Ermittlungen gegen spanische Zentralbank als Ablenkungsmanöver?
Die Staatsanwaltschaft will plötzlich feststellen, ob es strafrechtlich relevante Vorgänge gab
Die Vorwürfe, welche eine Vereinigung spanischer Bankenaufseher gegen die Spanische Zentralbank (BoE) erhoben hat, sind nicht neu. Denn dass diese bei ihrer Pflicht, die spanischen Geldhäuser zu überwachen, versagt hat, bezweifelt seit langem niemand. Doch nun hat die Staatsanwaltschaft plötzlich Ermittlungen aufgenommen, um zu prüfen, ob es bei der Bankenaufsicht zu Unregelmäßigkeiten und Gesetzesverstößen gekommen sei.
Das kündigte Generalstaatsanwalt Eduardo Torres‑Dulce am Mittwoch an, nachdem die große Tageszeitung "El País" ein internes Dokument veröffentlichte. Die Vereinigung der Bankinspekteure wirft darin der BoE nicht nur gravierende Versäumnisse bei der Aufsicht vor, sondern sieht auch "Indizien für Straftaten". Im Dokuments wird beklagt: "Die übliche Form auf diese Indizien zu reagieren, ist wegzuschauen." Es geht um mögliche Delikte im Millionenbereich, wenn bei der Prüfung "Kredite an ruinöse Firmen" oder "riesige Gehälter" festgestellt würden, die auf "Unterschlagung oder Veruntreuung" hindeuteten.
Doch es wird auch gefragt, ob es Aufgabe der Prüfer sei, diese Vorgänge zu ermitteln. "Wir haben nicht die Ausbildung dafür", stellen sie fest. Aufgabe der Zentralbank sei bisher, darauf zu achten, dass die Banken nicht in Schieflage geraten. Damit wird angedeutet, dass es bei der unklaren Rechtslage schwierig wird, die Zentralbank strafrechtlich zu belangen. Dass sie bei der Aufsicht versagt hat, ist angesichts des Desasters im spanischen Bankenwesen klar. Es wird mit Mitteln aus europäischen Rettungsfonds gerettet, weil auch der Staat überfordert ist.
Klares Beispiel ist die Vereinigung von sieben Sparkassen. Sie hatten sich in der Immobilienblase verspekuliert und wurden 2010 mit 4,5 Milliarden Euro Staatshilfe zu Bankia vereint, doch die Aufsicht wurde nicht ausgeweitet. Als sich 2012 die Wirtschaftsprüfer von Deloitte weigerten, geschönte Bilanzen abzuzeichnen, folgten der Absturz und die Verstaatlichung der Bank. Danach kam aber zum Vorschein, dass sogar von Bilanzfälschung gesprochen werden kann. Statt einem Gewinn von 41 Millionen Euro wurde 2011 real ein Verlust von 3,3 Milliarden Euro gemacht. Ermittlungen nahm die Staatsanwaltschaft, als Ministerium ein Teil der Regierung, aber nicht auf.
Die Empörten-Bewegung (15-M) und die kleine Partei Union, Volk und Demokratie (UPyD) stellten Strafanzeige beim Nationalen Gerichtshof und Ermittlungsrichter Fernando Andreu nahm sogar gegen den Widerstand der Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Er wirft 33 Direktionsmitgliedern Betrug, Veruntreuung, Kontenfälschung und Preismanipulation vor. Darunter ist auch Rodrigo Rato, der im vergangenen Mai vom Chefposten bei Bankia zurücktrat. Auf der Liste der zehn schlechtesten Konzernbosse des Jahres 2012 führt ihn der US- Wirtschaftsprofessor Sydney Finkelstein auf dem fünften Platz.
Dass das Ministerium für Staatsanwaltschaft nicht sofort zu ermitteln begann, kann nur politisch begründet werden. Gleichzeitig hat die regierende Volkspartei (PP) unter Ministerpräsident Mariano Rajoy erfolgreich mit ihrer absoluten Mehrheit verhindert, dass die Vorgänge von einer parlamentarischen Untersuchungskommission unter die Lupe genommen werden. Schließlich war Rato bis 2004 nicht nur spanischer Wirtschaftsminister, sondern als Führungsmitglied der konservativen PP sogar Vize-Ministerpräsident und Chef des sich verrechnenden Internationalen Währungsfonds.
Das Finanzloch bei Bankia wuchs sogar auf 19 Milliarden Euro an, doch als Rato vor Weihnachten von Andreu vernommen wurde, schob er die Verantwortung der Zentralbank zu. Stets macht er die BoE und die sozialistische Vorgängerregierung für Vorgänge verantwortlich, die er als Chef zu verantworten hatte. Er hätte den Posten als Chef der Sparkassenvereinigung 2010 nicht annehmen müssen oder hätte schnell auf die fatale Lage der Bank hinweisen müssen. Der Zentralbank kann vorgeworfen werden, die gefälschten Bilanzen nicht entdeckt zu haben.
Dass jetzt das Ministerium für Staatsanwaltschaft strafrechtlich gegen die BoE ermittelt, schlägt aber in diese Kerbe. Deshalb glauben viele in Spanien, dass damit von Vorgängen bei Bankia und den Verstrickungen der Regierungspartei abgelenkt werden soll. Die Zentralbank arbeitet zudem gerade daran, die Aufsicht zu verbessern. Sie will durch dauerhafte Anwesenheit den 16 größten Banken vor Ort auf die Finger schauen. Aus einem Bericht an die EU-Kommission geht hervor, dass die Zentralbank "Defizite, Unklarheiten und ein Versagen beim Anpassen von Prozeduren festgestellt" hat, die korrigiert werden sollen. Die Analyse und eine verbesserte Aufsicht sind Auflagen im Rahmen des Antrags, spanische Banken mit bis zu 100 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds zu stützen.