kurzfassung ihres Wahlprogramms ähnlich nebulös wie die Kanzlerin. Das EEG bleibt gänzlich unerwähnt. Zur Energiepolitik heißt es dort lediglich:
Mit der „Hightech-Strategie“ bündeln wir die Aktivitäten für Forschung und Innovation. Wir haben sie auf die großen Zukunftsthemen Klima und Energie, Gesundheit und Ernährung, Mobilität, Sicherheit und Kommunikation ausgerichtet.(...)Strom, Wärme und Mobilität müssen bezahlbar bleiben. Für jeden Einzelnen, aber auch für unsere Industrie. Deshalb setzen wir auf eine heimische Energieversorgung, auf Erneuerbare Energien und auf einen geringeren Verbrauch. Das sichert bestehende Arbeitsplätze und schafft neue.
Etwas mehr Aussagen finden sich in der Langfassung. Zunächst liest es sich gar nicht schlecht:
Mit einer Versorgung, die auf erneuerbare Energien und einen geringeren Energieverbrauch setzt, schützen wir zugleich unsere Umwelt und fördern den Klimaschutz. Auf diesem Weg haben wir bereits viel erreicht. Jede vierte Kilowattstunde Strom wird heute aus erneuerbaren Energien gewonnen. Das macht uns unabhängiger von Öl und Gasimporten. Zugleich sichern wir mit dem Ausbau einer auf erneuerbaren Energien fußenden Energieversorgung Arbeitsplätze und Wertschöpfung im eigenen Land. Deshalb wollen wir die Energiewende entschlossen, zügig und mit Augenmaß voranbringen.
Dass der bisherige Ausbau der Erneuerbaren in der Stromversorgung das Land unabhängiger von Gas- und Ölimporten gemacht haben soll, ist zwar eine etwas gewagte These, aber immerhin besteht ja die Aussicht, dass ein weiterer rascher Ausbau tatsächlich dazu beitragen könnte. Und das Programm verspricht, dass die Energiewende "zügig" vorangebracht werden soll. Stutzig macht jedoch, dass keine Prozent- und keine Jahreszahl als Zielvorgabe genannt wird.
Stutzig macht weiter, dass weder die Kontroverse um das Tempo des PV-Aubaus erwähnt, noch überhaupt konkret zu einer der verschiedenen Technologien Stellung genommen wird. Der geneigte Leser kann sich also bei den eher allgemein gehaltenen Aussagen denken, was er möchte. Sind die Unionsparteien nun für oder gegen mehr Windkraftanlagen an Land? Und was ist mit Biogasanlagen? Von dieser Regel gibt es nur eine Ausnahme: Den Bauherren und Betreibern der großen Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee wird explizit der Rücken gestärkt:
Der Umbau der Energieversorgung braucht stabile und verlässliche Bedingungen. Planungssicherheit ist die Grundlage für Investitionen in den Bau neuer Windparks auf hoher See oder für moderne Kraftwerke.
Offshore-Windparks und Kraftwerke werden in einem Atemzug genannt, und das sicherlich nicht zufällig. Beides sind Projektarten, die wegen des benötigten Kapitals nur für große Konzerne, Verbünde von Stadtwerken und Kapitalfonds in Frage kommen. Überhaupt liegen der Union die Interessen der Großindustrie sehr am Herzen. Die zahlreichen Vergünstigungen bei der Stromversorgung sollen offensichtlich unbedingt erhalten bleiben:
Deshalb wollen wir diese Unternehmen auch künftig zielgenau entlasten, um Nachteile durch unterschiedliche internationale Rahmenbedingungen bei Steuern und Abgaben auszugleichen.
Aha. Die Ausnahme von der EEG-Umlage für Golfplätze und Brauereien sind also zielgenau.
Und was wird nun aus dem EEG?
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat den Ausbau regenerativer Energien beschleunigt und Deutschland hierbei eine Spitzenposition gesichert. Nach der rasanten Entwicklung in den letzten Jahren ist es wichtig, die nächsten Schritte eng mit dem beschleunigten Ausbau der Stromnetze und den anderen Energieträgern zu verzahnen: Ein geschicktes Ineinandergreifen unterschiedlicher Elemente und Energieträger stabilisiert die Versorgung und entlastet die Verbraucher von Kosten.
Dazu wollen wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz weiterentwickeln. Unser Ziel sind verlässliche Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren, die Sicherheit für Investitionen und Planungen schaffen. Vor diesem Hintergrund werden wir keine rückwirkenden Eingriffe in bestehende Anlagen vornehmen. Nach der bisherigen Anschubfinanzierung muss es jetzt darum gehen, wettbewerbsfähige Preise für erneuerbare Energien zu erreichen, damit sie sich ohne staatliche Hilfen am Markt behaupten können. Zugleich sollen sie mehr Verantwortung für eine stabile Stromversorgung übernehmen.
Immerhin: "Keine rückwirkende Eingriffe" soll es geben. Bei Lichte betrachtet heißt die Aussage in etwa so viel, dass wir uns an die Gesetze halten. Rückwirkende Absenkung der Einspeisevergütung, wie es Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) im März vorgeschlagen hatten, würden nämlich den Vertrauensschutz verletzen und hätten mit ziemlicher Sicherheit vor Gericht keinen Bestand.
Ansonsten ist dieser Abschnitt wohl so zu lesen, dass die Union relativ zügig vom bewehrten Modell der Einspeisevergütungen weg kommen will. Der Wettbewerb soll es richten. Offen ist dabei, was mit dem Einspeisevorrang wird, und ob die Erneuerbaren gegenüber mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken bevorzugt behandelt werden. Zu befürchten ist, dass das nicht der Fall sein wird.
Die Kohlepolitik der Union lässt nämlich nichts Gutes erwarten:
Bis das Zusammenspiel von erneuerbaren Energien, Netzen und Speichertechnik in einigen Jahrzehnten unsere Energieversorgung sichern kann, benötigen wir moderne Kohle- und Gaskraftwerke, um Schwankungen bei den erneuerbaren Energien wirksam auszugleichen. Damit das umwelt- und klimaverträglich geschieht, wollen wir den Bau neuer, effizienter Kraftwerke beschleunigen. Dafür wollen wir für Investoren stabile und verlässliche Bedingungen schaffen, damit der Betrieb solcher Reservekapazitäten wirtschaftlich ist. Durch den Einsatz modernster Technologien kann auch die heimische
eine wichtige Rolle spielen.
Damit wird klar, dass die Energiewende entschlossen, zügig und mit Augenmaß voranzubringen (siehe oben), alles andere als den weiteren raschen Ausbau meinen kann. Denn der kollidiert bereits jetzt mit den schwerfälligen Braunkohlekraftwerken. Diese müssen aus ökonomischen und aus technischen Gründen möglichst rund um die Uhr laufen. Zum Ausgleich der Fluktuationen in der Produktion von Solar- und Windstrom sind sie gerade nicht geeignet.
So viel zur Union. Einer ihrer möglichen Koalitionspartner nach dem Wahlsonntag sind ja die Grünen, die diese Option inzwischen schon lange nicht mehr ausschließen.
Auch die Grünen wollen nach Aussage ihres Wahlprogramms, das EEG "fortentwickeln", und zwar "intelligent". Offensichtlich passt man sich sprachlich schon mal etwas dem Niveau der Regierungschefin an, mit der man eventuell schon bald am Kabinettstisch sitzen könnte.
Aber schauen wir uns mal an, in welche Richtung es bei den Grünen gehen soll:
Wir wollen die Investitionssicherheit durch den Einspeise- und Anschlussvorrang sowie das Prinzip der Einspeisevergütung erhalten, das EEG aber von kostentreibenden Sonderregelungen befreien und die Lasten fair zwischen allen Stromverbrauchern aufteilen.
Klare Ansage: Vorrang und Einspeisevergütung sollen erhalten bleiben. Aber was ist "fair"? An anderer Stelle heißt es: Dazu wollen wir das Gesetz für Erneuerbare Energien (EEG) reformieren, von teuren Industriesubventionen befreien und so die Strompreise sozialer gestalten. Industrieprivilegien sollen also zurückgenommen werden. Dagegen spricht sich allerdings nicht nur die Union (siehe oben), sondern auch der Spitzenkandidat der SPD aus, daher ist ziemlich fraglich, ob derlei in einer wie auch immer gearteten Koalition durchgesetzt werden kann.
Darüber hinaus wollen wir die Stellschrauben im EEG neu justieren, um den Ökostrom-Ausbau kosteneffizient weiter voranzubringen und Anreize zur bedarfsgerechten Erzeugung, etwa bei der Biomasse, zu setzen. Da die EEG-Umlage viel höhere Kosten ausweist als die tatsächlichen Mehrkosten des EEG, wollen wir, dass sie zukünftig ehrlich ist, und werden sie sachgerecht umgestalten.
Immerhin: Verschiedene Probleme werden angesprochen. Wenn die Biogasanlagen künftig so gesteuert werden, dass sie vor allem dann Strom liefern, wenn Sonne und Wind ausfallen, wäre schon ein erheblicher Fortschritt.
Wir wollen die Regelungen des EEG zum Ausbau der Erneuerbaren Energien so überarbeiten, dass es weiterhin zu einem dynamischen Ausbau der Erneuerbaren kommt und die Kosten gerecht verteilt werden. Denn die Energiewende braucht Investitionen. Die Lasten müssen gerecht verteilt werden und der Strompreis muss auch während des Umstiegs für alle bezahlbar bleiben.(...)
Der bisherige Boom der Erneuerbaren Energien in Deutschland wurde zu über 90% von Privatleuten und Stadtwerken, nicht von den vier großen Energieversorgern gestemmt. Wir wollen, dass die Energieversorgung der Zukunft dezentraler und bürgernäher wird. Dies hat das EEG mit seinem Einspeisevorrang und einer garantierten Vergütung eingeleitet. Wer diese erfolgreiche Grundlage heute torpediert, will sie ausschließlich in die Hände großer Konzerne geben. Das werden wir verhindern, indem wir das EEG schrittweise weiterentwickeln und den Fokus auf kostengünstige Technologien richten. Gleichzeitig werden wir das Gesellschaftsrecht so formulieren und uns weiterhin dahingehend einsetzen, dass die Energiewende auch in Zukunft durch eine breite Beteiligung von Kleinanleger-Innen vorangetrieben werden kann.
Das hört sich ziemlich anders an als bei der Union. Man darf also gespannt sein, ob davon im Falle einer etwaigen Koalition mit der Union noch etwas übrig bleibt. 1998 waren Kompromisse mit der ähnlich kohle- und konzernfreundlichen SPD noch relativ einfach, weil die großen Energieversorger einfach nicht glauben konnten, dass ihnen von der Solar- und Windenergie ernsthaft Konkurrenz erwachsen würde. Heute ist der Druck aus dieser Ecke hingegen ungleich größer.